Der Weg ist das Ziel!

"Man sieht den Wald vor lauter Schildern nicht!" So könnte man die Situation in vielen deutschen Mittelgebirgen treffend beschreiben, wo sich an so mancher Buche das putzige Eichhörnchen aus Holz mit der Wegemarkierung Nr. 10 aus Emaille ein Stelldichein geben. Dazu kommen dann mancherorts noch bis zu acht weitere "Wegweiser" und schon sieht der ehemals schlichte Buchenstamm aus wie ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum.

Die traditionelle Wanderklientel hat diesen Schilderwirrwarr ohne lautes Murren hingenommen, da man sich vorwiegend in Gruppen durch den Wald bewegte, von der ein Mitglied aus der Region die Tour meistens bis ins Detail ausgearbeitet hatte. Der neue Wanderer ist anders. Er erkundet meistens auf eigene Faust mit Freunden und/oder der Familie eine für ihn neue Landschaft. Er muß sich daher auf die Eindeutigkeit von Karte und Markierung vor Ort verlassen können, sonst steht er bald sprichwörtlich "allein im Wald". Um diesen neuen Ansprüchen gerecht zu werden, hat der Schwarzwaldverein im Jahre 2000 im Naturpark Südschwarzwald in der Region Hotzenwald ein Pilotprojekt zur Erneuerung des Wanderwegemarkierungssystems gestartet, das mittlerweile auch vom Mittleren und Nördlichen Schwarzwald begeistert übernommen worden ist. Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mich also in den Südschwarzwald aufgemacht, bin den Zeichen der Zeit gefolgt und habe die Planer und Praktiker vor Ort getroffen.

Die Farbe Gelb 

Montag, 12. Mai 2003. Ich stand vor einem blanken Metallpfosten und das Neue am Neuen war offensichtlich: Gelb. Das ist die Farbe, die sich im "schwarzen Wald" seit drei Jahren wie ein Lauffeuer ausbreitet. In Form der altbekannten Raute taucht schon in vielen Schwarzwaldgemeinden zwischen Pforzheim und Weil am Rhein das leuchtende Gelb des neuen Markierungssystems auf. Schrittweise soll bis spätestens 2010 - im Naturpark Südschwarzwald sogar schon bis 2006 - der gesamte Schwarzwald eine durchgängige und zuverlässige Markierung haben (Mehr zu dem Markierungssystem siehe Infokasten "Das Vorbild").

Nicht daß die Informationen auf den Wegweisern weniger geworden sind, beileibe nicht. Eine ganze Latte an Namen mit Entfernungsangaben bietet sich mir an und ich habe die Qual der Wahl. Ich blieb aber bei der vorher am Ausgangsparkplatz festgelegten Route und folgte der angegebenen Richtung meines Zwischenzieles. Denn mit dem Wegeplan am Wanderparkplatz hatte ich mir meine eigene Wanderroute zusammengestellt.

Ich wollte eine nicht allzu lange Strecke mit wenig Steigungen, mindestens einem Aussichtspunkt über die Wälder des Schwarzwaldes, wenn möglich einer Einkehrmöglichkeit auf ungefähr der Hälfte der Wegstrecke, einen kulturell-geschichtlichen Anreiz, über den ich mir auf der Wanderung meine Gedanken machen konnte, und am Ende wieder am Ausgangspunkt ankommen. Nach einigem Ausprobieren hatte ich alle Punkte außer der Einkehr auf einer 12 Kilometer Strecke vereint. Ich hätte auch die Einkehr haben können, aber nur mit einem "Umweg" von zusätzlichen vier steilen Kilometern. Das war es mir aber nicht wert, und so zog ich los.

Nach wenigen Schritten kehrte ich aber schon wieder zur Tafel zurück, um mir genau das Zwischenziel meiner Rundwanderung einzuprägen, denn danach mußte ich mich auf der ersten Hälfte des Weges orientieren. Die althergebrachten örtlichen Rundwanderwege mit ihrer berüchtigten Schildervielfalt werden nach dem neuen System nämlich nicht extra gekennzeichnet, es sei denn, es sind besondere Themenwege. So muß der Wanderer sich zumindest das Etappenziel merken, das am weitesten von seinem Ausgangsort entfernt ist. Das hat auch wunderbar geklappt!

Vorbildlich haben mir an jeder Wegekreuzung, auch wo zwei Wanderwege aufeinander trafen, die wießen Schilder mit der gelben Raute den Weg zu meinem Zwischenziel mit Kilometerangabe gewiesen. Aber damit nicht genug! Ich konnte anhand von Piktogrammen (schematischen Bildern) neben den Zielnamen auch erfahren, wo sich ein weiterer Aussichtspunkt, eine Einkehrmöglichkeit oder der nächste Bahnhof/die nächste Bushaltestelle befindet und wie weit es bis dahin ist. Das ist zum Beispiel dann sehr praktisch, wenn sich das Wetter wesentlich verschlechtert und man seine Wanderung abbrechen oder verkürzen möchte. Damit hat der Wanderer wichtige Informationen direkt im Wald zugänglich, mit denen er flexibel, seinen veränderten Bedürfnissen entsprechend, die Strecke verändern kann. Zwischen solchen Knotenpunkten, wo mehrere Wanderwege zusammenlaufen, hängt nur die gelbe Raute, ohne weitere Angaben, was auch völlig ausreichend ist.

Nachdem ich dann mein Zwischenziel erreicht hatte, gab es eine kleine Überraschung, denn ich fand zwischen den ganzen Zielangaben auf den Wegweisern nur ein einziges mal meinen Ausgangsort. Doch genau diesen Weg war ich ja gerade gekommen! Da kein Wegeplan in der Nähe war, mußte ich auf die neue Wanderkarte zurückgreifen (mehr zum Thema Wanderkarten siehe "Die Karten"). Auf ihr fand ich das nächste Zwischenziel meiner Rundtour und gelangte problemlos zu ihm und von dort mit Zielangabe auch zum Ausgangsort zurück. Fazit des Praxistests: Gehst du in den Wald, vergiß die Wanderkarte nicht.

 

Auf den Weg gebracht

Dienstag, 13. Mai: Schwere Wolken hingen um das Haupt des Feldbergs. Die Kabinen des Sesselliftes verschwanden in ihrem grenzenlosen Grau. Vor mir wölbte sich aus starkem Fichtenholz das Dach des "Hauses der Natur Südschwarzwald", dem Sitz der Naturparkverwaltung Südschwarzwald (mehr zum Haus der Natur im Infoblock über den Naturpark Südschwarzwald). Hier wollte ich mehr erfahren über die Hintergründe des neuen Markierungssystems. Denn der Naturpark war es, der das Pilotprojekt "Neues Markierungssystem für den Schwarzwald" 2000 im Hotzenwald finanziell getragen hat. In der oberen Etage des kunstvollen Glas-Holzbaues traf ich den Geschäftsführer des Naturparks Südschwarzwald, Herrn Holderried, der von den Anfängen berichtet: Als Ende der 90er Jahre im Südschwarzwald der Wunsch nach einem Naturpark immer dringlicher wurde, entschied man sich auf touristischer Seite, möglichst alle Formen der sportlichen, gesundheitsfördernden und naturverträglichen Bewegung unter dem Dach Naturpark anbieten zu wollen (mehr zu den Aufgaben des Naturparks siehe Infoblock über den Naturpark Südschwarzwald). Neben dem Dauerbrenner Wandern, entwickelt man seitdem immer neue Angebote zum Beispiel für Mountainbiker und NordicWalker.

Zusätzlich holte man sich fachkundige Hilfe bei der Wissenschaft. Das war in diesem Fall Professor Roth von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er hatte in der Region schon diverse sporttouristische Untersuchungen u.a. auch zu Beschneiungsanlagen gemacht und eine gesamthafte Sporttourismus-Konzeption für den Naturpark vorgelegt. Er kannte sich daher gut aus und war in der Region schon als Kapazität bekannt. Das Team von Professor Roth machte sich an die Arbeit, indem es zuerst den gegenwärtigen Stand der Forschung analysierte, den Ist-Zustand im Südschwarzwald beschrieb und anschließend Vorschläge zur Verbesserung ausarbeitete.

Für das Wandern ergaben sich drei Hauptforderungen (nachzulesen im Wanderhandbuch S. 51, das die Ergebnisse der Kölner Untersuchungen auf 70 Seiten zusammenfaßt):

  • 1. Verbesserung der Wegeinfrastrukturen
  • 2. Schaffung eines wanderfreundlichen Beherbergungs- und Dienstleistungsangebotes
  • 3. Professionelle Vermarktung des wandertouristischen Angebotes

Die Umsetzung aller drei Punkte hat die Naturparkverwaltung schnell und konsequent in Angriff genommen. Am meisten Überzeugungsarbeit in der Region mußte dabei für Punkt eins aufgewendet werden, da die Kosten der kompletten Neubeschilderung enorm waren und die über hundert Jahre alten Schilder des Schwarzwaldvereins für viele schon aus nostalgischen Gründen erhalten bleiben sollten. In dieser Situation übernahm der Naturpark die finanzielle Förderung und stampfte zusammen mit dem Schwarzwaldverein das Pilotprojekt Hotzenwald 2000 aus dem Boden, zu dem alle kommen und sehen sollten, wie überzeugend gut das neue System wirklich ist.

Das Ergebnis ist eine hohe Akzeptanz bei den Nutzern und das gibt den Entscheidungsträgern im Nachhinein Recht. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sind überzeugt von dem neuen System und sehen sich gerne in der Vorreiterrolle für eine mögliche Markierungsrevolution in Deutschland. Zwei weitere Kriterien sollten zudem Berücksichtigung finden:

  • 1. die Anzahl der Wanderwege zu reduzieren und
  • 2. die Nutzungsansprüche an die Trassenführung der neu markierten Wege abzustimmen.

Nach vier Jahren kann Oberforstrat Holderried, der auch die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg im Naturpark vertritt, auf den Innovationsschub, den das neue System für die Region gebracht hat stolz sein. Doch dafür bleibt wenig Zeit, da so viele Ideen auf dem Weg zu einem beispielgebendem Erfolgsmodell Naturpark Südschwarzwald noch ihrer Verwirklichung harren. Man darf gespannt sein, was im äußersten Südwesten Deutschlands in den nächsten Jahren noch an Neuerungen umgesetzt wird.

Am Nachmittag war ich noch mit Walter Sittig, dem Geschäftsführer des Schwarzwaldvereins, verabredet. Nach einem Rundgang durch die schnuckelige Innenstadt von Freiburg und der Besichtigung des Freiburger Domes, saß ich dann mit Blick auf das kunstvolle Dach des Münsters in dem Haus, wo 1864 der älteste deutsche Wanderverein gegründet worden ist und wollte wissen, wie die Umsetzung des neuen Wege- und Markierungskonzeptes ganz konkret aussieht. Herr Sittig antwortete auf die Frage, ob es dem Schwarzwaldverein nicht schwer gefallen sein muß, die über Jahrzehnte hinweg lieb gewonnenen Schilder abzunehmen, mit einem verschmitztem Lächeln. Natürlich sei es nicht ganz leicht gewesen und es hätte auch großer Überzeugungskraft in manchen Ortsgruppen bedurft, da sich viele Wegewarte stark mit den von ihnen gepflegten Wegen und Markierungen identifizieren. Doch mit zwei gewichtigen Argumenten ließ sich jeder Zweifel aus dem Weg räumen: "1. Die Fernwanderwege des Schwarzwaldvereins (West-, Mittel-, Ostweg u.a.) bleiben mit ihren charakteristischen Zeichen erhalten. 2. Das neue System ist wirklich besser."

Um die Wegewarte auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten, werden Schulungen angeboten, in denen das neue Wege- und Markierungskonzept vorgestellt wird. Vor allem soll den Wegewarten der Gedanke eines Wandernetzes vermittelt werden, das sich über den gesamten Schwarzwald legen soll, ungeachtet jeglicher Gemeindegrenzen, denn die sind für den Wanderer in aller Regel ohne Bedeutung. Auch Herr Sittig bestätigte den Trend zum individuellen Wandern und sieht die Neustrukturierung der Wegeinfrastruktur als einen wichtige Schritt des Schwarzwaldvereins, um auf diese Tendenzen einzugehen. Der Schwarzwaldverein hält den Kontakt zu den Ortsgruppen laufend aufrecht. Der Geschäftsführer verbringt manches Wochenende mit der wandernden Basis. So hat er zum Beispiel im letzten Jahr den hundertjährigen Mittelweg an sechs Wochenenden komplett (233 km) abgewandert und wird nächstes Jahr aus demselben Anlaß den Ostweg folgen lassen. Fazit des Tages: Schwarzwaldverein und Naturpark gehen mit Elan und konstruktiv in die Zukunft. Der Wandergast wird seine Freude damit haben!

 

Alle Fäden laufen zusammen

Mittwoch, 14. Mai: Nach den interessanten Gesprächen vom Vortag wollte ich nun noch genauer wissen, wie das neue Konzept in die Tat umgesetzt wird. Ich traf mich dafür als erstes mit Hans Georg Sievers, dem Wegereferenten des Schwarzwaldvereins, der die Umsetzung der Neubeschilderung koordiniert. Aus seiner Feder stammt der Leitfaden "Das neue Wege- und Markierungskonzept des Schwarzwaldvereins". Hierin sind unter anderem die Kriterien für die Auswahl der neu zu beschildernden Wanderwege enthalten:

  • 1. wanderfreundlich: naturbelassene Wege, wenig Asphalt
  • 2. landschaftlich schön: abwechslungsreich und aussichtsreich am Waldesrand oder Gewässer
    entlang
  • 3. Einbindung der herausragenden Sehenswürdigkeiten: Aussichtspunkte, Felsen, Schluchten, alte Bäume, Quellen, Kulturdenkmäler etc.
  • 4. Besucherlenkung in ökologisch sensiblen Bereichen
  • 5. Einbindung von Ortsteilen mit Gastronomie

Mit diesem Leitfaden unterstützt und berät Herr Sievers die Wegewarte der Ortsgruppen. Außerdem ist er als Projektleiter für die gesamte Planung der Neubeschilderung zuständig sowie für die Wegweiserbeschriftung und die Materialbestellung. Er überlegt sich auch, welche Neuerungen in das Konzept aufgenommen werden. Verbesserungsvorschläge aus den Erfahrungen der letzten drei Jahre sollen möglichst integriert werden. So werden momentan in der neuen Wanderkarte "Schuttertal" Wege mit Asphaltdecken kenntlich gemacht. Das soll dem Wanderer eine weitere Entscheidungshilfe bei der Gestaltung seiner individuellen Route sein.

Neu eingeführt werden soll auch die Kategorie "Regionale Wanderwege". Diesen ehemaligen Zugangs- und Verbindungswegen kommt die Aufgabe zu, das grobmaschige Netz der Fernwanderwege zu verdichten, und sie verbinden zwei überregional bekannte Ziele miteinander. Sie werden durch eine blaue Raute gekennzeichnet. In der Vergangenheit führte an manchen Stellen eine Ballung dieser blauen Rauten zu Verwirrungen bei den Wanderern. Sie werden daher reduziert und stellenweise als örtliche Wanderwege mit der gelben Raute versehen. Verstärkt wird auch die Ausweisung von Rundwandermöglichkeiten durchgeführt. Da die alten Rundwege mit einem einheitlichen Zeichen alle wegfallen, versucht der Schwarzwaldverein die beliebte Form des Rundwanderns beispielsweise durch die zweifache Benennung desselben Zieles von einem Markierungspfosten aus zu unterstützen, so daß der Wanderer zwischen zwei Alternativstrecken wählen kann.

 

Wege werden umgelegt

Dermaßen informiert begab ich mich dann zu meinem letzten Termin im Schwarzwald, zu Herrn Kaiser, seines Zeichens Wegewart in St. Blasien. Er ist ein Mann der ersten Stunde, denn auf einem Stück seiner Gemarkung wurde 2000 auch das Pilotprojekt Hotzenwald durchgeführt. Er hatte es damals auch sofort begeistert aufgenommen und seitdem mit dem Projekt viele Stunden im Wald und zuhause am Schreibtisch verbracht. Mittlerweile hat er einen ganzen Ordner voll mit Unterlagen. Dabei hatte Herr Kaiser es noch recht einfach im Vergleich zu seinen Kollegen aus anderen Gemeinden. Denn der pensionierte Revierförster mußte nach Absprache mit der Gemeindeverwaltung und der Touristinformation nur zu seinem alten Dienstherren gehen, und nach zwei Stunden hatte er fast alle gewünschten Wege genehmigt bekommen.

Ihm kam natürlich zugute, dass er die Wälder rund um St. Blasien wie seine Westentasche kennt und genau wieß, wo die Wege lang führen und wie sie beschaffen sind. Einige Wege sind auch verlegt worden, weil die Wanderer von sensiblen Naturbereichen (zum Beispiel aus Brutgebieten des Auerhahns) ferngehalten werden sollen. Dafür sind an manch anderer Stelle neue Routen hinzugekommen. Insgesamt hat aber eine Ausdünnung der Wege stattgefunden, was der Qualität dient und den Ansprüchen des modernen Wanderers entgegenkommt. Fazit der Reportage: Keine Markierung ist perfekt, aber die neue ist wesentlich besser als die alte. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase werden die meisten Wanderer ihre Freude daran haben.

Viel Spaß beim problemlosen Erkunden des Schwarzwaldes