Altes Keltenland
Gleich hinter der Touristenhochburg Kaysersberg und den Weinbergen schlängelt sich die Straße durch einen ruhigeren Landstrich bis zum Pass von Bonhomme. Rechts und links erstrecken sich die verschwiegenen Seitentäler von Béhine und Ur mit waldreichen Hängen. Weiter oben öffnet sich die Landschaft mit ausgedehnten Weiden, die den Blick auf die umliegenden Berghöhen freigeben. Zwischen Lapoutroie, Orbey, dem Dorf Bonhomme und Fréland ist ein ganz besonderes Völkchen zuhause: die Welschen. Keine Sorge, französisch ist hier die Landessprache, elsässisch wird überall gesprochen und deutsch meistens verstanden. Doch im Hochtal der Weiss hat sich ein Brauchtum mit einem Dialekt erhalten, der romanische Wurzeln hat.
Ganz im Gegensatz zum Alemannisch, das diesseits und jenseits des Rheins im Volksmund verbreitet ist. Manche Quellen verweisen beim Welsch auf einen keltischen Ursprung, der mit an das Bretonische erinnernde Namen wie Kermodé gar nicht so weit hergeholt scheint. Heute ist diese Sprache nur noch wenigen Einwohnern wirklich vertraut. Doch seit einigen Jahren trifft man sich wieder zum Stammtisch, um diesen Dialekt zu pflegen. „Lé Wèlch so inak lé sèpnéy, é pyayo pa dzo lè nadj, mè è se rdraso toukou“, der Welsche ist wie eine Tanne, er beugt sich unter dem Schnee, aber er richtet sich immer wieder auf. Im Heimatmuseum des „Maison du Pays de Welch“, eingerichtet im ehemaligen Pfarrhaus von Fréland, wird ein Überblick über Kultur und Brauchtum gegeben. Davor klappert noch das alte Mühlrad, im Gasthaus daneben gibt es deftige Mahlzeiten.
Sanfte Hügel, schöne Blicke
Schon zur Römerzeit bildete eine mit Steinen gepflasterte Straße durch das Tal des Ur zum Bonhomme eine trockene Alternative zum Hochtal der Weiss, die oft über die Ufer trat. Doch erst im 14. Jahrhundert wurde ein Ort namens Urbach erwähnt. Hundert Jahre später hieß er Frâlay, was so viel Erdrutsch bedeutete. Der heutige Name Fréland erinnert kaum noch an die alte Bezeichnung, ebenso wenig verheißen die umliegenden, eher sanften Hügel Naturkatastrophen. Die Dorfstraße ist ruhig, im Turm der Dorfkirche verstummt der letzte Glockenton, das muntere Plaudern von drei nicht mehr ganz jungen Damen erfüllt die Gasse zum Aufstieg in Richtung Pass von Chamont. Noch einige Schritte bergan und eine idyllische Bank lockt zum Ausruhen. Ein Bild wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich. Von der Höhe vor dem Wald fällt der Blick auf eine verträumte Landschaft. Unten Fréland, das sich im Tal und entlang der Hügelflanken mit roten Dächern und einigen Fachwerkhäusern erstreckt. Rundherum grüne Hügel mit Weiden und darüber wie eine wärmende Decke der Wald.
Auf der gegenüber liegenden Seite steht abseits vom Dorf am Waldhang die aus rotem Sandstein 1771 erbaute Kapelle St. Thiébaut. Die Wälder um Fréland versorgten einst die Hochöfen in Sainte-Marie-aux-Mines mit dem nötigen Brennstoff, um das Silbererz zu schmelzen. Bis heute hat sich an der landschaftlichen Aufteilung kaum etwas verändert. Unten das Dorf und die Gemüsegärten, weiter oben die Weiden für die Viehzucht und schließlich der Wald, dessen Hölzer mittlerweile für andere Zwecke genutzt werden. Doch bis zu seiner wirtschaftlichen Nutzung dient der schöne Mischwald auf dem Weg zur Passhöhe der Fauna als Lebensraum und den Menschen zur Erholung.
Inmitten einer Hochweide zeichnet sich eine Baumreihe wie ein Scherenschnitt vor dem Himmel ab. Noch eine Kehre und am Wegkreuz Col de Chamont bietet sich ein wunderschöner Rundblick auf die Täler von Orbey und Fréland. Moderne Skulpturen von Laurent Hunzinger und Andreas Edzard markieren die Passhöhe. Die beiden, vier Meter hohen, mit Mosaiken und kleinen Masken aus Keramik geschmückten Darstellungen sollen die Begegnung zwischen Mann und Frau symbolisieren. Sie stehen aber auch für das gute Verhältnis der Gemeinden Fréland und Lapoutroie, deren Grenzen hier oben verlaufen… (weiter geht’s im Heft)