Doch wie sieht das eigentlich beim Wandern und draußen in der Natur aus? Worauf kommt es beim barrierefreien Wandern an, was macht einen guten barrierefreien Wanderweg aus und wie weit ist Deutschland in Sachen barrierefreies Naturerlebnis? Meine Bestandsaufnahme führte mich zu erfreulichen Aussichten und zu einem spannenden Selbstversuch im Rollstuhl. 

Seit 2002 gilt das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen. Mit dem Gesetz wurde eine Grundlage geschaffen, mit deren Hilfe behinderten Menschen ermöglicht werden soll, ohne fremde Hilfe am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben zu können. Vieles hat sich seitdem getan, doch im Tourismus und besonders beim Naturerlebnis scheint das Thema Barrierefreiheit nur langsam in Fahrt zu kommen. Alle beteiligten Akteure auf eine gemeinsame Linie zu bringen und die Natur für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen, ohne allzu sehr in ihre Prozesse einzugreifen und gleichzeitig ihre Unversehrtheit zu garantieren, ist eine der großen Herausforderungen im Tourismus. 

Tourismus in Bewegung

Immer mehr Wanderregionen entdecken das Thema barrierefreies Naturerlebnis für sich. Das ist klug, denn eine behindertengerechte Infrastruktur und barrierefreie Freizeit- und Wanderangebote bedeuten nicht selten ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Was zunächst wie ein ziemlich schlechtes Zeugnis für den Zustand der Barrierefreiheit in Deutschland aussehen mag, ist der Anstoß eines bundesweiten Trends zu einem vielleicht bald schon flächendeckend barrierefreien Tourismus. Das ist eine gute Nachricht. Behindertengerechte Wanderwege oder Teilstrecken entdecken das Licht der Welt, z. B. auf dem Talsperrenweg Zeulenroda im Vogtland, auf dem zwei Teilabschnitte jeweils als Wanderwege für Menschen mit Handicap ausgebaut wurden. Ausgestattet mit barrierefreiem Wasserzugang können hier auch Menschen mit Gehbehinderungen ganz nah ran ans Wasser und in Berührung kommen mit der Natur und dem kühlen Nass. So wie in Zeulenroda entstehen in fast jeder Region Wanderwege, die sich mit wenig Gefälle, feiner Körnung des Untergrunds oder asphaltierten Strecken speziell an Rollstuhlfahrer richten. Der barrierefreie Wanderweg Colmberg im bayerischen Franken oder die zwei barrierefreien Wanderwege im nordrhein-westfälischen Odenthal sind weitere Beispiele.

Barrierefreiheit mit System

Was wären wir Deutschen ohne unsere „Siegelmania“? Natürlich stoße ich auch beim Thema Barrierefreiheit auf ein Siegel. Damit barrierefreie Regionen und Angebote aus der Masse der touristischen Angebote herausstechen, hat das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin e.V. in Zusammenarbeit mit der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. unter dem Motto „Geprüft. Verlässlich, Detailliert.“ ein eigenes Siegel entwickelt, mit dem barrierefreie Reiseziele und Freizeitangebote zertifiziert werden. Unter den mit dem „Reisen für Alle“-Siegel zertifizierten Angeboten befinden sich neben Bergbahnen, Museen, Bädern oder Gastgebern auch Wanderwege. Dazu zählen der Märchenwanderweg Bischofsgrün in Bayern, die Hagensteinroute im Nationalpark Kellerwald-Edersee, einige Baumwipfelpfade, und zahlreiche Seeumrundungen – aller Voraussicht nach kommt bald der biblische Weinpfad im rheinlandpfälzischen Kirrweiler hinzu. ...