Manche spüren den inneren Drang, die höchsten Berge aller sieben Kontinente zu besteigen und nennen ihr Abenteuer zärtlich „Seven Summits“. Andere fühlen sich berufen, die 14 Achttausender des Planeten einmal von oben gesehen zu haben. Den meisten von uns ist die Luft da oben jedoch zu dünn und zu kalt und wir haben nicht das geringste Bedürfnis, unsere Biographien ähnlich zu gestalten wie Steve House, der schreibt: „Als ich 29 war, waren alle meine Kletterkameraden entweder tot oder nicht mehr aktiv.“ Viele der Dinge, über die Extrembergsteiger und Skyrunner sprechen, entziehen sich unserer Lebensrealität. 

Wir haben vielleicht eine Meinung, jedoch keinen körperlichen Bezug zu der Frage, ob die Besteigung eines Achttausenders mit künstlichem Sauerstoff „weniger wert ist“ als ohne künstlichen Sauerstoff. Wir können anerkennen, dass für leidenschaftliche Alpinisten die Begehung einer neuen Route ein künstlerischer Vorgang ist – aber uns fehlt die Basis, um zu erkennen, worin diese Kunst besteht. Wir glauben den Extremkletterern, dass für sie das Bergsteigen die Kraft besitzt, das gesamte Spektrum des Lebens auf eine Spanne von wenigen Tage oder gar Stunden zu verdichten – allerdings fällt es schwer, hier einen Bezug zu unserem eigenen Leben mit den von uns bezwungenen kleinen Bergen zu finden.

Die Beziehung von Mensch und geografischer Erhebung

Wären Extrembergsteiger wie Steve House oder Reinhold Messner in der Lage, die Frage weshalb auch wir Normalwanderer auf Berge steigen, erschöpfend zu beantworten? Vermutlich nicht. Deshalb kommen in diesem Beitrag zwei Bergexperten zu Wort, welche die Beziehung von Mensch und geografischer Erhebung auf ihre ganz eigene Art erforscht haben. Im Rahmen ihres Projektes 16 Grüne Gipfel haben die Hamburger Thomas Carls und Oliver Bartelds die jeweils höchsten Gipfel aller deutschen Bundesländer erklommen – und dabei überraschende, skurrile und in jedem Fall bedenkenswerte Einsichten gewonnen. 

Ein innovatives Projekt

„Also mit so einem Achttausender-Projekt lockst du ja heute keinen mehr hinterm Ofen vor. Das hat es ja alles schon gegeben“, stellt Oliver fest. Wenn er gerade keine Abenteuer am Berg besteht, ist er Teamleiter im Öffentlichen Dienst mit einem Faible für die Konzeption und Durchführung innovativer Projekte.

Innovativ ist das Projekt der beiden Hamburger zweifellos. Nach allen uns vorliegenden Recherchen sind sie bislang die einzigen, die die höchsten Gipfel aller 16 deutschen Bundesländer auf nachhaltige Art erklommen und anschließend umfänglich über ihre Abenteuer berichtet haben.

Orientierung

Thomas grinst. „Naja, wir waren da ja auch in Ecken  unterwegs, wo kaum einer hingeht. Die höchste Erhebung Bremens ist 30 Meter hoch und liegt im Friedehorstpark. In diesem Fall lag die Hauptherausforderung darin, den Gipfel überhaupt zu finden, auf dem wir eigentlich die ganze Zeit herumliefen. Ansonsten bestand eine der wesentlichen Herausforderungen darin, unsere freitäglichen Abfahrten vom Hamburger Hauptbahnhof zur Hauptverkehrszeit seelisch unbeschadet zu überstehen.“ 

Aber auch wenn nicht jeder Gipfel ein bergsteigerischer Höhenflug war, „endlich einmal alle 16 Bundesländer bereist zu haben, war wirklich die Mühe wert. Normalerweise macht man ja immer irgendwelche Fernreisen und kennt sich vor der eigenen Haustür kaum aus“, sagt Thomas. Jenseits des Berges ist er freiberuflich in der Werbung unterwegs. An seinen Wandertouren liebt er vor allem das Gegengewicht zum Alltag, die Bewegung in der Natur und die Einsamkeit. ...