Es gibt Sachen, die haben schon einen historischen Wert. Eine Gore-Tex Jacke von Berghaus „Made in England“ oder ein Trekkingrucksack von Vaude „Made in Germany“ oder die Fjällräven G-1000 Jeans „Made in Finnland“. Die Zeiten, als Berghaus in England noch Jacken, Vaude am Standort Tettnang noch Trekkingrucksäcke oder Fjällräven in der Fabrik in Finnland noch selber nähten, sind längst passé. Alle drei Produkten sind heute „Made in China“ oder „Made in...“ – irgendwo anders im südasiatischen Raum. Meist wird das dann dezent überlagert durch ein „Designed in...“ – Germany, England, Sweden oder sonst wo in Westeuropa. Wobei auch das immer stärker zur Disposition steht. Gerade ist Schöffel dabei, die Entwicklungsarbeit zu den Produktionsstätten zu verlagern. Was dann mit der kleinen Musternäherei in Schwabmünchen passiert, lässt sich erahnen.
Dennoch gibt es sie noch: Outdoorprodukte von Herstellern, die am Firmenstandort produzieren. Die Liste dieser Hersteller ist sogar recht lang. Trangia beliefert einen Weltmarkt mit genialen, ineinander verstaubaren Spirituskochern aus einer kleinen Fabrik an der Verbindungsstrasse von Östersund nach Trondheim bei Trångsviken in Schweden. Ortlieb hat mit wasserdichten Rad-taschen den Radtaschenmarkt revolutioniert und produziert weiterhin im fränkischen Heilsbronn. Snugpak lässt sich auch durch die Massenware der Discounter nicht davon abbringen, hochwertige Softie-Schlafsäcke aus englischer Produktion in den Midlands beizubehalten. Sigg trotzt den PET-Flaschenboom mit dauerhaften Aluminium- und Edelstahlprodukten aus Frauenfeld in der Schweiz.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass der Verbraucher in allen Kategorien Produkte finden kann, die auch an den jeweiligen Firmenstandorten hergestellt werden: Zelte, Schlafsäcke, Rucksäcke, Kocher, Accessoires, Funktionswäsche, verschiedene Isolationsvarianten, Schuhe, Socken, Stöcke. Lediglich wasserdichte und atmungsaktive Jacken scheinen restlos ausgelagert zu sein.
Out of Rosenheim
Eine Produktion vor Ort, um eine hohe Qualität zu erzielen, das ist schon lange nicht mehr das einzige Argument. Zwar gibt es diel Billigproduktion im asiatischen Raum, aber zu einem guten Preis und bei guten Bedingungen lassen sich heute auch in China oder Vietnam Spitzenprodukte herstellen.
Trangia könnte sicher viel billiger in Asien produzieren, ebenso Sigg. Aluminium- oder Metallverarbeitung ist wahrlich kein Zauberwerk, welches einen Standort in Schweden oder der Schweiz rechtfertigen müsste. Dasselbe gilt für Löffler. Textilien lassen sich wirklich überall produzieren. Dennoch leistet sich Löffler die Produktion in Ried im Innkreis in Österreich – samt eigener Stoffvorstufe, auch wenn die Österreicher feststellen, dass es immer schwieriger würde, weil ihnen die Zulieferer wegbrächen. Dass Ortlieb heute immer noch in Deutschland produziert, ist nicht selbstverständlich. Die Hochfrequenzverschweißung war als Technologie Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre nicht sehr verbreitet. Das hat sich aber geändert. Auch dass man Bootsrümpfe aus PE druckblasen kann, ist kein technologisches Geheimnis – und dennoch kommen Prijon-Boote aus Rosenheim.
Was veranlasst Bengt Jonsson (Trangia), Toni Prijon (Prijon), Hartmut Ortlieb (Ortlieb), Helmut Unhold (Fähmann) oder Frank Schürmeyer (Mufflon), die vergleichsweise teure Produktion beizubehalten?
Die Gründe für eine Produktion am Standort oder eine standortnahe Fertigung sind vielfältig: Standorttreue zu einer Region, in der die Marke entstehen konnte. Höhere Verarbeitungsqualität und Know-how, welche ein Outsourcing schwierig machen. Höhere Flexibilität und schnellere Umsetzung von Produktänderungen. Geringe Stückzahlen, die eine ferne Produktion unsinnig machen. Häufig spielen alle Faktoren eine Rolle bei der Gesamtentscheidung. Das wichtigste Argument aber ist und bleibt: Man muss es wollen.
Verantwortung und Bescheidenheit
Eine rein wirtschaftliche Kostenrechnung lässt für die meisten Firmenchefs den Schluss zu, dass der Standort vor Ort zu teuer, zu unrentabel wäre. Das stimmt vor allem dann, wenn man als Firmenchef das Ziel darin sieht, immer mehr Umsatz und immer mehr Gewinn machen zu wollen. Eine Firma, die ein Geschäftsjahr angeht mit dem Ziel, 20% zulegen zu wollen, kann nicht anders, als möglichst günstige Produktionsorte zu suchen, meist mit Billiglöhnen und Massenproduktion. Zwar muss ein Teil der gesparten Kosten in aufwendiges Marketing und PR investiert werden, um die Produkte „aufzubessern“, dennoch geht die Rechnung meist auf. ...