Fördertürme, Hochöfen und die sanften Hügel der Halden zeichnen immer noch das Profil des Pott. Mit zwei der größten Hochschulen Deutschlands, der Ruhruniversität Bochum und der Universität Duisburg-Essen, sowie renommierten Kulturveranstaltungen von der Ruhrtriennale, den Internationalen Kurzfilmtagen, den Ruhrfestspielen und den vielen Musikfestivals von Jazz bis Punkrock ist der Blick im Ruhrgebiet aber stets auch nach vorne gerichtet. Wen also eine Zeitreise reizt, der sollte einen Schritt in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf einem der Wanderwege im Ruhrgebiet wagen.

Rundweg zum Ursprung: „Oberhausener Rundweg“

64,6 km • drei bis fünf Tagesetappen • Start/Ziel: Hbf Oberhausen

Mit seinen vielen Grünanlagen und Parks eignet sich Oberhausen bestens zum Erkunden zu Fuß. Die Zeitreise führt in die „Wiege der Ruhrindustrie“, also sogar noch weiter als nur zum Beginn der Stahlindustrie.

Hütte St.-Antony in Oberhausen: Wiege der Industriekultur

Einen umfangreichen Einblick ermöglicht dieser Wanderweg, der die 210.000 Einwohner zählende Stadt in drei oder fünf Tagesetappen auf 64 km umwandert. Start ist am Bahnhof. Die Bahnanbindung war einer der Gründe dafür, dass Oberhausen 1929 Zentrum und Namensgeber eines neuen Gemeindezusammenschlusses wurde. Durch die Innenstadt geht es nach Süden vorbei am Rathaus und dem Bert-Brecht-Haus: Paradebeispiele für den Backsteinexpressionismus zu Beginn des 20. Jh. Weiter führt der Weg entlang der Ruhr nach Westen, bevor die wichtige Wasserstraße verlassen wird und man wenig nördlich auf den Rhein-Herne-Kanal trifft. Nach der Überquerung zieht sich der Weg entlang der Emscher nach Holten mit seinem Kastell. 1188 wurde eine Befestigungsanlage erstmals erwähnt – heute steht hier nur noch ein Flügel der im 16. Jh. errichteten Wasserburg. Am Rand des Hiesfelder Walds lässt sich der Wandertag gut beenden.

Erlebnisse im Revier Tipp 1: Duisburg Friedrich-Ebert-Brücke mit Blick zur Ruhrmündung mit der Skulptur Rheinorange. Besuch des Museums der Deutschen Binnenschifffahrt. www.binnenschifffahrtsmuseum.de

Nach einer Schleife durch den Wald, der den südlichen Teil des Naturpark Hohe Mark ausmacht, ist bald das nächste Highlight, Halde Haniel, erreicht. An der Grenze zwischen Bottrop und Oberhausen ragt der künstliche Hügel mit den bunten „Totems“ des baskischen Künstlers Augustín Ibarrola 159 m in die Luft. Ein Aufstieg lohnt sich allein schon für das Panorama. Oder man lässt den Wandertag beim Veranstaltungsbesuch im Amphitheater auf der Halde ausklingen. Im Stadtteil Klosterhardt empfiehlt sich ein Abstecher Richtung Sterkrade. Das LVR-Industriemuseum St. Antony Hütte gilt als erste Stätte der Eisenproduktion im Ruhrgebiet, weshalb es auch einer der Ankerpunkte der Route der Industriekultur ist. Als Ursprung der Eisenindustrie im Pott ist die Hütte damit Grund dafür, dass Oberhausen heute als „Wiege der Ruhrindustrie“ gilt.

Zukunft Renaturierung

Wieder auf dem Rundweg führen grüne Parkanlagen nach Vondern mit der Burg aus dem 13. Jh. Kurz darauf ist die renaturierte „Brache Vondern“ erreicht. Nach Überqueren des Rhein-Herne-Kanals befindet sich im Emscher Landschaftspark Haus Ripshorst. Im ehemaligen Rittergut wird heute über die „Route Industrienatur“, ihre große Schwester die „Route Industriekultur“ und Renaturierungsmaßnahmen im Ruhrgebiet informiert.

Im Westen sieht man einen „tanzenden“ Strommast: die Skulptur Zauberlehrling des Künstlerkollektivs inges idee. Weiter südlich wird der Gleispark Frintrop passiert, auch Teil der „Route Industrienatur“. Auf dem Gelände wachsen Wildblumen und Kräuter, die Schmetterlinge anlocken. Entlang der Stadtgrenze zu Essen geht es weiter gen Süden, bevor der Weg sich nach Westen biegt und zurück in die Oberhausener Innenstadt führt.

Die überdimensionale Grubenlampe auf Halde Rheinpreußen
Die Totems aus Eisenbahnschwellen auf Halde Haniel

 

Erlebnisse im Revier Tipp 2: Gasometer Oberhausen 117,5 m hoher Stahlturm mit wechselnden Ausstellungen von Kunstinstallationen bis zur Wissenschaft. www.gasometer.de

Das linksrheinische Ruhrgebiet: „Bergbauwanderweg Niederrhein“

62,6 km • 3 Tagesetappen • Start: Bergwerk in Neukirchen-Vluyn

Auch wenn die Regionsbezeichnung es nicht vermuten lässt, erstreckt sich das Ruhrgebiet auch jenseits des namensgebenden Flusses bis auf die linke Rheinseite. Hier verbindet der „Bergbauwanderweg Niederrhein“ auf 62 km Stätten der Industriekultur westlich des Rheins. Los gewandert wird am Bergwerk Niederberg in Neukirchen-Vluyn. Hier wurde noch bis in die frühen 2000er Steinkohle gefördert. Die renaturierte Halde Norddeutschland ist am eindrucksvollsten über die Himmelstreppe mit 359 Stufen zu erklimmen. Auf der Kuppe steht als Willkommenssymbol die Stahlskulptur „Hallenhaus“. Nach Norden geht es nach Kamp-Lintfort zur Zechenpark Friedrich-Heinrich. Der Ankerpunkt der Route der Industriekultur ist vor allem industriegeschichtlich interessant: Hier wurde ab 1958 erstmals im Ruhrgebiet voll mechanisch Kohle gefördert. 2020 war das Gelände zentraler Standort der Landesgartenschau. In diesem Rahmen entstand auch der Kalisto Tierpark, wo Erdmännchen und Alpaka beobachtet werden können. Weiter auf dem Weg ist bald die Alt-Siedlung erreicht, in der die Kumpel in Kamp-Lintfort wohnten. Zurück Richtung Rhein führt der Weg zum Etappenziel Halde Pattberg. Von oben ergibt sich ein weiter Ausblick über die linksrheinische Industriekultur.

Licht auf Vergangenheit und Zukunft

Die Siedlung Rheinpreußen in Duisburg Route Industriekultur

Die zweite Etappe des Wegs führt zunächst nach Moers. Durch den Jungbornpark mit Barfußpfad geht es zum Tervoorter Wald mit dem „Spukschloss“ Haus Tervoort. Die Ruine des ehemaligen Ritterguts hat den Charme eines „Lost Place“, der sie zum Herumstreunen attraktiv macht. Dann ist der Technologiepark Eurotec looop auf dem ehemaligen Gelände der Zeche Rheinpreußen erreicht. Nachdem hier ein Jahrhundert lang Kohle gefördert wurde, sollen nun Visionen für die Zukunft entwickelt werden. Es folgt die Halde Rheinpreußen, deren Spitze eine überdimensionale Grubenlampe krönt. Die Skulptur ist begehbar und bietet von oben ein weites Panorama auf den Rhein und das Ruhrgebiet. Weiter Richtung Süden führt die Wanderung entlang des Uettelheimer Sees und schließlich zur Schachtanlage Rheinpreußen 4 in Moers Hochstraß.

Die dritte und letzte Etappe des "Bergbauwanderweg Niederrhein" führt ins linksrheinische Stadtgebiet von Duisburg. Entlang der Siedlung Rheinpreußen, die einst die Mitarbeiter der Zeche beherbergte, führt der Weg nach Süden. Heute ist das Viertel in der Hand einer Genossenschaft, die sich um die denkmalgerechte Pflege der Anlage kümmert. In Duisburg Asterlagen ist Vater Rhein wieder erreicht. Entlang der Rheinwiesen und des kleinen Naturschutzgebiets Werthauser Wardt verlässt der Weg mit Blick auf die Brücke der Solidarität den Fluss. Die Brücke erhielt ihren Namen in den späten 1980er Jahren von Stahlarbeitern, die hier gegen den geplanten Abbau ihrer Arbeitsplätze protestierten. Weiter geht es vorbei am beliebten Naherholungsziel Toeppersee. Der See entstand nach Auskiesungsarbeiten und bietet heute Möglichkeiten zum Schwimmen, Minigolfen und Wasserski-Fahren. Der Rand von Duisburg und Moers ist der westlichste Rand des Ruhrgebiets: Zur Rechten liegt die Industriekultur, zur Linken der Weite Horizont des Niederrhein und bald ist das Ziel Neukirchen wieder erreicht.


Weitere Infos www.route-industriekultur.ruhr