Diese drei- bis viertägige Überquerung des Erzgebirges bietet zauberhafte Erlebnisse und eine eindrucksvolle Naturkulisse. Mit sanfter Steigung geht es durch das Vorland des Erzgebirges und über dessen Kamm in die Tschechische Republik. Ein Artikel aus dem Wandermagazin-Archiv von 2003.

Da auf der deutschen Seite der Kamm des Erzgebirges sanft nach Norden hinabfällt, sollte man in Freiberg starten und mit vergleichsweise geringer Steigung den Kamm besteigen. Die Anreise nach Freiberg kann man bequem mit der Bahn vollziehen. Aktuell ist wegen Streckensperrungen die Rückreise ab Litvinov nur über Prag, Leipzig nach Dresden möglich. Die erste Etappe so bemessen, dass man bequem den Startpunkt erreichen kann und bereits am ersten Tag vom Wandervergnügen profitiert.

1. Etappe: Freiberg – Weigmannsdorf  14 km
2. Etappe: Weigmannsdorf – Sayda     19,5 km
3. Etappe: Sayda – Deutscheinsiedel   13 km
4. Etappe: Deutscheinsiedel – Litvinov 14 km

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Durch das ehemalige Bergbaugebiet von Brand-Erbisdorf

Die Ortschaft Brand-Erbisdort, die wir ca. 5 km nach dem Start in Freiberg erreichen, entstand im 12. Jh. in Form eines Waldhufendorfes.

Waldhufendörfer sind eine spezifische ländliche Siedlungsform mit regelmäßigem Grundriss, die im Erzgebirge und dessen Vorland häufig zu finden ist, hauptsächlich in Rodungsgebieten. In einem Waldhufendorf liegen sich zwei Reihen relativ breiter Streifen landwirtschaftlichen Grundbesitzes gegenüber, wobei sich die Hofanlagen am straßenseitigen Rand des jeweiligen Streifens befinden.

Die weitere Entwicklung von Brand-Eibisdorf wurde durch Silber- und Bleierzfunde stark gefördert und geprägt. Im Bewusstsein der Bedeutung des Bergbaus für die an der Sächsischen Silberstraße gelegenen Stadt hat man dem Wanderer 50 Einzeldenkmale und ein Bergbaumuseum zugänglich gemacht. Außerdem erinnert ein jährlich am Himmelfahrtstag stattfindendes Haldenfest an den Grund des einstigen Wohlstandes, aber auch an die schwere Arbeit der Bergleute. Unsere Wanderroute erreicht den Dreibruderschacht, der das erste Kavernenkraftwerk der Welt enthielt, welches von 1914 bis 1968 elektrische Energie lieferte. Dabei wurde das Wasser aus 135 m Höhe auf Turbinen geleitet. Zu sehen sind auch der Konstantinteich, der das Wasser für die Erzwäsche lieferte und mehrere Huthäuser sowie die Mordgrube, ein stillgelegtes Bergwerk, mit dem Mendenschacht.

Kirche in Mulda

Auf aussichtsreichen Wegen 

Nach einem Besuch des Erzengler Teiches nach 8,5 km, der bis 1913 die wichtigste Wasserversorgung des hiesigen Silberbergbaus darstellte und heute der Brauchwasserversorgung Freibergs und als Badeteich dient, erreichen wir einen Hügel, der uns neben den Ortschaften der Umgebung bis Frauenstein und zu den Bergen um Oberwiesenthal blicken lässt. Die sogenannte Gerichtsstraße ist ein aussichtsreicher Höhenweg. Wir genießen den Abend bei angenehm kühlem Wind, der auf den Getreidefeldern Wellen erzeugt und die Blumen am Wegesrand wiegt. Nach dem romantisch gelegenen Weigmannsdorf, dem Ende der ersten Etappe, sind noch einige Anstiege zu bewältigen, ehe wir nach Mulda absteigen. Dabei sieht man zunächst nur wenige Dächer und die Kirchturmspitze, da alle Häuser von großen Bäumen umgeben sind.
 

„Am Morgen, da nimm den Wanderstab, es fallen deine Sorgen wie Nebel von dir ab“

Das schrieb Theodor Fontane und wir folgen seinem Rat, indem wir nach einer kalten und klaren Nacht bei strahlendem Sonnenschein auf Feldwegen in Richtung Süden weiterwandern. Blaue Vogelwicken, weiße Wucherblumen, Heckenrosen und Holunder säumen den Weg. Bald erreichen wir ein Waldgebiet mit weichen, grasbewachsenen Wegen. Hier finden wir auf einer sonnigen Lichtung den Fingerhut mit seinen großen roten Blüten.

„Des Himmels heitere Bläue lacht dir ins Herz hinein und schließt wie Gottes Treue mit seinem Dach dich ein“

So wandern wir weiter mit Fontane und gelangen zu den über einen Hang verstreuten Häusern des Weilers Wolfsgrund. Die umgebenden ausgedehnten, vor dem ersten Schnitt üppig blühenden Wiesen sind von vielen Bäumen bestanden. Das ehemalige Gasthaus am Weg ist leider nach einem Schwelbrand im November 2019 geschlossen. Trotzdem, wer würde hier nicht tagelang verweilen und die Zeit mit Wandern und Lesen verbringen wollen?

„Rings Blüten nur und Triebe und Halme, von Segen schwer. Dir ist als zöge die Liebe des Weges nebenher“

Mit diesen Gedanken an Fontane wandern wir auf der Alten Saydaer Straße über eine große Rodungsfläche, die aber bald durch ein Waldgebiet aufgelockert wird und nie eintönig wirkt. In der Ferne erblicken wir hohe bewaldete Bergketten und erstmals auch den Kamm des Erzgebirges, die Grenze zur Tschechischen Republik. Während an solchen Sommertagen weite Teile Deutschlands unter großer Hitze und Schwüle leiden, zeigt das Rucksackthermometer nur 22° Grad. Der angenehme, frische Wind und die einladende Landschaft bieten nahezu ideale Wanderbedingungen. Bald grüßt aus der Ferne der Turm der Stadtkirche von Sayda, die 1391 erbaut wurde und prächtige Epitaphe enthält.

Meilenstein in Sayda

Auf der Alten Salzstraße von Sayda nach Neuhausen

Schon im Jahr 973 benutzte der arabische Händler Ibrahim Jacob diese auch als Böhmischer Steig bezeichnete Fernhandelsstraße. Auf ihr gelangten fast 1000 Jahre lang die Salzfuhrwerke von Halle aus nach Prag. Die Reste des Weges sind heute noch als Hohlwege zu erkennen. Zur Sicherung dieser Straße wurde 1250 die Geleitsburg Purschenstein gegründet und Sayda als Handelsplatz gefördert. Sayda hatte bereits im 13. Jh. eine Umwallung aus Erdwällen und Gräben und erhielt 1442 die Stadtrechte. Vor dem ehemaligen „Hospital zu St. Johannis“ von 1508 steht ein sehr gut erhaltener Königlich-Sächsischer Meilenstein. Diese Steine wurden ab 1858 aufgestellt mit Entfernungsangaben in Sächsischen Postmeilen, wobei eine Meile 7.500 m entspricht. Als 1875 in Deutschland das metrische Sytem eingeführt wurde, verloren die Meilensteine ihre Bedeutung. Sayda ist daher der ideale Übernachtungsort für das Ende der 2. Etappe.

Über den Schwartenberg nach Seiffen

Von der Felsenkuppe genießen wir den Blick über das Gebiet der oberen Flöha und erkennen sogar in der Ferne den Fichtelberg. Bei etwa 25° Grad und einem warmen Südwind steigen wir nach Seiffen, dem Zentrum der erzgebirgischen Volkskunst ab. Der Name ergab sich aus dem Auswaschen des Zinnerzes. Der Höhepunkt des Abbaus lag im 18. Jh., 1849 wurde dann die Förderung eingestellt. Die Kirche entstand im 18. Jh. nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkirche. Kuppel und Turm ruhen auf acht Säulen, die ein regelmäßiges Achteck bilden.

Die große Grenz-Überschreitung

Nach starkem nächtlichem Regen steigen wir bei angenehmen Temperaturen von etwa 20° Grad an dem bewaldeten Hang des Ahornberges vorbei nach Deutscheinsiedel, wo wir nach der dritten Übernachtung die Staatsgrenze überschreiten. Nach den letzten Häusern von Mnišek führt unser Weg durch ein feuchtes Wiesengebiet auf dem der rosa blühende Schlangenknöterich und einzelne wenige Bäume auffallen. Das einsame, moorige Gelände gestattet in südwestlicher Richtung den Blick auf einen hohen dicht bewaldeten Bergkamm des tschechischen Erzgebirges (Krušne hory), und rückblickend sehen wir nochmals den Ahornberg. Bald erreichen wir ein ausgedehntes Waldgebiet und wir beginnen unseren Abstieg. Zunächst wandern wir auf einer Straße, von der uns aber bald eine Abzweigung zu der Felsengruppe Haselstein (Jeřabina) führt. Von dem 788 m hohen Aussichtspunkt haben wir einen äußerst eindrucksvollen Blick auf ein wahres Wäldermeer, überwiegend aus Laubbäumen, das die mächtigen Bergflanken des Erzgebirges hier überzieht. In der Ferne sehen wir den tief liegenden Egergraben mit der Stadt Most (Brüx) und etwas weiter östlich die markanten Phonolithkuppen des Böhmischen Mittelgebirges. Vom Nordhang des Stausees ergeben sich dann nochmals einige imposante Tiefblicke auf steile bewaldete Hänge, ehe bei Lounice nach langer Zeit der Einsamkeit wieder einmal die Dächer einer Siedlung zu sehen sind. Durch die nun geringere Höhenlage umgeben uns jetzt sommerliche Wärme und die Trockenheit liebende Pflanzen wie Heidenelken und Silberfingerkraut, wodurch das Gefühl einer Gebirgsüberschreitung nicht eindrucksvoller werden könnte. Mit dem glücklichen Rückblick auf ein großes, grenzüberschreitendes Wandererlebnis erreichen wir gegen 15 Uhr den Bahnhof von Litvinov mesto.

Konrads Tour im Tourenportal © Mapbox © OpenStreetMap

 

Dr. Konrad Lechner ist passionierter Wanderführer im In- und Ausland und wurde 2008 zum Ehrenwanderführer des Deutschen Wanderverbandes ernannt. Die beliebte Serie "Konrads Überquerungen" erschien von 2002-2012 im Wandermagazin. Wir holen die Touren über große und kleine Gebirgszüge nun aus dem Archiv und veröffentlichen sie hier in überarbeiteter Fassung.