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Von Redakteurin Svenja Walter
Das mit der Wanderstimmung ist so eine Sache.
Normalerweise empfinde ich bei den ersten Schritten einer Wanderung immer eine Aufbruchstimmung und einen Anflug von Freiheitsgefühl. Bei einer meiner letzten Wanderungen, einer Tagestour in der zweiten Novemberhälfte, wollte jedoch einfach keine Wanderlaune aufkommen. Klar, November, mag der eine oder die andere jetzt denken, das ist sowieso so eine triste Jahreszeit. Aber das war es nicht und ich weigere mich, das Wetter für alles verantwortlich zu machen. Tatsächlich gibt es viele Dinge, die die Wanderstimmung trüben können oder sie gar nicht erst aufkommen lassen. Man könnte andersherum auch sagen, es müssen recht viele Dinge zusammenkommen, damit eine Wanderung gelingt.
Vielleicht erscheint es etwas komisch, bei einer Wanderung von Gelingen zu sprechen. Es ist nicht wie bei einem Kuchen, für den man eine Liste von Zutaten in bestimmten Mengen zusammenmischt, den Teig bei einer vorgegebenen Gradzahl yx Minuten backen lässt und voilà. Wandern findet nicht unter fast laborähnlichen Bedingungen statt, sondern draußen in der Natur mit Variablen, die wir nicht unter Kontrolle haben. Und statt eines Rezeptes halten wir allenfalls eine Karte in der Hand. Trotzdem haben wir natürlich Erwartungen an unsere Wanderung. Wir entscheiden uns ganz bewusst für einen bestimmten Weg, auf dem wir unsere wertvolle Freizeit verbringen, wollen schöne Landschaften sehen, das Draußensein genießen und vom stressigen Alltag abschalten. Handelt es sich dabei um einen ausgezeichneten Premium- oder Qualitätswanderweg, sind die Erwartungen noch höher.
Umstände, die uns die Wanderlaune vermiesen, gibt es wie anfangs erwähnt viele – auch auf ausgezeichneten und prämierten Wanderwegen. In meinem Fall war es unter anderem der Situation geschuldet, dass der Schnee, der am Vortag noch die gesamte Landschaft in weiß eindeckte und jeden kleinen Ast eisig umschloss, über Nacht geschmolzen war. Ich wanderte nur noch durch Schneereste im besten Fall, meistens durch Matsch oder Wasser, das auf den Wegen und Pfaden stand. Ich war schon in der Morgendämmerung losgegangen, um das beste Licht des Tages fürs Fotografieren nutzen zu können, hatte aber nur eine Banane gefrühstückt und in der Kälte brauchte mein Körper eindeutig mehr Energie, um mich warmzuhalten. Außerdem blieb ich oft stehen, um Fotos zu machen. So fror ich schnell und kam nie wirklich in „meinen Rhythmus“. Noch dazu rutschte meine blöde Wanderleggins. Und die Landschaft? Naja, es dominierten Kahlschlagflächen in einer von Sturm und Borkenkäfern gebeutelten Landschaft. Obwohl ich persönlich diesen trockenen, steppenähnlichen Hochflächen im letzten Sommer optisch einiges abgewinnen konnte, lag das sonst leuchtende ockerfarbene Gras jetzt vom Schnee erdrückt und braun auf dem Boden.
Es gab an diesem Tag auch einige positive Dinge, die für eine gelungene Wanderung sprechen könnten. Er war zum Beispiel nicht so grau und trist wie viele andere Novembertage. Nach einiger Zeit schien die Sonne und brachte das kleine Bächlein zum Glitzern. Ich konnte mir Zeit lassen, da ich früh losgegangen war und mir bewusst eine kürzere Wanderung ausgesucht hatte. Ich fand in Moosen, Pilzen und Flechten doch noch ein paar schöne Fotomotive – nachdem mich die Landschaft im Großen nicht so begeistert hatte, dann also im Kleinen. Mir wurde wärmer, als ich mein Brötchen im Gehen aß und nach ca. vier Kilometern spürte ich dann endlich so etwas wie Freude an der Bewegung. Ich fand meinen Rhythmus, vielleicht kam jetzt doch noch Wanderstimmung auf.
An manchen Tagen dauert es eben etwas länger, bis man sich warmgelaufen hat, Fuß fasst auf seiner Wanderung und einen Rhythmus findet. Manchmal stellt sich gar keine Wanderstimmung ein und das ist auch ok. Mitunter liegt das an unserer persönlichen Gemütslage, da kann auch das Wetter nichts dafür und der schönste Wanderweg nichts ändern. Umgekehrt kennt ihr vielleicht das Phänomen, das man selbst die schönsten Wandertage auf einem Weg erlebt hat, den viele andere als langweilig empfunden haben. Wandern kann nicht nur physisch, sondern auch mental ein Auf und Ab sein. Ich habe schon oft erlebt, dass die Natur und bestimmte Landschaften meine Stimmung positiv beeinflussen, aber andersherum können meine Stimmung und die Gedanken, die ich mit auf den Weg nehme, auch meine Wahrnehmung beeinflussen. Es ist eine wechselseitige Beziehung.
Ich habe an diesem Tag mehrmals darüber nachgedacht, die Wanderung abzukürzen und bin dann doch immer noch ein Stückchen weitergegangen, in der Hoffnung, dass ich meine Wanderlaune finde. Teilweise hat es geklappt, trotzdem habe ich die Wanderung letzlich „abgebrochen“, wenn man so will. Es war an diesem Tag die richtige Entscheidung. Es kommen noch andere Wandertage.