Das Gefühl, über dem Alltag zu schweben, das werden wir hier in den Allgäuer Alpen nicht mehr los. Und wir wollen es auch gar nicht. Herrlich! Manchmal ist es, als würde die Zeit anders ticken oder sie würde gleich gar nicht existieren auf den Jahrmillionen alten Steinrücken. Wir sind unterwegs im Naturpark Nagelfluhkette, einem grenzüberschreitenden Park zwischen dem Allgäu und dem Bregenzer Wald in Österreich, einer atemberaubenden Landschaft. Höhenunterschiede von 1400 Metern fordern sportlich Ambitionierte heraus, zeigen aber vor allem eine unglaubliche Vielfalt auf engstem Raum. Begleitet werden wir von Naturparkführer Wolfgang Zeller, ein Allgäuer Original mit dem ab 1000 Metern das Gipfel-Du gilt, was so etwas wie eine generelle „Benimmregel“ in den Bergen ist. Er ist ein wandelndes Lexikon, was die Entstehungsgeschichte der Alpen angeht und er weiß sein Wissen absolut spannend zu verpacken. Gerade hat er uns auf den 1679 Meter hohen Besler geführt, der übrigens nach Meinung Zellers auch für „Normalos“ machbar ist. „So, hier steht Ihr auf der Bugwelle von Afrika“ sagt er und schaut dann erwartungsfroh in unsere geröteten Gesichter. Er zeigt auf den felsigen Untergrund. „Das ist Schrattenkalk. Schichten, die sich vor Jahrmillionen durch Ablagerungen eines subtropischen Meeres im warmen Flachwasser gebildet haben. Afrika hat diese von Süden her übereinander geschoben, gepresst und wie eine letzte Welle im Norden den Besler aufgefaltet. Stellt Euch mal vor, wie viele Muscheln Ihr brauchen würdet, um diesen Berg zu bauen!“ Aha, so war das also mit der Entstehung der Allgäuer Alpen!

Die Allgäuer Alpen – Reichtum und Vielfalt auf engstem Raum

Dahinter eine völlig andere Landschaft: Die sogenannten Flyschberge der Hörnergruppe mit viel weicherem Gestein, das bis zu den Gipfeln mit üppigen Grasteppichen überzogen ist. Zur heißen Jahreszeit stehen die Alpwiesen in vollem Saft - beste Grundlage für die Alpwirtschaft und eines der beliebtesten Produkte des Allgäus: Käse! Überall sehen wir das Braunvieh, wie die Allgäuer Kühe genannt werden. Hier oben kann es wirklich reichlich weiden. Dessen Milch wird auf den vielen Sennalpen sogleich zu schmackhaftem Käse, Butter oder Joghurt verarbeitet. Nirgendwo sonst gibt es mehr ‚Alpen in den Alpen‘: über 500 sind es allein im Trilogieraum ‚Alpgärten‘ rund um die Hörnerdörfer mit Fischen als Portalort. Nördlich werden diese von einer auffälligen, bizarren Felsenkette flankiert, dem Herrgottsbeton, wie das Nagelfluhgestein von den Einheimischen genannt wird. Das sieht aus, als hätte man Kieselsteine mit Beton zu einer festen Masse gebacken.

Wir rasten und übernachten auf der Alpe Gund. Die Hütte liegt auf 1502 Metern unterhalb des Stuibengipfels in der Nagelfluhkette. Hier oben ist die Welt eine andere: Es duftet würzig nach Kräutern und der Hüttenwirt kocht am urigen Holzherd – begleitet von den hungrigen Blicken von Hund Maxi. Die Nächte auf einer der urigen Allgäuer Hütten werden wir definitiv nicht vergessen: Nachts das klare Sternenfirmament zu bewundern und morgens mit Schellengeläut wach zu werden, das sind Erlebnisse, die einen im Herzen reich machen und ein Leben lang bleiben. Und es sind offensichtlich nicht nur Urlauber, die das so empfinden. „Hier oben fühlen wir uns frei“, meint Linda Seltmann, die mit ihrem Mann die Alpe Schlappold unterhalb des Fellhorns betreibt. Es ist die höchstgelegene Sennalpe Deutschlands und sie liegt im Trilogieraum ‚Urkrafttäler‘ mit Oberstdorf als Portalort. Die zwei kleinen Kinder des jungen Paars sind immer mit dabei. „Oben auf dem Berg haben wir einen ganz natürlichen Lebensrhythmus, wie die Natur auch.“ Was die Werbung oft verspricht, ist bei Florian Seltmann wirklich so: Die 75 Kühe, die ihm die Ortsbauern anvertraut haben, kennt der Alphirte alle beim Namen. Jeden Tag macht er Käse. Voraussichtlich werden es zehn Tonnen sein, wenn die ganze Familie samt Helfer und Tieren im Herbst wieder ins Dorf hinunter geht. In den wenigen 100 Tagen, die sie hier oben sind, haben sie dann 100.000 Liter Milch verarbeitet. 

Der treue Begleiter auf der Himmelsstürmer Route ist die Freiheit

Außergewöhnliche Naturerlebnisse warten in den Allgäuer Alpen quasi hinter jeder Felswand. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Steinadler auf. Er nutzt die günstige Thermik und kreist ohne Flügelschlagen in der Luft. In der Stille hören wir fast unser Herz klopfen. Das kommt bestimmt nicht nur von den letzten Höhenmetern vor dem Gipfel. Gleich fühlen wir uns genauso frei wie der mächtige Vogel: Hunderte von Bergspitzen liegen uns zu Füßen. Kantig und gestochen scharf gezeichnet. Eine fantastische Aussicht bis zu den Zillertalern, Stubaier, Ötztaler und Berner Alpen. Das Naturschutzgebiet südlich von Oberstdorf und Bad Hindelang ist mit fast 21.000 Hektar eines der größten deutschlandweit und auch eines der artenreichsten Gebirge. In den Trilogieräumen ‚Urkrafttäler‘ und ‚Gipfelwelten‘, die zu den Allgäuer Hochalpen gehören, findet der Adler beste Voraussetzungen zum Leben und mit ihm einige andere seltene Vogel- und Tierarten wie der Steinbock, das Murmeltier und der Wanderfalke. Sogar ein Bartgeier wurde schon gesichtet – eine Sensation, denn schätzungsweise nur knapp 200 gibt es von seiner Gattung in ganz Europa. Auch besonders seltene und geschützte Pflanzen brauchen die besonderen Bedingungen, wie zum Beispiel der Tüpfel-Enzian, die Alpenrose und das Edelweiß. An der alten Rinde eines Baumriesen wächst die oft unbeachtete und vom Aussterben bedrohte Lungenflechte. Ein Zeichen dafür, dass die Luft hier oben besonders rein ist.

Nach Bad Hindelang führt die Himmelsstürmer Route nach Österreich ins Tannheimer Tal, von wo aus wir in den nächsten Trilogieraum, den ‚Schlosspark‘ mit dem Portalort Füssen gelangen. Wie der Name schon sagt, muss hier etwas Königliches zu finden sein. Ist es auch: Neben den majestätischen Gipfeln, wie dem Tegelberg oder dem Säuling, sind es vor allem die berühmten Bauwerke, die dem Trilogieraum seinen Namen gegeben haben. Die Königsschlösser Hohenschwangau und das noch viel bekanntere Neuschwanstein von Bayernkönig Ludwig II. stehen imposant in einer ebenso beeindruckenden Naturkulisse. Kein Wunder, dass der Monarch hier ins Schwärmen kam und vom Allgäu als „ein Paradies auf Erden“ sprach. Wie Diamanten blitzen vom Tal die vielen Seen, gleich acht an der Zahl, hinauf.

Die Himmelsstürmer Route durchquert auch den Trilogieraum ‚Panoramalogen‘ mit dem markanten Hauptberg, dem Grünten. Wie es sich für einen „Wächter des Allgäus“ gehört, ist er mit seinen 1.738 Metern von allen Himmelsrichtungen zu sehen. Auch wir haben das Gefühl, dem Himmel Schritt für Schritt ein bisschen näher zu kommen. Mit jeder Etappe entdecken wir eine andere Facette einer reichen Landschaft mit ihren vielen Geschichten. Und die sind übrigens ein wichtiger Teil der Wandertrilogie Allgäu. 

Steinriesen, Hügelmeere und Helden - Auf der Wandertrilogie Allgäu die Geschichte der Region erleben

Auf den drei Routen der Wandertrilogie Allgäu werden Landschaftsbilder und Höhenlagen erlebbar, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie sind der rote Faden des 876 Kilometer langen Weitwanderwegenetzes: die Himmelstürmer Route in der alpinen Gebirgsregion, die Wiesengänger Route in der Hügellandschaft und die Wasserläufer Route, die Erlebniswanderer durch die Voralpenlandschaft führt. Wer hier unterwegs ist, der spürt und versteht die Kraft, mit der das Eis und seine Schmelzwässer vor Urzeiten ein atemberaubendes Kunstwerk aus stillen Bächen und wilden Schluchten, verwunschenen Seen, Gletschertöpfen, Wasserfällen und Mooren erschaffen hat – eingerahmt von den sanften Hügelmeeren und bewacht von den steinernen Bergriesen. Die Routen führen aber auch mitten hinein in die Partnerorte, 34 sind es insgesamt. Dort werden Geschichten über Helden sowie naturkundliche und kulturelle Besonderheiten an speziell gestalteten Schauplätzen auf Tafeln erzählt.

Da die Himmelsstürmer Route über die mittleren bis hohen Lagen der Allgäuer Alpen verläuft, ist alpine Erfahrung wichtig. Man kann aber auch mal ausprobieren, wie es ist, ein Himmelsstürmer zu sein, denn die drei Routen sind über sogenannte Trilogieleitern verbunden. Mit Hilfe des Serviceheftes, in dem die 53 Etappen beschrieben sind, können wir gut einschätzen, was wir am Tag schaffen können. Alle Wege sind bestens ausgeschildert und mit Schwierigkeitsgraden gekennzeichnet. Wer mag, kann sich auch das Gepäck von einem Partnerbetrieb zum nächsten bringen lassen. So können die Touren ganz nach eigenen Vorlieben und Kondition auszugesucht werden. 

Urlaubsplanung leicht gemacht:
Kostenloses Kartenmaterial, Servicebuch und Gastgeberverzeichnis.

Bei der Planung der Wanderungen helfen die kostenlose Übersichtskarte und das umfangreiche 321seitige Servicebuch mit Etappenbeschreibungen, Einkehrmöglichkeiten, Gastgebern, öffentlichem Nahverkehr und Gepäcktransport. Dieses Infomaterial kann kostenfrei bestellt werden per Mail unter info@allgaeu.de und telefonisch unter Tel. 08323/8025931. Alle Infos auch auf www.wandertrilogie-allgaeu.de