Irland - westlichster Vorposten des Europäischen Festlands – wird auf 5.631 Kilometern von Atlantik, Irischer See, North- und St. George‘s Channel umbrandet.
Mit der fehlenden Anreisemöglichkeit über den Landweg beweist Irland dem ihm zugeneigten Touristen eindrücklich, dass es sich um eine Insel handelt. Doch die Irische See meint es meist gut mit wenig seefesten Passagieren und verhält sich einigermaßen ruhig. Schon beim Blick auf die Landkarte lässt sich erahnen, dass es vor der deutlich zerklüfteteren Westküste um einiges rauer zugeht, als an der vergleichsweise glatt profilierten Ostseite. Im häufig Sturm gepeitschten Atlantik liegen auch die meisten der zahleichen, in gut zwanzig Fällen sogar unbewohnten irischen „Unterinseln“. Abenteuerlich-romantisch ist für mich der Gedanke, mitten in einem Orkantief auf einem der Eilande festzusitzen. Das wäre ein Zwangsurlaub mit dem beruhigenden Gefühl, bei allem technischen Fortschritt doch nicht Herr der Natur zu sein. Als Vorgeschmack kann man auf einer Wanderung gegen den Wind ankämpfen und sich die Haut vom Salz benetzen und das Jod in die Nase treiben lassen. Anschließend dann mit glühendem Kopf bei einer dampfenden Tasse Tee sitzen und den Gälisch sprechenden Fischern lauschen. Denn die atlantischen Inseln zählen zur Gaeltacht, den letzten Bastionen mit Gälisch als Umgangssprache.
Traumstrände
Die Ortsschilder in der Gaeltacht sind zweisprachig. Fehlt die englische Bezeichnung oder ist sie übermalt, ist man ziemlich aufgeschmissen: Die beiden Sprachen haben nicht sehr viel gemeinsam. So weist ein Schild mit der Aufschrift „leithris phoiblí“ den Weg zu den „Public Toilets“ am Campingplatz in Barley Cove. Die riesige Bucht auf der Mizen-Halbinsel, dem untersten der fünf in den Atlantik zeigenden Finger, wird mit ihren von Dünen umrahmten Stränden bei schönem Wetter zum Mekka von Sonnenanbetern. Die sandigen Abschnitte, die an der gesamten irischen Westküste immer wieder die schroffen Felswände unterbrechen oder sich vor ihren Füßen ausbreiten, entsprechen überraschenderweise meinen inneren Bildern irgendwelcher Karibikstrände. Zwar fehlen die Kokosnüsse, doch bei Sonnenschein und azurblauem Himmel gleicht das dann knall-türkise Wasser und der feinkörnige, helle Sand einem Paradies. Gut, mit der Wettergarantie steht es auf der Grünen Insel freilich weniger karibisch. Die einzige Garantie ist die, dass es keine gibt. Dafür besteht aber die Aussicht, nahezu alle vier Jahreszeiten an einem Tag genießen zu dürfen.
Seesicherheit
Von Barley Cove führt eine Straße zum Mizen Head, dem Kap im äußersten Südwesten der Halbinsel. Ein asphaltierter Weg führt vom Parkplatz am Besucherzentrum in die Welt der Steilklippen hinein. 99 Stufen tiefer überspannt eine Betonbrücke, von Kränen und Flaschenzügen 1910 in Position gehievt, mit ihrem Bogen spektakulär den brandungsumtosten Abgrund auf dem Weg nach Cloghane Island – Mizen Head. Seit 1905 bewahrt dort eine Signalstation, die über dem südwestlichsten Punkt Irlands auf den Felsen thront, bei Nebel Schiffe vorm Zerschellen an den Klippen. Früher tönte bei schlechter Sicht sogar ein Horn. Im Unterschied zu einem Leuchtturm fehlt der Turm und neben dem Licht- wird auch noch ein Radiosignal ausgestrahlt. Am 1. April 1993 war die letzte Ablösung auf der Station, wie auf einem Bild mit den Wärtern in den wieß-roten Gebäuden der Station zu sehen ist. Dann wurden die „Commissioners of Irish Lights“ von vollautomatisch ferngesteuerter Technik abgelöst. Die Einwohner des nächstgelegenen Dörfchens Goleen machten aus der Not eine Tugend, gründeten eine Genossenschaft und verkauften 1000 Anteilsscheine zu je 25 Pfund, um den Signalposten zu mieten und in einem Besucherzentrum Erinnerungen an die Zeit der Stationswärter zu bewahren. An einer Wand steckt in den Taschen eines großen Leinentuchs ein Flaggenalphabet. Die Flaggen dienten der optischen Kommunikation. Die aufgehängte Flagge, ein rotes Rechteck im Zentrum mit erst dickem wießem, dann blauem Rahmen, signalisiert z.B. „Ich brauche ärztliche Hilfe“.
The spirit
Heute wachen draußen die Glasköpfe der roten Signalgeber über den Wellenwirbeln, die sich gut 50 Meter tiefer schäumend gegen die tief eingelappten Küstenfelsen schlagen. Ich könnte Stunden damit verbringen, aufs Meer zu starren, um zu erahnen, zwischen welchen nur knapp vom Wasser überspülten Felsen die nächste Fontäne in die Höhe schießt. Irgendwo nördlich hinter den vielen eingebuchteten Felsgruppen liegt Three Castle Head, das nördlichere Kap am Westende der Mizen-Halbinsel. Neben dem Dun Lough, einem stillen See oben auf den Klippen, wachen hier die Gemäuerreste dreier Türme aus dem 15. Jahrhundert. Ein Plätzchen, über das mir ein Fan zujubelte: „Three Castle Head ist nicht nur eines von den vielen schönen Fleckchen in Irland. Es ist ein Juwel, in dem der wahre Geist der Insel zu Tage tritt!“ Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Besucher das Auto hinter sich lassen und zu Fuß Weiden und Zaungatter überqueren müssen.
Seeleben
Auch Vogelliebhaber kommen an der Spitze von Mizen in der Nähe der Nord-Süd-Vogelzugroute voll auf ihre Kosten: Tölpel, Dreizehenmöwen und andere Seevögel sind mit etwas Glück zu beobachten. Im Wasser tummeln sich mitunter Delfine, Schweinswale und Seehunde. Wer diese etwas näher als von hoch oben auf den Klippen betrachten möchte, der kann entweder eine der Beobachtungstouren an Süd- oder Westküste buchen oder sich nach Dingle begeben. Vor der dortigen Küste lebt seit 1984 der Große Tümmler Fungi – man munkelt, er sei vom Tourist Office ordentlich bezahlt – er war die „Initialzündung“ irischer Delfin- und Walbeobachtungstrips. Er ist vom Land aus zu beobachten und spielt gern mit schwimmenden Touristen und Tauchern.
Gigantische Spuren
Eine der berühmtesten, wenn auch weniger lebendigen Naturerscheinungen der Welt liegt dagegen an der nordirischen Küste: Über 40.000 meist hexagonale, aber auch vier- bis achteckige Basaltsäulen formen das UNESCO-Welterbe Giant‘s Causeway. Wie immer im Land der Erzählkunst, kursieren gleich mehrere Geschichten um den Ursprung des rätselhaft geformten Gesteinsblocks. Die Alten erzählen, der einheimische Riese Finn McCool habe einen Damm durch das Meer nach Schottland gebaut, um seine große Liebe von der Hebrideninsel Staffa bequem nach Ulster holen zu können. Eines Tages kam dann ein schottischer Riese auf gleichem Wege, um gegen Finn zu kämpfen. Durch eine List bekam der Schotte es aber mit der Angst zu tun. Bei seiner überstürzten Flucht zerstörte er den Damm, so dass heute nur noch der Anfang an der Antrim Coast und das Ende – die Insel Staffa – übrig geblieben sind. Wissenschaftler hingegen vertreten die weniger einleuchtende Meinung, die bis zu zwölf Meter aufragenden Säulen, die wie Treppenstufen bis unter den Meeresspiegel führen, seien das Ergebnis vulkanischer Eruption und Lavaerkaltung vor 60 Millionen Jahren.
Verkehrte Welt
Am besten, man überzeugt sich selbst vor Ort, welcher Version man Glauben schenkt. Für mich war die Wanderung (Tipp Nr. 3 im Pocketguide) von den hohen Klippen am Benbane Head hinunter zum Giant‘s Causeway und weiter nach Port Ballintrae schon deshalb etwas besonderes, weil wir kurz vor dem Bushfoot Strand tatsächlich – nach schier endlosem Landregen, plötzlichem Aufreißen und freundlichen Sonnenmomenten – auch die vierte Jahreszeit erleben durften: dicke, wieße Batzen, die plötzlich unsere Beine umwirbelten. Immer mehr der glitzernden Pracht. Sie landet schließlich auch im Gesicht: feucht und salzig. Schneegestöber? „Flocken“, die aus dem Meer in den Himmel „fallen“? Der Wind ist es, der am Runkerry Point den Wellen den Schaum abschlägt und ihn dann wie durch einen Kamin an den steilen Klippenwänden über 40 Meter in die Höhe saugt. Vielleicht sollte man es mit Beschreibungen der irischen Witterung doch eher bei Jonathan Swift belassen, der einst lapidar bemerkte: „Das Wetter ist sehr warm, wenn man im Bett ist.“
Wandern mit Salz auf der Haut:
Mizen Head: Auf einem Ziegenpfad kann man, allerdings besser nur bei gutem Wetter, von Mizen Head nach Three Castle Head wandern, dem zweiten Kap an der Spitze der Halbinsel Mizen. Mizen Head Visitor Centre, Tel. +353(0)28/35115.
Dursey Island: Eine Wanderung auf der unbewohnten Insel direkt vor der Halbinsel Beara im Südwesten Irlands beginnt auf ungewöhnliche Weise: Eine Seilbahn überbrückt die schmale Stelle zwischen Beara und Dursey Island. Sechs Leute finden auf den Holzbänken der blau-roten Gondel von 1969 Platz. Sie ist nur bei gutem Wetter in Betrieb, man sollte 30 Minuten vorher dort sein, Viehtransporte haben Vorrang, und wer mit Zelt dort übernachten will, kann auch die späten Überfahrten zwischen 19 und 20 Uhr nutzen (sonst: Mo-Sa: 9.00-11.00, 14.30-17.00 Uhr, So: 9.00-10.30, 13.00-14.30 Uhr, Hin- und Rückfahrt 4 2).
Slieve League: Einmal entlang der höchsten Klippen (595 Meter) Europas wandern! Eine ausgedehnte Tageswanderung führt im Süden Donegals von Bunglass und Carrick an der steilen Kliffkante nach Trabane (2. Auto parken oder Übernachtung planen). Donegal Town Tourist Office, The Quay, Tel. +353(0)74/9721148.
Causeway Coast: Wer nicht den ganzen Wandertipp (Pocket Guide Tipp Nr. 3) ablaufen möchte, sollte zumindest die Zeit für einen Abstecher zu Hamilton‘s Seat einplanen, der 100 m hohen Klippe am Benbane Head. Giant‘s Causeway Visitor Centre, Tel. +44(0)28/20731855
Pocketguide: Irische Tageswanderungen: fünf spektakuläre Küsten- und Bergtouren
Sheep's Head Spitze: Um die Kuppe des "Rindfingers"; Mangerton Mountain: Vom Torc Wasserfall zum Devil's Punch Bowl; Nordirlands Küstenhighlights: Hängebrücke, Whitepark Bay und Giants Causeway; Mourne Mountains: Über vier Gipfel und eine Mauer um das Annalong Valley; Glencolumbkille in Donegal: 5.000 Jahre steinerne Zeugen
Weitere Reportagen in diesem Extra:
- Drei excellente Wanderlandschaften: Killarney, Connemara und die Mourne Mountains
- Uisce Beatha: Whiskey, Wasser des Lebens, ein Edelprodukt höchster irischer Brennkunst
- Saufen mit Segen: Ein Nationalheiliger ruft zum Feiern auf
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Link-Tipp
www.tourismireland.de
Weitere Infos gibt es auch bei der Irland Information - Tourism-Ireland, hier geht's zur Homepage
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