Wir verbinden mit einem guten Produkt eine hochwertige, kompetente und individuelle Produktion

Diese Vorstellung entstammt den Zeiten des Handwerks. Vor allem glauben wir, dass die Macher des Produktes davon leben können. Das stimmt aber leider oft nicht. Ob Sozialstandards eingehalten werden, das lässt sich am Produkt selbst nicht ablesen. An welchen Merkmalen kann man sich aber orientieren? Eines ist klar: Die Hersteller müssen Sozialstandards WOLLEN, anders geht es nicht. Für Entscheider, Investoren, Auftraggeber sind aber oftmals andere Faktoren wichtiger als Sozialstandards. Gewinnmaximierung zum Beispiel. Ausbeutung wird billigend in Kauf genommen und behauptet, der Kunde wolle schließlich ein möglichst billiges Produkt. 

Ich bezweifle, dass der Kunde Produkte will, die Kinder herstellen, anstatt in die Schule zu gehen. Ich bezweifle, dass der Kunde Produkte will, die Frauen herstellen, die am Arbeitsplatz missbraucht und gedemütigt werden. Ausbeutung, gesundheitlich katastrophale Bedingungen, fehlende Fluchtwege bei Großbränden, einstürzende Werkhallen oder gar Morddrohungen gegen Gewerkschaftler oder Arbeiter, die sich für faire Arbeitsbedingungen einsetzen – ich bezweifle, dass der Kunde das will. Produkte an denen Blut klebt, Produkte, von denen die Menschen, die sie herstellen, selber nicht leben können. Ich bezweifle, dass der Kunde solche Produkte will

Was meinen wir eigentlich, wenn wir von „Sozialstandards“ sprechen? Sozialstandards beruhen auf der Menschenrechtserklärung und den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation International Labour Organisation (ILO) der Vereinten Nationen.

Echte Sozialstandards beinhalten:

Freie Wahl des Arbeitsplatzes, keine Zwangsarbeit

• Keine Diskriminierung von Arbeitskräften

• Keine Kinderarbeit

• Die Möglichkeit zur Gründung von Gewerkschaften
  sowie die Durchführung von Kollektivvertragsverhandlungen

• Bezahlung eines existenz-sichernden Lohns

• Angemessene Arbeitszeiten – wöchentlich maximal 48 Stunden,
  ein freier Tag pro Woche

• Sichere Arbeitsbedingungen, die die Gesundheit nicht gefährden

• Verbot physischer oder sexueller Gewalt in jeder Form

• Rechtlich bindende Arbeitsverträge, in denen alle wichtigen
  Punkte des Arbeitsverhältnisses geregelt sind.

Die ILO gibt es schon lange – seit 1946 mit der Gründung der UN bzw. streng genommen sogar schon seit 1919 mit dem Vertrag von Versailles. Heute gehören der ILO 187 Mitgliedsländer an und dennoch hört und liest man immer wieder von Ausbeutung, Kinderarbeit, Aussperrungen, Hungerlöhnen, Überwachung und dem Verbot, sich für seine Rechte einzusetzen, bis hin zu Großbränden oder eingestürzten Produktionsstätten mit vielen Toten. Das Problem ist nämlich, dass die Umsetzung der ILO-Richtlinien auf Freiwilligkeit beruhen – und daran scheint es zu hapern.

Nur Multistakeholder-Initiativen wirken Fast jeder Hersteller hat sich selbst einen Verhaltenskodex zum Thema Sozialstandards auferlegt, der auf den ILO-Richtlien basiert – auch Billigketten und Unternehmen, die an den Skandalen und Katastrophen der Vergangenheit beteiligt waren. Wie passt das zusammen? Papier ist bekanntlich geduldig. Erst wenn Firmen bereit sind, sich und ihre Bemühungen von unabhängiger Stelle kontrollieren und auditieren zu lassen – unangekündigt, permanent und umfassend, sind Fortschritte zu erwarten. Idealerweise ist die Organisation, die auditiert, eine Multistakeholder-Initiative (MSI), bestehend aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Zudem muss die Organisation, soll sie wirksam sein, Sanktionsmöglichkeiten haben, also bei Nichteinhaltung der Standards oder Nichtumsetzung der Verbesserungsvorgaben Mitglieder auch auszuschließen. Nur so verbessern sich Arbeitsbedingungen tatsächlich

Transparenz und externe Kontrolle lassen Firmen nur dann zu, wenn sich was ändern soll, denn die Umsetzung hoher Sozialstandards bedeutet immer auch viel Arbeit, hohe Kosten und setzt Kritikfähigkeit und den Willen zur Verbesserung voraus. Peter Schöffel, Inhaber der Firma Schöffel bringt „das Wollen“ für Schöffel auf den Punkt. „Wir sind Mitglied der Fair Wear Foundation (FWF), weil der Name, der auf den Produkten steht, auch im Pass meiner Kinder steht.“ Nicht jede Mitgliedsmarke der FWF hat solch einen direkten Grund für ihr Engagement, aber allen ist gemein, dass sie es wollen – und deshalb auch machen. 

Fair Wear Foundation und weitere Vorreiter Die FWF ist der Vorreiter, wenn es um die transparente und konsequente Umsetzung von Sozialstandards geht. Die FWF gilt als die strengste Verfechterin der Sozialstandards, bis hin zu den umstrittenen „Living Wages“, also Löhnen von denen man eine vierköpfige Familie durchbringen kann – inklusive Schulbildung. Die FWF ist eine MSI und eine Non Governmantal Organisation (NGO) sowie eine Non-Profit Organisation, also nicht auf die Erwirtschaftung von Gewinn angewiesen. Das heißt, dass sie unabhängig ist und die Interessen aller an der Produktion beteiligten Personen berücksichtigt – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 

Viele Hersteller der Outdoorbranche setzen sich tatsächlich für gerechte und faire Produktionsbedingungen ein und lassen sich deshalb von der FWF auf die Finger gucken und auditieren. Gegenwärtig sind Deuter, Dynafit, Gonso, Haglöfs, Jack Wolfskin, Kjus, Maier Sports, Mammut, Mounatin Equipment, Mountain Force, Odlo, Ortovox, Picture, Pyua, Salewa, Schöffel, Sprayway und Vaude Mitglied der FWF. Neben der FWF gibt es weitere MSIs wie die Ethical Trading Initiative (ETI), die Fair Labor Association (FLA), Social Accountability International (SAI) oder die Workers Rights Consortium (WRC). 

Wer meint es ernst? Wenn man also wissen will, ob es eine Firma ernst meint, sollte der erste Blick der Organisationsform des Auditierers gelten. Die Clean Clothing Campaign und deren deutscher Ableger, die Christliche Initiative Oscar Romero (CIR), kritisieren und belegen immer wieder, dass die schlimmsten Verstöße gegen oder die Nicht-Einhaltung der ILO-Standards weiterhin dort geschehen, wo keine MSI die Umsetzung kontrolliert. 

Freiwilligkeit mag erstrebenswert sein, aber ohne unabhängige Kontrollen hat die Freiwilligkeit in den seltensten Fällen zur Verbesserungen der Sozialstandards geführt. Bei den großen Katastrophen der vergangenen Jahre, die von Rana Plaza (2013) oder beim Feuer bei Ali Enterprises (2012), waren viele der dort produzierenden Firmen Mitglied der ‚Business Social Compliance Initiative’ (BSCI), eine freiwillige Arbeitgeberinitiative für bessere Arbeitsbedingungen, ohne dass es diese gegeben hätte. Die Plattform „FAIRantwortlich denken und handeln in Unternehmen“ von Earthlink e. V. schreibt dazu: „Der BSCI ist keine unabhängige Multistakeholder-Initiative, in der Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs gleichberechtigte Mitglieder sind. Generell lässt sich feststellen, dass Verhaltenskodizes – trotz zu beobachtender glaubhafter Bemühungen – mit dem Makel behaftet sind, nur als Mittel der Imagepflege zu dienen.“ Der BSCI hat eigenen Angaben zufolge 1970 Mitglieder – Importfirmen, Marken, Großhändler, Holdings oder Assoziationen. Wäre die Mitgliedschaft ein Garant dafür, dass Sozialstandards umgesetzt und eingehalten würden, wäre ein Arbeitsplatz in der Textilindustrie weltweit ein Paradies. Die Realität sieht anders aus. 

Daher: Transparenz und unabhängige externe Kontrolle sind die wichtigsten Faktoren, wenn Sozialstandards umgesetzt werden sollen. Das entsprechende Label auf dem Produkt zeigt an, wo die Firma steht. Der Verbraucher kann mit seinem Einkauf Politik machen. Aber er muss auch WOLLEN