Seit im 19. Jh. Célestin Passet und Henri Brulle die Dreitausender eroberten, der Schriftsteller Victor Hugo die Schönheit der Pyrenäen beschrieb, übt das mächtige Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. 

Der mythische Fernwanderweg GR 10 durchquert die Pyrenäen vom Atlantik bis zum Mittelmeer. Auf der 470 km langen Strecke in Midi-Pyrenäen folgt ein grandioses Naturerlebnis dem anderen.

Naturschauspiele und Dreitausender

Wanderer erreichen die Zentralpyrenäen bei Arrens-Marsous im Departement Hautes-Pyrénées. Danach durchquert der GR 10 vom Azun-Tal zum Aure-Tal den Pyrenäen-Nationalpark mit einer außergewöhnlichen Fauna und Flora. Hier ist an jedem Wandertag eine andere kleine Schönheit am Wegesrand zu entdecken. In dieser grandiosen Berglandschaft reihen sich mehrere Naturschauspiele, die zu den Grands Sites in Midi-Pyrenäen gehören. Vorbei am Bergsee von Gaube, der seinen klaren Wasserspiegel vor der Kulisse des majestätischen Vignemale-Gipfels ausbreitet, erreicht der Fernwanderweg die schäumenden Wasserfälle von Pont d‘Espagne. Der Wildbach rauscht bis in das Kurstädtchen Cauterets hinunter, wo sich schon die reisefreudige Schriftstellerin Georges Sand erholte und Victor Hugo sich mit seiner Geliebten Juliette Drouet vergnügte. Der Ausflug nach Gavarnie veranlasste den Schriftsteller, den aus einem Eiszeitgletscher entstandenen Felskessel als ein „Kolosseum der Pyrenäen“ zu bezeichnen. Rund um den Cirque de Gavarnie reihen sich die majestätischen Dreitausender des Mont Perdu-Massivs. Die schönsten Ausblicke auf den 14 km umfassenden Felskessel mit dem höchsten Wasserfall Europas (400 m), bieten sich vom GR10. Von hier aus ist auch die von Legenden umwobene Roland-Bresche zu erreichen.

Refugium für bedrohte Tierarten

Im Barèges-Tal zeugen die halb in den Hang gebauten und von Gras bedeckten Schäferhütten aus Natursteinmauern davon, wie sich die Hirten in früheren Zeiten vor Lawinen schützten. Nach dem 2.509 m hohen Pass von Madamète betreten Wanderer das Naturreservat von Néouvielle, wo die letzten Exemplare des Pyrenäen-Desmans, eine Maulwurfart, eine sichere Zuflucht gefunden haben. Auf den Abhängen wachen Murmeltiere und verschwinden mit einem schrillen Pfiff in ihren Löchern. Wie mitten in diese Berglandschaft hingeworfene Spiegel reihen sich kleine Seen unterhalb der majestätischen Dreitausender des Néouvielle-Massivs, das damit im wahrsten Sinn des Wortes zu den Höhenpunkten des GR 10 gehört. Hier liegt die Heimat der Pyrenäengämsen, Isards, und der Himmel ist das Reich der Königsadler. Die von der Witterung geformten toten Bäume in den Torfgebieten am Seeufer wirken wie ein surrealistisches Gemälde und bilden den Lebensraum für allerlei Kleingetier. 

Warmes Wasser für Wanderer

Unterhalb des 2.215 m hohen Passes von Portet öffnet sich das weite Aure-Tal, durch das einst die Bauern und Hirten nach Spanien zogen. In früheren Zeiten verliefen die frequenterierten Wege der Pyrenäen durch die Hochtäler in nordsüdlicher Richtung. Sie dienten den Bauern zum Austausch von Vieh und Waren. Auch so mancher Jakobspilger vertraute den Ortskenntnissen der Hirten, um auf diesen Pfaden Spanien zu erreichen. Zwar durchquert der GR 10 die Pyrenäen von West nach Ost, doch folgt er immer wieder einem Tal, wie im Val Louron. 
Im Sommer schweben Gleitschirmflieger am Himmel, im Winter toben Skifahrer über die Pisten der umliegenden Skidörfer. Doch in jeder Saison entspannen sich Wanderer und Sportler gerne in einer der zahlreichen Thermalbad-Anlagen der Pyrenäen, wie in der Anlage Balnéa im Dorf Loudenvielle am Bergsee von Genos-Loudenvielle. Bevor der Wanderer das Thermalstädtchen Bagnères de Luchon erreicht, veranlasst der von Steilfelsen umgebene See von Oô zu Begeisterungsrufen, die dem Gewässer seinen Namen gaben. Im Wellness- und Fitness-Bereich der Thermen mit dem einzigen Naturdampfbad Europas schwitzt man sich gern die Wandermüdigkeit heraus. 

Brauchtum und UNESCO-Welterbe

Auf der weiteren Strecke durch das Departement Ariège-Pyrenées bleiben die Passwege des GR 10 unter 2.000 m, doch hier hat die Erosion im Schiefergestein tiefere Täler mit steileren Hängen gegraben. „Orris“, Schutzhütten aus Trockenmauern mit einem Grasdach, erzählen davon, wie sich die Bergbauern ihrer Umwelt anpassten. Heute besteht die überlieferte Weidewirtschaft vorwiegend in der Schafzucht. Bei Serre d‘Arraing fällt der Blick weit über die Couserans-Landschaft, in der das Brauchtum erhalten ist. Noch immer klappern bei den beliebten Volksfesten im Bethmaler Tal die mit hohen Spitzen versehenen Holzschuhe. Viel weiter unten erhebt sich über dem Ufer des Salat der mittelalterliche Ort Saint-Lizier. Die romanische Kirche aus dem 11. Jh. mit bemerkenswerten Fresken und einem Kreuzgang ist ein UNESCO-Welterbe und eine wichtige Etappe der Jakobspilger auf der Pyrenäen-Route nach Compostela. Saint-Lizier wurde in der Auswahl „Ariège, 14000 Jahre Geschichte“ als Grand Site in Midi-Pyrenäen ausgezeichnet. 

Der GR 10 verläuft nun teilweise durch den Regionalen Naturpark Pyrénées-Ariégeoises mit dem Schutzgebiet Mont Valier. Der 2.838 m hohe Gipfel, der sich über lichten Buchenwäldern erhebt, war im vergangenen Jahrhundert ein Schicksalberg. Den beschwerlichen Passweg „Chemin de la Liberté“ beschritten damals viele Verfolgte, um nach Spanien und in die Freiheit zu gelangen. Zwischen Felsen wachsen Heidelbeeren und Heidekraut, im Frühjahr bilden Alpenrosen weit leuchtende Blütenteppiche. Es ist der Lebensraum von Auerhähnen und Schneehühnern. Das Rauschen des 246 m hohen Wasserfalls von Ars begleitet Wanderer auf dem Weg zum Kurort Aulus-les-Bains, eine weitere Gelegenheit, sich in warmen Quellen zu entspannen. Auf den Almwiesen hoch über Aulus verbringen die schwarzen Merens ihren Sommer in der Freiheit. Dort werden auch die Fohlen geboren. Diese uralte Pferderasse war für die Bergbauern einst unentbehrlich bei der Arbeit, heute sind diese trittsicheren Pferde bei Freizeitreitern beliebt. In Mérens-les-Vals verlässt der GR 10 das Department Ariège-Pyrenées auf dem Weg nach Süden. Bevor der Wanderer ab hier dem Mittelmeer zustrebt, lohnt es sich, in diesem stillen Bergdorf noch einen Blick auf die Ruine der Kirche Saint-Pierre mit einer kuriosen, von Gras bewachsenen Apsis. Es ist das älteste Zeugnis der Romanik in der Region.


Alternative Wandertouren:

  • Die anspruchsvolle Überquerung der Pyrenäen auf der Haute Route Pyrénéene (HRP), die vorwiegend auf Gratstrecken verläuft und nicht durchgehend gekennzeichnet ist.
  • „Chemin des Bonhommes“, die Strecke von Montségur ins spanische Berga folgt den 
  • Fluchtwegen der im 13. Jh. verfolgten Katharer-Prediger.
  • Für alle Pyrenäen-Wanderstrecken in Höhen zwischen 878 und 2.734 m ist eine gute Kondition und Tourenerfahrung erforderlich. Beste Wanderzeit: Juni bis Oktober. 
  • Zahlreiche Thermen entlang der Strecke oder in der Nähe verfügen über Wellness-Bereiche.

Info:
www.tourismus-midi-pyrenees.de
Rubriken: Wandern und Wohlfühlen. 
Kleine Filme zum Einstimmen bei Youtube „TourismusMidiPy“