Ich wollte mich mal mit einem Kartographen treffen, also mit jemandem, dessen Beruf es ist, diese Wunderwerke zu erstellen. Kartograph hört sich schon toll an, finde ich. Irgendwie fein. Wenn es nicht schon ein Buch wie die „Liebe des Kartographen” von Petra-Durst-Benning gäbe, müsste man es dringend schreiben.

Ich machte mich auf den Weg zu Heinz „Muggi” Muggenthaler. Nach Regen im bayerischen Wald. Den „Woid”, wie man in der Gegend kurz sagt. Muggi hatte einen festen Händedruck, als wir uns im Gasthof „Zum oberen Wirt” trafen. Als Muggi sich kurz mit der Wirtin unterhielt, verstand ich – nichts. Als der Muggi aber mit mir sprach, konnte ich alles verstehen, er hatte glücklicherweise auch das gemäßigte Musikantenstadl-Bayerisch drauf. Er muss sich schließlich beruflich mit seinen Auftraggebern aus dem ganzen Bundesgebiet verständigen können. Muggi macht die Übersichtskarten des „Wandermagazins” (in der aktuellen Ausgabe z.B. auf den Seiten 46, 47, 52, 56, 135 und 137), aktualisiert Wanderkarten, erstellt Flyer für regionale Anbieter. Ich hätte gedacht, dass ein Kartograph sein Auskommen entweder bei einer Landesvermessungs-Behörde oder bei einem großen Kartenverlag findet. Aber Arbeit hat Muggi als selbstständiger Kartograph anscheinend reichlich. „Wenn es sein muss, arbeite ich auch 48 Stunden am Stück, bis die Karte fertig ist.” Dabei sitzt er die ganze Zeit vor dem Computer und klickt die Karte Stück für Stück zusammen.

Gelernt hat Muggi das anders. Händischer. Nicht so wie in der Steinzeit der Kartographie, als alle Landkarten seitenverkehrt auf polierte Schieferplatten geritzt wurden, die dann als Druckvorlagen dienten. Aber Muggi lernte die Kartographie durchaus als künstlerische Handarbeit. An der FH in München hat er Kartographie studiert. „Viele sind nicht bei der Kartographie geblieben, die meisten arbeiten heute in anderen Berufen.” Da geht es den Kartographen so wie den Philosophie-Studenten, die werden auch nicht alle später Philosophen, wenn sie groß sind. Interessant aber: Drei seiner Kommilitonen arbeiten heute – psst, darf eigentlich keiner wissen – für den BND. Ist ja eigentlich logisch, dass ohne vernünftiges Kartenmaterial der tollste Spion nicht wirklich schön spionieren kann. Es gibt sogar eine Deutsche Gesellschaft für Kartographie, die seit schon fast 60 Jahren jährlich einen Deutschen Kartographentag veranstaltet. Ob man da wie die Briefmarkensammler hingeht, die tollsten Wanderkarten tauscht und seine Kartensammlung komplettiert?

Das Werkzeug des Kartographen bestand, als Muggi diesen Beruf erlernte, vor allem aus sehr speziellem und sehr feinem Zeichenzubehör. Es gibt die Ziehfeder, die Kurvenziehfeder und die Doppelkurvenziehfeder. Mit der Doppelkurvenziehfeder malte man früher die Autobahnen auf die Folie. Auch ein Schraffierlineal, ein Nullenzirkel samt Gisal-Napf zierten den Arbeitstisch des Kartographen. Ein Gisal-Napf ist nicht etwa die Fressstelle für eine seltene Katzenart, sondern ein Tuschebehälter.

Mein bayerischer Kartograph ist ein veritabler Profiteur des Wanderbooms. Vielen Gemeinden in Deutschland fällt auf, dass sie noch dringend dick ins Wandergeschäft einsteigen sollten. Und wenn ein neuer Wanderweg oder gar ein neues Wanderwegenetz in den Kommunen kreiert wird, ist auch eine neue Wanderkarte oder zumindest ein Informationsflyer mit einer kleinen Übersichtskarte fällig. Und dann kommt naturgemäß Muggi ins Spiel.

Ein Problem für Kartographen wie Muggi ist allerdings, dass ihn leicht zu bedienende geographisch-kartographische Computer-Programme annähernd arbeitslos machen. Und gut gemachte Premiumwege sind natürlich auch nicht gut für Kartenmacher. Wenn die Markierungen nahezu perfekt sind, braucht kein Mensch mehr eine Wanderkarte. Man könnte auch sagen: Das neue Wandern kills Kartographen!

Wie schreibt man denn nun die Kartographie? Das ist eine Sache der Ortogra-Vieh. Früher mit „pee-haa”, neuerdings eher mit „eff”. Für Muggi ist das keine Thema. Er wird immer ein Kartograph bleiben.