Wandern aus purer Verzweifelung ist das Schicksal von Raynor Winn und ihrem Mann Moth. So mancher mag sich einen Fernwanderweg vornehmen, weil ihn ein Schicksalsschlag niederschmettert. Doch die wenigstens wandern los, weil sie kein Zuhause mehr haben.
Pfad der Tränen
Der Tränenpfad wäre auch ein passender Titel gewesen. Beim Lesen stehen einem mehrfach die Tränen in den Augen. Der Autorin und Protagonistin des Buches, Raynor Winn, geht es nicht anders auf ihrer Wanderung des South West Coast Path in England und Wales. Winn wandert mit ihrem Mann Moth in der Hoffnung los, beim Wandern einen Ausweg zu finden. Denn gleich zwei Schicksalschläge werfen das Leben der beiden, die schon seit über 32 Jahren ein Paar sind, aus der Bahn. Weil sie dem falschen Freund vertrauen, verlieren sie ihr Zuhause, ihre Farm in Wales. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, bekommt Moth die Diagnose, an einer unheilbaren Nervenkrankheit zu leiden. Die Krankheit quält Moth mit Schmerzen in den Muskeln und die Auseinandersetzung mit dem Tod wird ihr ständiger Begleiter.
Heimatlose Wanderer
Mit dem Mut der Verzweifelung und auch weil sie niemandem auf der Tasche liegen wollen, begeben sie sich auf Wanderschaft. Sie kratzen ihr letztes Geld zusammen, um ein günstiges Zelt und Schlafsäcke zu kaufen und folgen einem alten Traum. Doch schon bald merken Raynor und Moth, dass es einen Unterschied macht, ob man unterwegs ist, um seinem stressigen Alltag zu entfliehen und mal eine Auszeit zu nehmen oder ob man kein Zuhause mehr hat. Sobald die Menschen erfahren, dass sie obdachlos sind, werden die beiden oft ganz anders und sehr viel abschätziger behandelt. Um Vorverurteilungen zu entgehen, verbergen sie den wahren Grund ihrer Wanderschaft. Dabei werden die zwei sensibel für Menschen, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Und so ist das Buch eine sehr bewegende Wandergeschichte und auch Gesellschaftskritik.
Der Weg als Lebensinhalt
Ihr Weg führt sie an der äußersten Westküste der Britischen Insel von Minehead nach Poole auf über 1.014 Kilometern auf Großbritanniens längstem Fernwanderweg, der einst angelegt wurde, um Schmuggler aufzuspüren. Obwohl Moth zu Beginn der Reise teils kaum vor Schmerzen laufen kann, geht es ihm gesundheitlich immer besser. Und während ihre Haare und die Haut zunehmend von Salz verkrusten, wollen sie nichts anderes mehr als diesem Weg zu folgen und haben Angst vor dem Tag an dem sie ihr Ziel erreichen.
Fazit
Das Buch erzählt die Geschichte einer großen Liebe, von der heilenden Kraft der Freiheit und macht Mut nicht aufzugeben, auch wenn die Lage vollkommen aussichtslos scheint. Das Buch inspiriert auf ehrliche und schonungslos Weise und bleibt dabei frei von Kitsch.
Raynor Winn: Der Salzpfad
330 Seiten, DuMont Reiseverlag
14,99 €, ISBN: 978-3-7701-6688-6
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