Einzige Voraussetzung: Die Offenheit dafür, einfach mal etwas Neues auszuprobieren, wenn man draußen unterwegs ist – und die Bereitschaft, die gemachten Erfahrungen auf sich wirken zu lassen. Unsere Autorin Eva Hakes hat mit der bekannten Autorin über Burnout und gekippte Ökosysteme, Natur, Kultur und die heilsame Kraft der Wildnis gesprochen.
Frau Fischer-Rizzi, als Sie jung waren, haben Sie Philosophie studiert, danach haben Sie eine Heilpraktiker-Ausbildung absolviert und heute gelten Sie als Expertin für Phytotherapie und Aromatherapie. Wie kam es dazu, dass Sie ein Buch über das Verbundensein mit der Wildnis geschrieben haben?
Ich war schon immer viel in der Natur unterwegs und habe viele Reisen und Wanderungen in fernen Ländern gemacht, unter anderem in Nordamerika. Dort habe ich mich immer für die Fähigkeiten der Indianer im Umgang mit der Natur interessiert. Ein Schlüsselerlebnis war eine Wildnis-Reise in Kanada, auf der wir von einem Bären angegriffen wurden. Damals hat eine Indianerin aus der Gegend uns das Leben gerettet. Ich war sehr beeindruckt von ihren Fähigkeiten – sie wusste nicht nur mit einem wilden Bären umzugehen, sondern auch wie man im Schneeregen Feuer macht und wie man Wunden mit Heilkräutern behandelt. Diese Indianerin wurde meine erste „Wildnislehrerin“, der noch einige andere folgten. Irgendwann hatte sich bei mir eine Menge Wissen angesammelt und gleichzeitig entstand das Bewusstsein, dass es nötig war, dieses Wissen zu teilen. Wir fühlen uns in der Natur nicht mehr zu Hause. Das ist die Wurzel vieler Probleme unserer Zeit.
Was ist eigentlich Wildnis und wie kann eine Verbindung mit ihr uns helfen, die Probleme unserer Zeit zu lösen?
Wenn ich davon spreche, dass wir uns wieder mit der Wildnis verbinden müssen, meine ich damit nicht, dass wir alle zu Fernreisen in die letzten echten Wildnisgebiete der Erde aufbrechen sollen. Wildnis können wir überall entdecken und erleben, auch in der Großstadt. Ich finde die Definition des Umweltministeriums in diesem Zusammenhang sehr interessant: „Wildnis ist ein Gebiet, in dem keine menschliche Gestaltung erfolgt. Die Entfaltung der Lebensräume geschieht zweckfrei und ergebnisoffen.“ Das Europaparlament hat 2009 die Schaffung von Wildnisgebieten in Europa gefordert und die Bundesregierung hat beschlossen, dass 2% der Landesfläche und 5% des Waldes bis 2020 wieder verwildern sollen.
Wenn Europaparlament und Bundesregierung so etwas fordern, kann man davon ausgehen, dass sie das nicht ganz zweckfrei tun, oder?
Das stimmt. Es gibt gute Gründe für diese Maßnahme. Ein großer Teil unserer Ökosysteme ist inzwischen gekippt, das heißt, sie können sich nicht mehr regenerieren. Insbesondere die Vogel- und Insektenwelt ist einem rasanten Artensterben ausgesetzt. Die Schaffung von Wildnisoasen, in denen sich die Natur ohne Eingreifen des Menschen entwickeln kann, ist wichtig, um das Artensterben aufzuhalten.
Was hat das mit uns und unserer Verbindung mit der Wildnis zu tun?
Unser Verhältnis zur Natur und Wildnis befindet sich derzeit an einem Wendepunkt. Wir haben uns über Jahrhunderte von der Natur entfremdet, sie als Bedrohung empfunden. Im Moment beginnen wir festzustellen, dass dadurch zivilisatorische Wunden, Verletzungen unserer inneren Natur, entstanden sind. Wir leben nicht mehr im Rhythmus der Natur, sondern unter enormem Zeit- und Leistungsdruck. Das Thema Burnout ist hochaktuell und es gibt viele Hinweise darauf, dass die fehlende Verbundenheit mit der Natur für diese Probleme mitverantwortlich ist. ...