Nein, natürlich predige ich nicht die verkürzte Formel vom gesunden Geist im gesunden Körper. Wenngleich, rundweg verkehrt ist die Sache schon deshalb nicht, weil ein Wohlgefühl tatsächlich von akuten Malaisen beeinträchtigt wird. Mehr noch, wer körperlich gut drauf ist, verkraftet auch psychische Belastungen besser. Wer je nach stundenlanger Wanderung oder Radwanderung alle Viere von sich gestreckt hat, weiß um jenes situative Glück und rundum gültige Wohlgefühl, das Körper und Geist nach der Aktivitätsphase in Besitz nimmt. Wandern ist ein Weg par exellence zum Wohlgefühl. Ob Kulinarik, ob Wellness (Bad Driburg oder Bad Soden-Salmünster) – Sich-Bewegen ist der Schlüssel zum Wohlgefühl des Augenblicks und zur Gesundheit als Generalzustand. Wandermagazin hat Holle Bartosch, Fitnessexpertin an der Seite von Dr. Ulrich Strunz, zum Zusammenhang von Wandern & Wohlfühlen befragt.
Interviev mit Holle Bartosch (Fitnessexpertin an der Seite von „Fitnesspapst“ Dr. Ulrich Strunz)
Holle Bartosch wurde 1971 in Erlangen geboren. Sie ist diplomierte Sportwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Rehabilitation und Prävention und seit 2001 Fitness-Coach, Seminartrainerin für Fitness-Seminare, Co-Autorin (z.B. „forever young“) bei Dr. Ulrich Strunz. Bartosch hat Marathon- und Triathlonerfahrung, ist Gesundheitsberaterin und ausgebildet als Fortbildungsleiterin für Nordic Walking, Fatburning, Walking und Krafttraining.
WM: Körperliche und mentale Fitness bedingen einander. Wieviel Fitness-Gewinn trauen Sie denn der „Wanderei“ zu?
Bartosch: Man wird nicht nur fit, sondern erlebt durch die geringe Belastung pro Be-wegungseinheit beim Wandern die Natur sehr intensiv. Das „Erlebnis Natur“ schafft Platz für neue Gedanken - auch für alternative Lebenswege. Die Hauptsache für einen wachen Körper und Geist ist frische Luft, ist Sauerstoff. Wandern ist somit eine Frischzellenkur vom Feinsten. Die Gelenke werden durchsaftet. Knochen und Muskeln werden gestärkt. Der Herzmuskel wird trainiert. Die Durchblutung der Lunge wird gefördert und die Atmung wird tiefer und ökonomischer. Der Blutdruck sinkt. Die Blutzucker- und Blutfettwerte sinken. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu, und das Immunsystem wird deutlich gestärkt. Schließlich und endlich verbrennen trainierte Wanderer doppelt soviel Fett wie Sitzmenschen.
WM: Wandern kommt für viele Menschen noch „dröge“, wenig stylish und oft sogar altbacken daher. Was sagen „Fitnesspapst“ Dr. Ulrich Strunz und seine engsten Mitarbeiter dazu?
Bartosch: Unsinn. Wandern wird doch immer mehr zum Trend. Und wenn sie als passionierter Wanderer jetzt auch noch zwei Stöcke in die Hand nehmen, schwimmt man sogar auf der aktuellen Nordic Walking-Welle. Insgesamt geht der Trend zur Natur und zur Besinnung. Nicht umsonst haben in diesen Zeiten Fitness-Studios Schwierigkeiten, ihre Kunden zu halten.
WM: Wohlfühlen hat viele Dimensionen: Ernährung, Bewegung, Sensibilisierung, Gefühlsechtheit, Lebendigkeit, Sinnlichkeit – Fitness in Kombination mit diesen Wohlfühlaspekten als ultimativer Lösungsansatz?
Bartosch: Unbedingt. Wenn der Mensch sich bewegt, wacht er auf. Seine Sinne schärfen sich. Die somatische Intelligenz erwacht, also verändert sich auch das Essverhalten. Ein bewegter Mensch nimmt sich und seine Umwelt, seine Mitmenschen doch anders und viel intensiver wahr. Das alles lässt uns „rund und ganz“ werden. Das ist Wohlfühlen.
WM: Die Tendenz, in kleinen Zeitfenstern ein Maximum an Fitness zu erwerben, ist unverkennbar. Wandern zielt freilich auf das Gegenteil, auf Muße und Entschleunigung. Passt beides aus Ihrer Sicht dennoch zusammen?
Bartosch: Das ist doch eine wunderbare Ergänzung. Keine Zeit zum Wandern? Dann reicht auch eine halbe Stunde nordische Fitness an der frischen Luft. Oft haben wir im voll gestopften Alltag nicht die Muße und Lust, uns ausgiebig Zeit für uns selber zu nehmen. Ob nun kurz und deftig oder lang und genussvoll, beide Arten von Bewegung sind effektiv und eine Streicheleinheit für unsere Seele. Und oft kommt die unstillbare Lust auf Natur und eine ausgedehnte Wanderung erst durch kurze bewegte Einheiten im Park unter der Woche. Intensität und Ausdauer bedingen einander.
WM: Wie lauten Ihre persönlichen Tipps zum Wandern & Wohlfühlen?
Bartosch: Rechtzeitig planen. Wie gut ist die persönliche Fitness? Welche Anforderungen stellt die geplante Strecke und bin ich ihnen gewachsen? Den Zeitbedarf realistisch einschätzen, dann erst loslaufen. Kalkulieren Sie Zeit für ausgiebige Genusspausen ein. Packen Sie sich Gaumenfreuden in den Rucksack und nie die Wasserflasche vergessen. Egal, ob Sonnenschein oder Wolken am Himmel, eine gute Ausrüstung ist die halbe Miete für einen schönen Ausflug.