Land der Entdeckungen
Die Wallonie ist für viele deutsche Wanderer bis heute ein Geheimtipp. Dabei ist sie mit dem waldreichen Kamm der Ardennen, den schroffen Berglandschaften und einsamen Flusstälern ein wahres Schatzkästchen an Naturschönheiten. Ganz im Süden, wo die Semois ihr Bett tief in die Felsen gegraben hat und sich in atemberaubenden Schleifen durch ihr enges Felsental windet, finden Wanderer wahrhaft alpin anmutende Wege und Pfade. Immer wieder thronen Schlösser und Burgen oben auf einem Felsplateau über dem Fluss und entführen in die bewegte Vergangenheit der Wallonie.
Ähnlich wild gebärden sich die Ourthe und die Amblève, die mit ihren vielen Nebenflüssen Richtung Lüttich im Norden fließen und in einer Jahrtausende dauernden Beständigkeit sagenhaft schöne Täler aus dem anstehenden Felsgestein formten. Im Westen und Norden umarmt die Maas die Region und bildet gleichzeitig den Übergang von der bergigen Ardennenlandschaft zum flacheren, sanfteren Teil des restlichen Landes.
Die quirligen Städte Lüttich und Namur sind wohl die berühmtesten Stationen entlang des Flusses und sorgen für zahlreiche kulturelle Impulse. Ganz im Norden sind die Ardennen vom rauen Gebirgsplateau des Hohen Venn begrenzt. Die einmalige, karge Hochmoorlandschaft verbreitet eine zauberhafte, fast melancholische Stimmung und ist als länderübergreifendes Schutzgebiet ausgewiesen.
Ganz anders hingegen zeigt sich das benachbarte Herver Land mit seiner grünen, parkähnlichen Heckenlandschaft. Hier gleitet der Gebirgszug der Ardennen sanft nach Norden aus, die waldreichen Bergrücken werden von sanft gewellten Wiesen abgelöst.
Perlen aus Stein und Holz
Mal thronen sie in Panoramalage hoch oben auf einem weiten Plateau, mal krönen sie den Gipfel eines Hügels oder ducken sich in ein enges Bachtal. Lauschige Winkel mit gemütlichen Cafés reihen sich am Flussufer, an anderer Stelle führen steile Gassen aus Kopfsteinpflaster hinauf zu einer Burg.
Die Dörfer der Wallonie sind etwas ganz besonderes! Auf einen spätbarocken Straßenzug im einen folgen mittelalterliche Gassen im nächsten Ort. Zauberhaft und abwechslungsreich, mal ländlich geprägt, mal herrschaftlich oder verspielt, hat jeder seinen eigenen Charme. Um die Besonderheiten und die Ursprünglichkeit der schönsten wallonischen Dörfer zu bewahren, wurde 1994 die „Association des plus beaux villages de Wallonie“ (Vereinigung der schönsten Dörfer der Wallonie) gegründet. Ziel ist es, den unversehrten Charakter typisch wallonischer Dörfer zu bewahren. Dafür arbeitet man eng mit dem Denkmal- und Landschaftsschutz zusammen. In jedem der heute 24 mit dem Gütesiegel ausgezeichneten Dörfer haben sich Bürgermeister und Einwohner verpflichtet, das historische Ortsbild zu bewahren.
Mit Führungen, Themenwegen oder kulturellen Veranstaltungen lassen sich die Geschichte und das Flair der schönsten Dörfer der Wallonie hautnah erleben. Zum Beispiel in Torgny, im südlichsten Zipfel Belgiens. Beim alljährlichen Fest der Artisten und Kunsthandwerker sind die Häuschen aus goldgelbem Sandstein mit Blumen geschmückt. Rund um den alten, überdachten Waschplatz mit seinen stattlichen Bauernhäusern zeigen Korbmacher, Schmiede, Fiedler und Jongleure ihr Können und begeistern junge und alte Besucher.
Das Dorf Crupet, zwischen Maastal und Hochardennen am Ufer des gleichnamigen Flüsschens gelegen, verzaubert mit seiner markanten Wasserburg aus dem 12. Jh. Von den vielen Wassermühlen, die das Dorf einst reich gemacht haben, ist eine zum Feinschmeckerrestaurant „Le Moulin des Ramiers“ umgebaut worden – mit Blick auf Dorf, Donjon und Fluss. Zahlreiche Informationen zu allen 24 Dörfern der Vereinigung gibt es unter www.beauxvillages.be.
Leidenschaften aus Papier
Wahre Schätze findet man auch in dem kleinen Dorf Redu. Wenn auch nicht aus Stein und Holz, sondern aus Papier. Das „Bücherdorf” im Westen der Provinz Luxemburg, in der Nähe von St. Hubert, ist eines der meist besuchten Dörfer Belgiens. Dabei war Redu bis 1984 nur ein verschlafenes Nest mit schwindender Wirtschaftskraft. Nach dem Vorbild des walisischen Dorfes Hay-on-Wye, das sich seit 1961 in ein einziges Antiquariat verwandelt hat, veranstalteten zwei ortsansässige Journalisten in dem 400-Seelen-Dorf einen Büchermarkt, der auf Anhieb 15.000 Besucher anzog.
Mittlerweile gibt es in Redu 22 Buchhandlungen, zahlreiche Buchbinder, Ateliers, Kunstdrucker, Graveure, Papierhersteller und 200.000 Besucher im Jahr. Würde man die Regale der Antiquariate aneinander reihen, so ergäbe sich eine Bücherkolonne von mehr als zwei Kilometern.
Philipp Evrad ist seit zehn Jahren Antiquar in Redu. Seine Augen blitzen schelmisch, wenn man ihn nach seinen größten Schätzen fragt. „Wenn mir jemand ein Kochbuch anbietet, das mir gefällt, dann kaufe ich ein Kochbuch. Wenn mir jemand eins über Autos anbietet, dann kaufe ich eben eins über Autos. Ich habe von allem etwas – nur der begrenzte Platz ist manchmal ein Problem.“ Höhepunkt des Jahres ist das Fest des Buches am Osterwochenende. Dann gibt es kaum ein Fleckchen im Dorf, das nichts mit Büchern zu tun hat. Auf den Bürgersteigen, in den Scheunen, den ehemaligen Stallungen, überall sind extra Bücherstände aufgebaut. Das Wochenende der Buch-Berufe im Mai, die Büchernacht am 1. Samstag im August und das Wochenende der Bücher aus den Ardennen im Oktober sind weitere Veranstaltungs-Highlights.
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