Ich persönlich frage gerne nach dem Weg, weil man dabei in der Regel viel charmantere Erfahrungen macht, als wenn man stur der Landkarte folgt. Abgesehen davon habe ich die Erfahrung gemacht, dass die in Tourismusinformationen ausliegenden Karten nicht immer zuverlässig sind. So auch damals in Tunesien...
Von Kartenlesern und „Nach dem Weg-Fragern“
Wir schaukelten schon seit einigen Stunden auf der Suche nach einer als Touristenattraktion geltenden Oase über die staubigen Pisten des Landesinneren. Eine halbe Stunde nach dem Kauf kalter Wasserflaschen verbrannte man sich an der heißen Flüssigkeit in den dahinschmelzenden Plastikbehältern bereits die Zunge. Mein Gefährte schaute zum x-ten Mal auf die Straßenkarte der Tourist-Info. „Hier muss die Straße sein“, versicherte er. Aber da war keine Straße.
Ich schlug vor, nach dem Weg zu fragen. Der Kartenleser schaute mich entgeistert an und kommentierte meinen Vorschlag mit einem kategorischen „Nein!“. Aber die klimatischen Verhältnisse trieben mich zum Äußersten. An der nächsten roten Ampel kurbelte ich das Fenster ganz herunter. In der spätnachmittäglichen Tristesse des Wüstenkaffs lehnte ein junger Typ im Schatten der Markise eines Krämerladens. Schon bald waren wir in ein lebhaftes Gespräch verstrickt, bei dem, so schien mir, mehrmals der Name der gesuchten Oase fiel. Meine Französischkenntnisse reichten im Wesentlichen so weit, dass ich verstand, wir sollten geradeaus fahren und dann links. Ich bedankte mich und teilte meinem Gefährten selbstzufrieden mit, wir müssten nun geradeaus fahren und dann nach links. Der guckte grimmig und fuhr geradeaus und dann nach links.
Und dann immer weiter – über eine schmale Piste in ein sandiges Niemandsland. Die Piste endete an einem Stacheldrahtzaun. An dem Zaun hing ein Schild, darauf stand: ALGERIEN. „Da siehst du, was passiert, wenn man nach dem Weg fragt. Bevor du dich versiehst, sitzt du an der algerischen Grenze in der Wüste!“, sprach mein Gefährte, der das alles natürlich schon vorher gewusst hatte.
Fluch und Segen des Navis
Das Navi, das erst einige Jahre nach diesen Begebenheiten populär wurde, hat zwar das Konfliktpotenzial gemeinsamer Autofahrten eingeschränkt, die Wahrscheinlichkeit in einer surreal anmutenden Sackgasse zu landen, ist durch die Nutzung von GPS & Co hingegen kaum gesenkt worden. Ich erinnere mich noch genau an den verzweifelten Gesichtsausdruck jenes Kanadiers, den ich eines Morgens mit seinem Auto zwischen den tausendjährigen Mauern des Granadiner Altstadtviertels eingeklemmt fand. Jegliche Bewegung des Wagens hinterließ nun weiße Kratzer auf dem blauen Lack. Ich schaute ihn fragend an, da ich beim besten Willen keine Vorstellung hatte, was ihn dazu getrieben haben konnte, mit seinem Leihwagen diese maximal für Eselskarren ausgelegten Gassen anzusteuern. „The GPS brought us here“, stöhnte der Kanadier mit versagender Stimme.
Eine kurze Analyse der Fehlerquellen ergibt folgendes: Menschliche Orientierung scheitert erstens an unzuverlässigen Informationsmitteln und zweitens am mangelnden Abgleich dieser unzuverlässigen Mittel mit anderen Quellen. Die Experten der Orientierung im Tierreich sind da cleverer. Sie nutzen unterschiedliche Sinne zur Orientierung und denken daran, ihren inneren Kompass immer wieder „neu zu eichen“. ...