Schon mal was von den Ardennen gehört? Das wilde Mittelgebirge im südöstlichen Teil Belgiens, in dem es noch möglich ist, auf einsamen Wanderungen durch tiefe Wälder zu streifen, ohne einer Menschenseele zu begegnen, gilt in Deutschland als absoluter Geheimtipp. Mit dem rauen Gebirgsplateau des Hohen Venn, das mit seiner einmaligen Hochmoorlandschaft eine zauberhafte, fast melancholische Stimmung verbreitet. Mit den Flusstälern von Maas, Ourthe oder Semois, die sich oft hunderte Meter tief in den steinigen Untergrund gearbeitet haben und nun mit ihren mächtigen Schluchten und steilen Felshängen als beliebte Wander- und Kletterziele gelten. Mit den weiten Wiesen und sanften Hügeln des Herver Landes in der nördlichen Wallonie, die an eine englische Parklandschaft erinnern und wo prachtvolle Herrenhäuser und Gehöfte als Wanderziele warten. Vielfältiger und wandernswerter als in Belgiens Süden können Naturlandschaften kaum sein. Höchste Zeit für einen Ausflug in „Nachbars Garten!
Überraschung in Wanderschuhen
Gegen Mittag verschwinden die Jacken im Rucksack. Der Nebel hat sich aus dem Tal verzogen und die Sonnenstrahlen tauchen die turbulenten Strudel der Lesse in glitzerndes Licht. Die Wanderlandschaft der Wallonie ist so vielfältig wie einzigartig. Sie umfasst die südliche Hälfte Belgiens, mehr als 530.000 ha davon sind bewaldet – das sind 82% der gesamten belgischen Wälder.
Die Provinz Luxemburg mit den Ardennen, die den Hauptteil dieser Waldflächen beheimaten, ist eine perfekte Wanderregion. Nicht nur die riesigen Wälder, sondern auch zahlreiche Parks und Naturreservate laden Naturliebhaber zu Entdeckungstouren ein. Tausende Kilometer ausgeschilderte Wege stehen Wanderern, Spaziergängern, Fahrradfahrern und Reitern zur Verfügung. Die Flusstäler von Semois, Lesse und Ourthe haben sich tief in das Land eingegraben. Die Pfade, auf denen Wanderer hier unterwegs sind, haben fast alpinen Charakter. Steile Aufstiege belohnen mit atemberaubenden Ausblicken über dicht bewaldete Berglandschaften. Die Burgstädtchen La Roche-en-Ardenne, Bouillon und Durbuy entführen in vergangene Zeiten.
Grünes Märchenland
Nördlich der Ardennen erstreckt sich die Provinz Lüttich. Hier werden die Hügel sanfter und weite Teile der Region sind landwirtschaftlich genutzt. Häuser und Höfe aus Bruchstein, mit Blumen an den Fenstern und von Hainbuchenhecken gesäumt prägen das Bild. Zwischen den Gehöften erinnert das ein oder andere Herrenhaus oder Schloss an Bilder wie aus dem Märchenbuch.
Der mondäne Kurort Spa, die geschäftige Großstadt Lüttich oder Malmedy mit seiner berühmten Kathedrale sind mögliche Ausgangspunkte für Wanderungen. Zahlreiche Wanderwege führen durch das einmalige Schutzgebiet Hohes Venn im Osten der Provinz Lüttich, das einen Teil des Deutsch-Belgischen Naturparks Hohes Venn-Eifel ausmacht und als das größte Hochmoor Europas gilt. Hier befindet sich auch der höchste Punkt Belgiens, das Signal de Botrange mit 694 Metern über NN.
Überraschung in Stein
Südwestlich von Lüttich, in der Provinz Namur, liegt die gleichnamige Hauptstadt der Wallonie. Mächtig erhebt sich die riesige Burganlage über der quirlig-bunten Universitätsstadt am Flussufer der Maas. Von hier aus sind die schönsten Wanderziele im Nu erreicht: Falaën, das historische Dorf, das zu den schönsten der Wallonie gehört, oder Dinant, dessen Kirche sich im Wasser der Maas spiegelt, hoch darüber die Burganlage auf einem Felsen erbaut. Zwischen Givet und Namur hat die Maas auf ihrem Weg tiefe Schluchten ins Ardennenmassiv geschnitten. Schon in der Steinzeit siedelten sich hier Menschen an.
In den Niederungen entstanden Klöster, an den Berghängen Burgen und Schlösser. Die Grotten von Han-sur-Lesse im Südosten der Provinz Namur sind ein einmaliges Naturschauspiel. Die von dem Flüsschen Lesse durchflossenen Tropfsteinhöhlen bestechen vor allem durch die bizarren Gesteinsbildungen. Aber auch andere Tropfsteinhöhlen in der Wallonie, wie die Grotten von Remouchamps, Dinant oder Couvin, sind einen Besuch wert.
Hochgenuss
Natur genießen, frische Luft atmen, einfach die Seele baumeln lassen – schöne Landschaften haben einen erheblichen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Das i-Tüpfelchen der Wanderung ist dann das Picknick unter freiem Himmel: Leckerer Ardenner Schinken, knusprig-frisches Brot vom Dorfbäcker, rotbackige Äpfel direkt vom Baum. Ein perfekter Genuss, wenn die Brotzeit zur umliegenden Landschaft passt.
In der Wallonie hat gutes Essen einen hohen Stellenwert. Viele ländliche Betriebe haben sich ganz auf die Vermarktung regionaler Produkte spezialisiert: Käse und Milchprodukte, Obst, Eier und Fleisch kommen meist direkt vom Bauernhof, oft sogar in Bio-Qualität. Regionale Spezialitätengeschäfte gibt es fast in jedem Dorf. Auch die Gastronomie hat sich ganz den traditionellen Produkten der einzelnen Regionen verschrieben – vom einfachen Dorfkrug bis zum Sterne-Restaurant.
Der Herbst – wenn die Wildsaison beginnt, Pilze aus den lockeren Waldböden sprießen und reifes Obst die Bäume am Wegesrand ziert – ist vielleicht die schönste Jahreszeit für einen Wanderurlaub in der Wallonie...
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