Habt ihr schon mal überlegt, 50 Kilometer am Stück zu wandern? Nein? Ehrlich gesagt, ich auch nicht.

Doch offenbar scheinen viele Wandernde das gar nicht so abwegig zu finden, denn XXL-Wanderevents liegen gerade voll im Trend. Setzt man sich ein bisschen mit der Thematik auseinander, findet man überall in Deutschland Veranstaltungen, bei denen man 25, 50 oder sogar 100 Kilometer zu Fuß zurücklegt. Diese Begeisterung für Extrem-Wanderungen macht mich neugierig.

Marieke Wist

Am liebsten wandere ich eigentlich in den Bergen, gerne mit vielen Höhenmetern und einsam in der Natur, nur umgeben von meinen besten Freunden. Sehr konträr dazu steht das XXL-Wanderevent, an dem ich mich versuche: 50 Kilometer durch die Stadt, flach, viel Asphalt und umgeben von vielen Menschen. Eine Wanderung, die auf den ersten Blick so gar nicht nach meinem Geschmack ist. Hinzu kommt mein großer Respekt vor der körperlichen Herausforderung, denn so eine lange Strecke am Stück bin ich noch nie gelaufen. Mentale Stärke ist viel wichtiger, lese ich in Internetforen, in denen ich zur Vorbereitung stöbere. Also versuche ich abzuschätzen, wie groß diese Anstrengung für meinen Körper und meinen Geist wohl sein wird und suche verzweifelt nach Vergleichswerten. Meine längste gewanderte Strecke waren vielleicht so um die 35 km. Ich bin schon einmal einen Marathon gelaufen, die 42 Kilometer erfordern viel mentale Stärke, das weiß ich, allerdings ist der Marathon nach ca. 4 Stunden auch schon wieder vorbei. Diese XXL-Wanderung kann bis zu 12 Stunden dauern.

Meine Vorbereitung ist eher dürftig. Natürlich war ich einige Male wandern, allerdings nicht mehr als 25 km, und mein alltägliches Lauftraining bringt mir vielleicht Kondition, aber die Bewegung ist natürlich eine andere. Kurz vor der Veranstaltung frage ich mich, wieso ich überhaupt teilnehme und bin mir nicht mehr sicher. Neugierde? Faszination? Sicherlich reizt mich aber auch ein bisschen die Challenge.

Aufgeregt stehe ich am Startpunkt und blicke mich etwas eingeschüchtert um, stelle dann aber erleichtert fest, dass die anderen Teilnehmenden nicht alle wie Profisportler:innen aussehen. Gefühlt ist jede Altersklasse vertreten, einige haben volles Equipment dabei, andere tragen Straßenschuhe. Was mir auffällt, sind die offensichtlich vielen Wiederholungstäter:innen, die Bänder von vergangenen Veranstaltungen an ihre Rucksäcke gebunden haben oder T-Shirts tragen, die man bei einigen Events im Starter-Paket dazu bekommt. Die Stimmung ist gut, alle plaudern fröhlich miteinander und endlich empfinde ich, aus mir unerklärlichen Gründen, auch etwas Vorfreude. Mein Freund, der mich begleitet, und ich starten schnellen Schrittes, wir fühlen uns noch fit und unsere Taktik ist dann vielleicht die ersten Kilometer schnell zu überwinden. Noch haben wir auch viele Gesprächsthemen und die ersten 10 Kilometer fliegen nur so dahin, bis wir die erste Verpflegungsstation erreichen, an der wir schnell etwas trinken und ein paar Gummibärchen mitnehmen. Auch die nächsten 10 Kilometer sind kein Problem. Positiv überrascht bin ich von der Wegführung durch relativ viel Grün und der befürchtete Asphalt wechselt sich auch mal mit erdigen Pfaden ab.

Ab Kilometer 30 wird es etwas zäher, meine Beine und Füße beginnen langsam zu schmerzen. Anderen Wandernden geht es genauso, einige laufen schon nicht mehr ganz rund, was aber zusammenschweißt und miteinander ins Gespräch kommen lässt. Außerdem entdecke ich neue kulinarische Highlights, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte, wie Milchbrötchen mit Kartoffelsalat und Röstzwiebeln.

Ab Kilometer 40 merke ich, dass nun wohl die mentale Stärke gefordert ist. Und die entsteht u. a. durch die besondere Gruppendynamik. Denn dieses Event ist kein Wettbewerb wie z. B. eine Laufveranstaltung, bei der jede:r für seine pesönliche Bestzeit kämpft. Es herrscht eine unterstützende Stimmung unter den Wandernden, es gibt keinen Konkurrenzdruck oder Ähnliches. Und ich glaube, das ist auch Teil der Faszination dieser XXL-Wanderevents: In einer Umgebung und in einer Gruppe, in der man sich wohlfühlt, über seine Grenzen hinauszuwachsen und eine persönliche Challenge zu schaffen. Sei es die Euphorie oder das Adrenalin, aber als ich ins Ziel komme, habe ich das Gefühl zu verstehen, wieso man sich für diese Art von Event anmeldet. Ich bleibe noch eine Weile im Zielbereich und freue mich mit jeder weiteren Person, die erschöpft über die Ziellinie schreitet und vergesse darüber hinaus die schmerzenden Blasen an meinen Füßen. Die erfahrenen XXL-Wander:innen teilen ihre Tipps mit mir: Ein zweites Paar Socken und Schuhe zum Wechseln einpacken. „Das merke ich mir fürs nächste Mal“, sage ich. Moment, für das nächste Mal?

Solltet ihr schon eine Weile über ein XXL-Wanderevent nachdenken, dann fühlt euch ermutigt. Gut möglich, dass ihr auch so positiv überrascht werdet wie ich. Eine Übersicht mit Events zur Inspiration haben wir hier zusammengestellt: Wanderevents 2025.

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In unserer Kolumne "Veni.Vidi.Wandern" setzen wir uns mit verschiedenen Gedanken rund um unsere Leidenschaft und Arbeitswelt, dem Wandern, auseinander. Mal ernst hinterfragt, mal amüsant erzählt, vielleicht auch mal auf Abwegen – kurzum, hier schreiben wir nach Lust und Laune, was uns beim Wandern durch den Kopf geht.