Architektonische Besonderheiten in Herborn

Ein historischer Startpunkt

In der historischen Fachwerkstadt Herborn starte ich auf der ersten Etappe des WesterwaldSteigs. Gelegen im hessischen Lahn-Dill-Kreis finde ich bei einem Gang durch die Altstadt überall architektonische Besonderheiten und schöne Details: In Holzbalken geschnitzte Figuren, künstlerisch verzierte Torbögen und bunte Malereien. Liebevoll verzierte kleine Fachwerkhäuser reihen sich mit ihren schiefen Wänden aneinander. Herborn zählt zu einer der besterhaltenen mittelalterlichen Stadtanlagen Deutschlands. Schon im 13. Jahrhundert war Herborn Markt- und Brückenort, Zollstation und Sitz eines Kaufhauses. Gemütlich schlendere ich durch die Altstadt, besorge mir in einem der kleinen Läden Proviant und genieße die schon am frühen Morgen wärmende Sonne. Ein schöner Ort, um die 16 km lange Wanderung nach Breitscheid zu starten.

Der WesterwaldSteig ist ein 235 km langer Fernwanderweg, aufgeteilt in 16 Etappen. Er ist vom vom Deutschen Wanderverband als Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ zertifiziert und zählt zu den „Top Trails of Germany“. Der Westerwald erstreckt sich zwischen Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Nachhaltige Anreise: Die beiden Etappen können auch als einzelne Strecken erwandert werden, da es Busverbindungen zwischen den Start- und Endpunkten gibt. Es empfiehlt sich den Busplan vorab online zu checken. 

Weitere Infos zu Wandertouren mit Bahnanbindungen auf dem WesterwaldSteig: www.westerwald.info

Schmale Pfade und weite Aussichten 

Hinter der Altstadt von Herborn nehme ich eine Straße bergauf und schon habe ich die Stadt hinter mir gelassen und stehe im grünen Wald. Die Blätter der Bäume zeichnen durch die Sonnenstrahlen ein Muster auf den Waldweg, der so einladend wirkt, dass ich sofort in den Wald eintauche. An einem Baum entdecke ich das Logo des WesterwaldSteigs, ein grünes W auf weißem Hintergrund. Der breite Weg wird immer wieder zu kleinen verwunschenen Pfaden, über die weiße Blüten ranken. Die ersten Blütenblätter sind schon gefallen und bedecken den Waldboden zu meinen Füßen. Ein ähnliches Bild bietet sich mir auch auf Etappe 14 am zweiten Tag, wenn auch durch den zwischenzeitlichen Regen etwas nasser: Pflanzen und Bäume strahlen im Kontrast zum grauen Himmel noch intensiver im leuchtenden Grün. Auf ihren Blättern haben sich überall kleine Wassertropfen gesammelt. Während ich einem schmalen Waldweg folge, lausche ich dem beruhigenden Geräusch der fallenden Tropfen. Teilweise fühlt es sich an, wie durch einen Märchenwald zu laufen, so verwunschen wirken der grün bewachsene Waldboden im Zusammenspiel mit dem dichten Blätterdach auf mich.

Hinein in die grüne und blühende Natur 

Die Etappen sind sehr gut ausgeschildert und so kann man das Handy oder die Karte getrost in die Tasche packen, einfach nur die Landschaft genießen und Details in der Natur bestaunen. So fällt mir z. B. sofort ein weiß und rosa blühender Baum ins Auge. Durch seinen Alleinstand und seine knorrigen Äste, die alle mit bunten Blüten geschmückt sind, wirkt er besonders intensiv auf mich und ich betrachte eine Weile seine Äste, die sich im Wind hin und her neigen. 

Vorbei an weiten Wiesenlandschaften und Ausblicken auf die hügelige Landschaft durchquere ich immer wieder kleine Ortschaften. Nach der Ortschaft Uckersdorf gehe ich eine von blühenden Bäumen umgebende Straße bergauf. Oben angekommen fesselt mich der Ausblick und ich beschließe, bei den Rastbänken eine Pause einzulegen. Während ich meinen Schokomuffin genieße, betrachte ich das Zusammenspiel aus dem strahlend blauen Himmel, den grünen Wiesen und in der Ferne den dunkelgrünen Wäldern. Auch als ich weiterwandere, habe ich noch lange Zeit etwas von dem schönen Ausblick. Ein Mann mit Hund kommt mir entgegen und grüßt freundlich. Mir fällt auf, dass er der erste Mensch ist, den ich treffe und wie ruhig und entschleunigend die Wanderung auf mich wirkt. 

Ein besonderer Baum 

Highlights auf Etappe 1: 

Wanderweg durch eine Karstlandschaft

Wanderweg durch die Karstlandschaft

Eine ganz besondere Landschaftsform erwartet mich im Wald kurz vor Breitscheid. 12 % von Deutschlands Fläche besteht aus Karst, einem wasserlöslichen Gestein. Auf dem Karst- und Höhlenlehrpfad Breitscheid erfahre ich mehr über die spannende Landschaftsform mit unterirdischen Wasserläufen und Höhlen. Über schmale schöne Waldwege bestaune ich beeindruckende Felsformationen und kleine Höhlen. Infotafeln erzählen von der Geschichte des Karsts und den Phänomenen. So verschwinden z. B. Bäche je nach Jahreszeit unterhalb der Erde. Der Erdbach verläuft ca. 1,3 km unter der Erde und taucht erst am Rande vom gleichnamigen Dorf wieder auf. Ich komme an der großen und kleinen Steinkammer vorbei, beides Höhlenreste, vor Millionen von Jahren in den Kalkfelsen entstanden als Teil eines Korallenriffs. Kaum vorstellbar, wie diese Gesteine über Millionen Jahre bestehen. Die kleine Steinkammer kann man sogar begehen und die Höhlengänge selbst erkunden. Schon von den Steinzeitmenschen wurden sie genutzt, was durch Funde belegt ist.

Die Tropfsteinhöhle

Das sogenannte Herbstlabyrinth ist auch Teil der Karstlandschaft und kann auf Anfrage besichtigt werden. Bettina Metz nimmt mich heute mit in die unterirdische Welt. Schon als Kind war sie von der Welt unter der Erde fasziniert und nutzte die Chance Höhlenguide zu werden, als die Höhle im Jahr 2009 zur Besichtigung freigegeben wurde. Um in die Höhle zu gelangen, müssen wir zunächst 124 Stufen nach unten bewältigen. Als ich Schritt für Schritt in die Dunkelheit steige, spüre ich sofort den Temperaturunterschied im Gegensatz zu der wärmenden Sonne draußen. Kleine Lichter leuchten uns den Weg in die Höhle. Unten angekommen verkündet Bettina Metz, dass sie nun kurz das Licht komplett ausmacht, damit der Wow-Effekt noch größer ist. Ein bisschen mulmig ist mir schon zumute, als ich im Dunkeln 21 Meter unter der Erde stehe. Aber sie hat recht: Der Effekt ist unglaublich, als das Licht die gesamte Höhle erleuchtet. 

Vielfältige Tropfsteinformationen 

Überall sind kleine Lampen installiert und beleuchten den riesigen Raum in einer schon fast gemütlichen Atmosphäre. Vollkommen fasziniert weiß ich gar nicht, wo ich als erstes hinschauen soll. In jeder Ecke finden sich andere Steinformationen und Tropfsteine, die in allen unterschiedlichen Formationen glitzern, die man sich nur vorstellen kann. Und das ist gar nicht so weit hergeholt, in der Höhle finden sich fast alle vorkommenden Tropfsteinformationen, so z. B. eine der Sinterorgeln, die fast 8 Meter von der Decke ragt. 

Bettina Metz erzählt mir, dass Kinder oftmals sagen, dass die Tropfsteine aus Eis bestehen würden. Das kann ich gut nachvollziehen, einige Tropfsteine sehen wirklich aus wie gefroren. 1993 wurde die Höhle durch Zufall beim Rande eines Kalksteinwerks entdeckt und wird bis heute weiter erforscht. Hier wurde auch der Knochen eines eiszeitlichen Höhlenbären gefunden. Einen Teil davon darf ich sogar in den Händen halten. In jeder Ecke des 120 m langen und 32 m hohen Raums entdecke ich neue spannende Details und Formen. Die Atmosphäre und Bettina Metzs Begeisterung machen den Besuch der Höhle für mich zu einem besonderen Erlebnis. Als sie mir erzählt, dass hier auch Konzerte stattfinden, bin ich erst recht überzeugt wiederzukommen. Nachdem ich die Treppen zurück an die Oberfläche gestiegen bin, blinzle ich verwirrt ins Sonnenlicht und muss mich kurz orientieren. Wirklich zwei unterschiedliche Welten. 

Herbstlabyrinth Schauhöhle Breitscheid

Infos zur Besichtigung und Veranstaltungen: www.schauhoehle-breitscheid.de

Tipp: Den Besuch unbedingt vorher reservieren, die Plätze bei den Führungen sind begrenzt. Warme Kleidung und festes Schuhwerk einpacken. 

Highlights auf Etappe 14: 

Ein alter Eisenbahntunnel und die Wied

Entlang der Wied

Ab Peterslahr verlaufen nicht nur WesterwaldSteig und Wiedweg eine Weile zusammen. Hinter der Ortschaft treffe ich auf eine architektonische Besonderheit: ein alter Eisenbahntunnel aus dem Jahr 1912. Schon von Weitem bin ich beeindruckt von dem Bauwerk, das mitten in die Natur eingearbeitet zu sein scheint. Seit 2009 ist der Tunnel sogar beleuchtet. An der Außenmauer kann man einen Lichtschalter betätigen und muss die 156 Meter nicht im Dunkeln zurücklegen. Nach der Durchquerung beginnt der Aufstieg auf kleinen Pfaden in den Wald. Über Stock und Wurzeln folge ich dem Pfad und gelange an die Wied, die stetig vor sich hinfließt.  

Das Kloster Ehrenstein 

Es lohnt sich, über einen Zuweg einen kleinen Abstecher zum Kloster Ehrenstein einzulegen. Insgesamt sind der Hin- und Rückweg dorthin 3 km. Hin geht es entspannt den Berg herunter, zurück wird es dann ein wenig anstrengender. Auf dem Weg zum Kloster überquere ich die Wied über eine Hängebrücke, die mich leicht hin und her schaukeln lässt. Im idyllischen Tal der Wied liegt die Klosteranlage Ehrenstein, ursprünglich gegründet im Jahr 1486. Die weißen Gebäude mit den orangen Fensterläden heben sich ab von der grünen Umgebung. Aber noch mehr fällt mir die imposante Burgruine ins Auge, die links neben dem Kloster liegt. Zum ersten Mal 1331 urkundlich erwähnt, wurde sie 1632 von schwedischen Truppen zerstört und ist seitdem eine Ruine. Trotzdem ist die Burg mit ihrem dunklen Steingemäuer immer noch ein beeindruckendes Gebäude. Der runde Turm ist erhalten und Efeu rangt langsam an ihm nach oben.

→ Alle Highlights der 14. Etappe gibt es im Tourentipp zu lesen. 

Eintauchen in den grünen Wald

Kleine Auszeit in der Natur 

Mit einem weiten Ausblick kurz vor Neustadt (Wied) enden langsam meine zwei Tage auf dem WesterwaldSteig. Noch einmal habe ich einen weiten Blick auf die hügelige Landschaft durchzogen mit dunkelgrünen Bäumen und Dörfern. Ein paar Schritte von Start- und Endpunkt und schon steht man in der grünen Natur des Westerwalds. Also auch für Wandernde mit weniger Zeit für den gesamten Fernwanderweg eine gute Gelegenheit, um für eine Auszeit in der Natur abzutauchen. Egal ob Sonnenschein oder Regentropfen, die grüne Landschaft rund um den WesterwaldSteig hat immer ihre besondere Atmosphäre und mich auf jeden Fall begeistert, sodass ich noch mehr vom Fernwanderweg erkunden möchte.

Digitale Wandernadeln sammeln 

Nutze die kostenlose App Summit Lynx als digitalen Wanderpass, um im ganzen Westerwald Wandernadeln zu sammeln. Als Belohnung können die Medaillen Wäller Bronze, Wäller Silber und Wäller Gold erreicht werden.

Weitere Infos: www.westerwald.info/digitaler-wanderpass

Info: www.westerwald.info

Marieke Wist