Die Namen von Outdoorfirmen lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen. Die einen nutzen ihren Familien-Namen als Markennamen: Schöffel, Meindl, Deuter. Manchmal werden Namen auch abgekürzt: von Dewitz wird zu Vaude und Lorenz Wagner zu Lowa. Sehr beliebt ist aber auch eine ganz andere Kategorie von Marken-Namen: Outdoor-Firmen finden starke Tiere toll: Das Mammut und den Wolf(skin) zum Beispiel. Oder aber: Tatonka.
Winfried Schechinger muss fasziniert gewesen sein, als er 1991 “Der mit dem Wolf tanzt” von und mit Kevin Costner gesehen hatte. Und er hatte anscheinend sehr genau zugehört. In einer bekannten Szene kriecht Costner auf dem staubigen Boden und stellt pantomimisch einen Bison, einen “Buffalo” dar. Der Indianer “Strampelnder Vogel” erkennt, was Costner meint: Ta-Tonka, so heißt in der Sprache der Sioux ein Bison. Die Entscheidung war gefallen: Die neue Outdoormarke sollte nicht “Schechinger” oder “Win-Sche” heißen, sondern - Tatonka.
Ich habe mich mit dem Sohn des Firmengründers, Andreas Schechinger, in Siegerland Wittgenstein getroffen, in den ewigen Jagdgründen der deutschen Großstadt-Indianer. Dort gibt es seit April 2013 die sogenannte “Wisent-Wildnis”. In einem einzigartigen Naturschutz-Projekt dürfen bison-ähnliche Wisente, die größten Landsäugetiere Europas, in freier bis halbfreier Wildbahn aufwachsen. Das bedeutet: Eine Herde mit neun Tieren streunt frei in der Gegend um den Rothaarsteig herum, da muss man natürlich Glück haben, (oder Pech, je nach Betrachtungsweise) um denen wirklich über den Weg zu laufen. Eine andere Herde mit sechs Tieren lebt auf einem weitläufigen Gelände, die kann man garantiert treffen, muss aber Eintritt bezahlen. Montags ist Ruhetag, vor allem für die Wisente, die haben einen echt anstrengenden Job: Grasen, an der Wasserstelle trinken, auf der Wiese stehen und glotzen. Andreas Schechinger, der mittlerweile die Geschäfte von Tatonka führt, und ich stehen an einem Zaun und schauen uns das Wisent-Spektakel an. Mama Wisent heißt “Gute Laune”, die sieht man ihr so gar nicht an, die gute Laune. Merkwürdigerweise schreibt das internationale Wisent-Zuchtbuch aus Polen vor, dass alle Namen der in Wittgenstein geborenen Wisente mit “QU” beginnen müssen, eins heißt Quattro, das andere Quelle, und das jüngste bekam seinen Namen per Internetabstimmung, es heißt: Quick. Wissen die Leute, was sie dem armen Tier da antun? Quick war mal ein nationales Schmuddelmagazin, und noch nie was von einem Quickie gehört? Wenn der Name schon mit “Qu” beginnen muss, hätte ich Quartalsäufer, Quovadis oder Quittungsblock besser gefunden.
Sprache ist übrigens auch ein Anliegen der Outdoor-Firma Tatonka. Andreas Schechinger erzählt, dass sich seine Firma, weil der Markenname nun mal der Sioux-Sprache entstammt, um die gefährdete Sprache der Sioux kümmert. Sprachsponsoring sozusagen.
Wir setzen uns ins Auto, fahren weiter zur Siegquelle am Rothaarsteig, dort gibt es zwar keine Wisente, aber Ranger, die von Tatonka ausgestattet werden. Die Ranger schauen auf dem Rothaarsteig nach dem Rechten und Andreas Schechinger schaut bei den Rangern nach dem Rechten. Wenn er in seiner Firma nach dem Rechten schauen will, muss der Tatonka-Chef so manche Weltreise tätigen. Denn die Produktion ist im vietnamesischen Da-Sing beheimatet und die Verwaltung in Ho-Chi-Minh-Stadt bei Augsburg, Ach ne, Quatsch, genau umgekehrt, die Verwaltung ist in Dasing bei Augsburg und die Produktion in Vietnam. Papa Schechinger war der Erste, der Vietnam als Outdoor-Produktionsort entdeckte. Mittlerweile haben sich die Vietnamesen so spezialisiert, dass dort, da ist sich Andreas Schechinger sicher, die besten Rucksäcke der Welt gefertigt werden. Schechinger bekommt glänzende Augen, als wir an einem Modellflugplatz vorbei fahren, Hubschrauber-Modellflug ist sein Hobby, da kommt er aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Aber einmal im Jahr wird auch ein ordentlicher Wanderurlaub gemacht. Ohne Hubschrauber.
An der Siegquelle treffen wir den Ranger Matthias Speck mit seinem Hund Nick. Ich dachte zuerst, oh weh, der nachlässige Ranger hat nicht die ordnungsgemäße Dienstkleidung, weil ich den zusammengerollten Fuchs von Fjäll Räven auf seinem Hemd entdecke. Aber auf seinem Ranger-Rucksack sehe ich den Bison im “O“ von Tatonka. Die Rothaarsteig-Ranger werden von Tatonka ausschließlich mit Rucksäcken ausgestattet. Bekleidung, erklärt Schechinger, ist für seine Firma eher Nische, die Hauptsache sind Rucksäcke, Zelte, Taschen. Tatonka produziert auch für die Bundeswehr und Polizei Rucksäcke. Beim Militär werden besonders die Schwerlastrucksäcke nachgefragt, mit denen man 45 bis 60 Kilo transportieren kann. Mir schmerzt der Rücken, wenn ich nur daran denke, solche Lasten (er)tragen zu müssen. Schechinger erzählt: “Es gab Tests, da haben uns die Militär-Leute Rucksäcke zurück geschickt, und gesagt, die sind super, die haben einen Tag gehalten.” Auf den ersten Blick kein tolles Ergebnis, aber: Die Konkurrenz-Produkte hatten nur eine Stunde “überlebt”, die Testbedingungen beim Militär sind eben unwahrscheinlich hart, da werden Rucksäcke aus fahrenden LKWs und dem Hubschrauber geworfen.
Ranger Speck geht sehr pfleglich mit seinem Tatonka-Rucksack um, der hält schon jahrelang. Wir starten unsere kurze Wanderung an der Siegquelle, die in den letzten Jahren renaturiert wurde. Das heißt, dass das Wasser aus der Erde austritt, wie das bei einer Quelle nun mal so ist, und nicht wie bisher aus einer Art Wasserhahn. Die Reaktionen der Wanderer sind interessant: Von “Supergeil” bis “Gut, dass mein Mann das nicht mehr erleben muss” reichen laut Ranger Speck die Kommentare. Wir nehmen eine Abkürzung, die zum Walderlebnispfad für Kinder gehört. Es geht extrem steil an einem Hang bergauf, an einem Seil kann man den kurzen Anstieg hochklettern. Schechinger hat nicht sehr viel Profil unterm Schuh, rutscht leicht nach hinten, fängt sich aber sehr gekonnt auf. Nein, das Klettern ist nicht sein Ding, gesteht er auf Nachfrage. Da sind wir uns ziemlich ähnlich, ich kann das sehr sehr gut nachvollziehen
Auf dem Walderlebnispfad neben dem Rothaarsteig gibt es viele Mitmach-Aktivitäten rund um das Thema Wald: Eine Quellenbrille, Ein Quiz “Wer-ertastet-den-Baum“, sogar eine Waldgitarre mit langen Stahlseilen, die auf einem Baum aufgespannt sind. Schechinger ist fasziniert, zupft an den riesigen drei Seiten herum, versucht so etwas Ähnliches wie Töne zu produzieren. Die bayrischen Gene schlagen da durch. Er erzählt, dass sein Onkel unter sehr vielen Instrumenten auch die Zither spielte.
Bei der Einkehr an der Lahnquelle gibt es kein Bier für Andreas Schechinger, etwas ungewöhnlich für einen waschechten Bayern. “Ich schleppe zwar immer Bierkästen, aber das Zeug trinkt dann meine Frau”, sagt Schechinger. Der Tatonka-Chef zieht ein Fazit: Er ist begeistert vom Rothaarsteig, die Temperaturen sind sensationell angenehm, der Weg lehrreich. Für Extremwanderer ist der Rothaarsteig natürlich nichts, im Siegerland kann man vielmehr unaufgeregt eine sanfte Natur erleben. Das passt, findet Schechinger, zur Marke Tatonka. Diese sei nicht die Marke für die Extremalpinisten, “der Action- und Wow-Effekt ist nicht unser Ding”. Tatonka ist eher eine unaufgeregte, entspannte Marke. So entspannt wie Schechinger selber, so entspannt wie die Wisente, so entspannend wie der Rothaarsteig. Das passt.
Gründung: 1981
Mitarbeiter 2013: 72
Produktionsstätten: Mountech Co.Ltd. in Saigon, Vietnam
Anteil Frauen in Führungspositionen: 3 von 8 (37,5 Prozent)
Zielmärkte: Deutschland, Österreich, Schweiz, Russland, Asien, Australien/Neuseeland
Philosophie: Inhabergeführtes Familienunternehmen mit nachhaltigem Handeln in allen Unternehmensbereichen
Claim: „Expedition Life“