Der Ausblick vom Schloß Waldenburg

Nach einer knappen Stunde Wanderung von dem noch in der Hohenloher Ebene gelegenen Bahnhof Waldenburg aus erreichen wir das auf einem Bergsporn gelegene Schloß. Hier haben wir einen Prachtblick auf die Hohenloher Ebene mit ihren Feldern, Wiesen, Wäldern und Feldgehölzen. Nach der Aussage von Kennern hat sich das Bild dieser Landschaft im Lauf der Jahrhunderte wenig verändert, sie hat gewisser-maßen ihre Würde bewahrt, und die fehlende Realteilung erhielt die großen Höfe. Von den bedeutenderen Orten, die meistens an den Rändern liegen, erkennen wir gerade noch Neuenstein und Öhringen mit den Türmen der Stiftskirche. Bei klarem Wetter reicht der Blick von hier oben bis zur Frankenhöhe und dem Odenwald, wo sogar der Katzenbuckel mit etwas Glück auszumachen ist.

Die ehemalige Residenzstadt Waldenburg

Oberhalb einer Fernstraße vom Rhein zur Donau hat man in Waldenburg zur Zeit der Staufer eine Burg ausgebaut. Im 16. Jahrhundert wurde Waldenburg Residenzstadt. Das Schloß, der Bergfried der mittelalterlichen Burg, die Grabmale der Hohenloher Grafen in der Stadtkirche, eine Renaissancekapelle aus der Zeit um 1500, der Hochwächterturm, die Wehrmauer und der Gerichtstisch unter der Linde geben dem Ortskern auch heute noch ein mittelalterliches Gepräge.

Weite Wälder mit wenigen Rodungsinseln

Nachdem wir Waldenburg verlassen haben, umgeben uns ausgedehnte Buchenwälder, in die einige Fichten eingestreut sind. In einer Höhe von etwa 500 m, bei einer mittleren Jahrestemperatur von 8 bis 9 Grad Celsius und 900 mm Jahresniederschlägen treten wärmeliebende Arten wie die Eichen bereits deutlich zurück. Wir sind an einem kühlen, aber sonnigen Tag Ende September unterwegs. Unaufhörlich begleitet uns das Rauschen des Waldes. Seit Waldenburg ist uns kein Mensch begegnet. Welch ein Gegensatz zu den nicht weit entfernten Großräumen Stuttgart und Nürnberg, wo die Geräusche des Verkehrs bei Tag und Nacht zu hören sind, und auch zu manchem bekannten Wandergebiet, wo sich zumindest an den Wochenenden ganze Kolonnen auf den Wegen bewegen. Wir haben gelesen, daß 1773 der letzte Räuber in diesen Wälder gefangen genommen wurde, also können wir uns hier sehr sicher fühlen.

Schuppach im Ohrntal

Die Ohrn zwingt uns, über 150 Meter wieder ab- und auch wieder aufzusteigen. Da der Fluß nach kurzem Lauf in den sehr tief liegenden Kocher mündet, hat er sich entsprechend in das Bergland eingeschnitten. Im Tal liegt Schuppach: Ein Sägewerk, als bodenständiger Betrieb, wenige Häuser mit blumengeschmückten Gärten, von Walnußbäumen umgeben, dann ein Kranz von Wiesen, auf denen die Herbstzeitlosen und der Herbstlöwenzahn blühen, einige Apfelbäume und über allem ein leuchtend blauer Herbsthimmel sind eine erfreuliche Abwechslung zu den dunklen und ernst wirkenden Wäldern ringsum. Eine Lichtinsel nach der langen Waldwanderung.

Der Limes und Mainhardt

Der obergermanische-rätische Limes war im zweiten und dritten Jahrhundert nach Chr. die Grenze des römischen Reiches in Süddeutschland. Wir wandern am zweiten Tag eine größere Strecke an diesem bedeutenden archäologischen Denkmal entlang und sehen noch deutlich die Gräben und Wälle in der Landschaft. Wir kommen auch an mehreren rekonstruierten Wachtürmen vorbei, über die vor Ort ausführlich informiert wird. In Mainhardt befand sich ein Kastell, das von einer größeren Anzahl von Soldaten besetzt war, um bei Übergriffen zur Stelle zu sein. Erstmals urkundlich erwähnt ist Mainhardt unter Kaiser Konrad II. Der von Wäldern umgebene Luftkurort besitzt auch eine schwefelhaltige Quelle, der Grund dafür, daß Mainhardt bis zum 30jährigen Krieg ein Heilbad war. Heute wird mit dem Schwefelwasser das Freibad gefüllt. Nicht zu Unrecht schrieb 1907 ein Journalist: "Der Mainhardter Wald kommt gleich nach dem Schwarzwald."

Eine Mühle ohne Romantik

Etwa eine Stunde nach Mainhardt treffen wir auf dem Limesweg die Stelle, wo sich einst die Hankertsmühle befand. Diese wurde erstmals 1371 erwähnt und hatte offenbar über Jahrhunderte Bestand. 1908 wurde die Frau des Müllers vom Treibriemen erfaßt und getötet. Daraufhin wanderte der Müller mit seinen Kindern nach Amerika aus. Die Gebäude verfielen und wurden abgebrochen. Heute erinnert nur noch eine Informationstafel an den Unglücksort.

Die große Überschreitung

Bis 359 m über NN hat sich die Rot bei der Ortschaft Oberrot in das Keuperbergland eingeschnitten. Fast 200 m höher sind die Berge zwischen dem Rottal und dem Kochertal, die wir am Nachmittag des zweiten Tages überschreiten müssen. Eine wahrhaft sportliche Herausforderung für den Fernwanderer, der mit seinem gesamten Gepäck unterwegs ist. Um die Strecke zum Bahnhof Gaildorf etwas abzukürzen, verlassen wir im Haftelwald den markierten Weg und steigen an den Hängen des Ebersberges auf kaum begangenen Pfaden nach Kleinaltdorf hinab. Als wir dann den Bahnhof Gaildorf erreichen und an dem Kiosk unseren Durst löschen, durchströmt uns ein Glücksgefühl, wie man es nur nach einer Tour haben kann, die an die Grenzen des Lei-stungsvermögens und der Orientierungsfähigkeit geht – ein gutes Training auch für größere Unternehmungen! Wildes, unberührtes Deutschland.

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