Wir haben uns mittags an der Tourist Information im Zentrum von Eckenhagen getroffen, sind vorbei an der Kirche und an Fachwerkhäusern gewandert. Unser Wanderführer erklärt den Flüchtlingen, wie erdbebensicher Fachwerk ist. Wie ein Erdbeben ist ja auch der Krieg über Syrien gekommen, sonst wären die Flüchtlinge nicht hier im Oberbergischen an der Grenze zum Sauerland angekommen. Sieben syrische Flüchtlinge sind bei unserer Wanderung dabei. Es hätten mehr sein können, aber viele sind in der Schule oder in Integrationskursen. Dabei machen wir doch auf dem Wanderweg auch einen Integrationskurs, Wanderintegration sozusagen.

Ein älterer Syrer wandert mit, ansonsten sind es junge Männer, Mohammad ist der jüngste. Mohammad mag seinen Namen nicht, der hört sich „nicht deutsch genug an“. Wir sollen Mo zu ihm sagen, wie auch seine Mitschüler. Mo ist sechzehn Jahre alt, im Oktober 2015 ist er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Er hat sechs jüngere Geschwister. Dafür, dass er erst zwölf Monate in Deutschland ist, spricht er ein fantastisches Deutsch.

Wandern als Ablenkung vom erzwungenen Nichtstun

Wir haben den herbstlich bunten Wald oberhalb von Eckenhagen erreicht. Zwei syrische Mittzwanziger fliehen vor dem matschigen, nassen Weg und gehen am Wegrand auf dem weichen Moos unter den Fichten. Die beiden erzählen, wie lange sie auf ihrer Flucht gewandert sind. Sie seien insgesamt 30 Kilometer gelaufen. Ich frage: Ach was, mehr nicht? „Nein, so lang!“ antworten sie. Bei der EinWANDERUNG der meisten Flüchtlinge waren eher die Verkehrsmittel Bus und Zug gefragt. Anscheinend sind aber die meisten Migranten – seit sie in Deutschland sind – viel per pedes unterwegs. Bis zur Anerkennung als Asylberechtigte zum Nichtstun gezwungen, erkunden sie die neue Heimat zu Fuß. Die Leute von der Flüchtlingshilfe erzählen, sie bekämen per Whatsapp Selfies der Migranten von der Aggertalsperre, da wären die natürlich hingewandert. 

Wastl hat den Plan

Unser Wanderführer ist der Wastl. Ich kenne Wastl von der Wandermesse Tour Natur in Düsseldorf, er ist Wegemanager im Naturpark Bergisches Land, ein absoluter Wanderprofi. Wastls Eltern kommen aus Berchtesgarden, er ist also ein rheinischer Bayer. Wastl hat eben auch einen Migrationshintergrund. Unser Wanderführer ist aber durch und durch Rheinländer, er war der erste Karnevals-Prinz seines Dorfes. In den letzten Jahren hat er sich immer als Hofnarr verkleidet, der den Leuten in Schönenbach den Narrenspiegel vorhält. 200 Einwohner hat Wastls Heimatdorf Schönenbach. 

Seit kurzem sind es 209, sagt Wastl lachend, denn seit einem Jahr wohnt eben auch die syrische Familie von Mo in einem Bauernhaus im Ort. Bevor die Flüchtlinge kamen, stellte Wastl zwei Kisten Bier auf den Dorfplatz und rief die Dorfjugend mit WhatsApp zusammen. Er sagte zu den Jugendlichen: „So, jetzt diskutieren wir mal über Flüchtlinge, ab morgen haben wir nämlich welche.“ Dieses Dorf-Meeting half schon vorab, Sorgen, Vorbehalte, Ängste abzubauen. Als die Familie von Mo ankam, waren sie vom ersten Tag an integriert, das ganze Dorf nahm sie herzlich auf und so ist das bis heute geblieben. ...