Ausgerüstet mit den in Mende gemieteten Fahrrädern steht einem Urlaub „Lozère per Rad“ nichts mehr im Wege. Allerdings nicht auf die ganz harte Art, mit dicken Gepäcktaschen und nachmittäglicher Suche nach einer passenden Unterkunft. Lieber jeden Tag eine andere Strecke und abends ins vertraute Bett der gemütlichen Ferienwohnung. Falls es dann mal regnen sollte, bleibt immer noch die Alternative der spannenden Lektüre im bequemen Sessel.

Stellt sich lediglich die tägliche Frage der Streckenwahl. Ziele gibt es derer viele. Ein Tag ohne Wind erscheint ideal für die eigenwilligen Höhen des Aubrac. Sonnenstrahlen tauchen im Wechsel mit den ziehenden Wolken diese herb-schöne Landschaft in ein zauberhaftes Licht. Weiden dehnen sich wie Wellen bis zum Horizont, nur hin und wieder unterbrochen von einem kleinen Wald. Aus den Wiesen wachsen Basaltblöcke wie Pilze, kaum zu unterscheiden von den Dächern der wenigen, noch erhaltenen „Burons“. In einigen dieser ehemaligen, sich in Senken duckenden Schäferhütten, wird heute Gästen ein kräftiger „Aligot“ serviert. Dieser Käse-Kartoffelbrei war früher die Hauptnahrung der Schäfer, die wochenlang auf den Almen des Aubrac aus der Milch der braunen, dunkeläugigen Kühe deftigen Tomme-Käse herstellten. Noch immer werden die Aubrac-Kühe und -Rinder im Frühjahr auf die Weiden getrieben, alljährlich Gelegenheit für eine schöne Wanderung mit den Herden und anschließendem Fest im Weiler Aubrac.

Keine großen Steilstrecken, doch im steten Wechsel bergauf, bergab zeigt die Landschaft immer wieder neue Perspektiven. Trotz der sich schier endlos dehnenden Weiden wirkt der Aubrac mit dem Spiel des Lichtes nie langweilig. Nur wenige Dörfer, wo an den Häusern Geranien rote Farbtupfer vor hellen Granitmauern bilden. Unvermutet mitten im Nichts der Kurort La Chaldette. Ort ist dabei übertrieben, zwei kleine Hotels, einige Häuser und in der Wiese das Thermalbad mit Blick auf weidende Kühe. Der am Nachmittag aufkommende Wind bläst glücklicherweise von hinten und verleiht den Drahteseln entsprechenden Schwung für die Rückfahrt.

Mit rund 12.000 Einwohnern ist Mende die kleinste Hauptstadt der französischen Departements. Die mächtige, gotische Kathedrale, Hinterlassenschaft des Papstes Urban V., beherrscht das alte Stadtviertel mit verwinkelten Gassen, Boutiquen und einigen Restaurants. Die Altstadt drängt sich zwischen dem Oberlauf des Lot, überspannt von einer Brücke aus dem 12. Jh., und steilen Abhängen der Karsthochfläche Causse de Mende. Die Anfahrt über Haarnadelkurven zum Plateau ist selbst für sportliche Radfahrer eine Herausforderung. Weniger anstrengend und doch abwechslungsreich ist eine Strecke rund um den Causse de Mende. Bei Balsièges sind in den Ablagerungen an einem Berghang Muscheln und Abdrucke im Gestein zu finden, Zeugen aus der Frühgeschichte unserer Erde. Die Hügel rund um den Ort sind von Wald bedeckt, in südöstlicher Richtung beginnen das Massiv des Mont Lozère und der Cevennen-Nationalpark. In Lanuéjols erinnert das beeindruckende Mausoleum, errichtet von Lucius Julius Bassianus für seine geliebten Söhne Bassulus und Balbinus, an die Zeit der römischen Besiedelung in diesem Gebiet. Auch die Thermen von Bagnols-les-Bains, das nach dem unerwartet steilen Pass von Loubière und einer rasanten Abfahrt durch den Laubwald erreicht wird, waren schon den alten Römern bekannt. Eine belebte Gasse führt zum Thermalbad, in dem, wie der Gastwirt zur abschließenden Mousse au chocolat verrät, auch Schokoladenkosmetik in Anwendung kommt. Hätte man vielleicht doch lieber Kurlaub buchen sollen? Der Pass Col de Tourette auf der Rückfahrt nach Mende ist zwar nicht extrem, doch immerhin schweißtreibend, was der Fitness ebenfalls zuträglich ist.

Nach so viel Passfahren – die Lozère ist ein wahrlich bergisches Land – lockt eine kleine, gemütlicher Tour rund ums Ferienhaus in der Margeride, der einstigen Grafschaft Gévaudan. Der Name ist heute eher mit der Geschichte eines im 17. Jh. angeblich wütenden Wolfes verbunden, der Anlass zu Filmstoff gab. Die in der Nähe von Marvejols im Freigehege „Les loups du Gévaudan“ lebenden Wölfe aus verschiedenen Kontinenten werden keiner Jungfrau gefährlich. Forellenbäche, Granitfelsen zwischen Heide und Nadelbäumen und Abhänge mit Weiden bestimmen das Landschaftsbild der Margeride. In diesem Gebiet siedelte im 1. Jh. der gallische Volksstamm der Gabales, dessen Hauptansiedlung das heutige Dorf Javols war. Die Eroberung durch die Römer verlief eher friedlich, sie gaben der eingenommenen Hauptstadt sogar den Namen Gabalum. Ausgrabungen geben nach und nach Zeugnisse dieser Vergangenheit frei. Die geländegängigen Räder erlauben hier die Nutzung der Wald- und Feldwege, wo Dolmen noch eine frühere Besiedelung vermuten lassen. Die wenigen Weiler weisen eine ausgesprochen schöne, harmonische Granitarchitektur vor. Erhaltene Gemeinschaftsbacköfen werden von Bewohnern manchmal noch zu Dorffesten angeheizt, dann zieht Brotduft wie in alten Zeiten zwischen den Häusern hindurch. Hunde dösen mitten auf der Gasse in der Sonne und heben beim Anblick der Radfahrer höchstens mal ein Auge. Friedliche Stille, die zur Rast unterm Apfelbaum verlockt. Auf den kleinen Landstraßen zwischen den Ansiedlungen kommt selten ein Auto entgegen, morgens Bäcker und Postbote, nachmittags ein Kleinbus mit Schülern. So gesehen sind ausgewiesene Fahrradwege überflüssig.

Auch die große Lozère-Rundfahrt von insgesamt 600 km führt vorwiegend über Nebenstraßen. Mit Tagesetappen zwischen 85 und 113 km, und manchmal ordentlichen Höhenunterschieden, eine sportliche Sechstagetour von einem Ort zum andern. Dabei werden alle vier Landschaften der Lozère durchquert. Bei unseren weniger ambitionierten Ausflügen fahren wir immer wieder mal über Teilstrecken dieser „Tour de Lozère“. Auch so durchstreifen wir unterschiedliche Landstriche und entdecken viel Sehenswertes. Erstaunlich, wie viel mehr man auf einem Drahtesel sieht. Selbst auf uns bekannten Wegstrecken fällt uns Neues auf. Wieso haben wir die romanische Kirche und die alte Linde ohne Wipfel in Prévenchères damals nicht wahrgenommen und ein anderes Mal auf einer Fahrt durch das Altier-Tal die Burgruine über dem gleichnamigen Ort übersehen? Selbst wenn man auf die Strecke über den höchsten Berg der Lozère, den 1.541 m hohen Finiels verzichtet, den Robert Louis Stevenson mit seiner Eselin Modestine überquerte, bieten sich von den Höhen immer wieder grandiose Ausblicke.

Vom Pass Le Thort über das Allier-Tal weit über die Berge der Ardèche. Auf der weiteren Strecke im mittelalterlichen La Garde Guerin in die Schlucht des Chassezac. Touristen drängen sich durch die Pflastergassen des Dorfes an der einstigen Handelsstraße Voie Régordane. Aus der Tiefe der Schlucht klettert eine Gruppe in Badeanzügen heran, Fans der neuen Sportart „Canyoning“, sprich Wildwasserwandern.

Auch eine gemütliche Tour führt im Norden über eine Teilstrecke der Lozère-Rundfahrt durch die nur wenig besiedelten Landstriche bei Grandrieu, einem von Granithäusern bestimmten, recht belebten Ort. Kilometerweit radeln wir danach, ohne ein Dorf oder Weiler zu erreichen, kleine Waldstrecken wechseln mit langen Fahrten durch Felder und Weiden. Es verwundert nicht, dass sich in der Nähe von Sainte Eulalie ausreichend Platz für ein Wisent-Freigehege fand. Aufgrund der Ausdehnung kann es auch mit einer Kutsche besichtigt werden. Bei unseren Radausflügen blieb dieses Mal der Süden mit den Karsthöhen der Causse Méjean und den wilden Schluchten von Tarn und Jonte ausgespart. Doch besagt ein französisches Sprichwort, man möge sich immer einen Grund zum Wiederkommen behalten. Einmal Lozère und dann immer wieder, auch per Rad.

Plus Pocketguide mit Tourentipps:

 
  • Großartige Natur - Große Lozère-Rundfahrt
  • Römergrab und Thermen - Rundfahrt Causse de Mende
  • Im Lande der Gabales - Rund um Javols
  • Weiden bis zum Horizont - Fahrradtour Aubrac