Von Thorsten Hoyer

„Keiner ist zu gering, die Welt zu verändern.“ Unter dem Zitat ein Bild des Mannes, von dem es stammt: Rüdiger Nehberg. Auf dem Kopf trägt er seine typische „Sir Vival“-Mütze und er lächelt – es mischt sich Lausbubenhaftes mit überzeugter Entschlossenheit. Dem Foto liegt ein Brief bei, in dem mir seine Frau Annette schreibt, dass Rüdiger am 01. April 2020 im Alter von 84 Jahren verstorben ist. Rüdiger, Sir Vival, der große Abenteurer und Aktivist für Menschenrechte, der Gründer von TARGET. TARGET, seit 13 Jahren sind meine Frau Uli und ich Fördermitglied in der von Rüdiger gegründeten Menschenrechtsorganisation.

Wir kennen uns sogar noch zwei Jahre länger. Im Frühjahr 2005 veranstaltete ein Freund von mir in Marburg einen Vortrag mit Rüdiger Nehberg. Im Anschluss berichtete er über seine Arbeit mit TARGET. Da war Rüdiger 69 Jahre und es haute mich um, mit welcher Power er sich bewegte und wie kraftvoll und entschlossen seine Worte waren. Das Publikum gab stehenden Applaus und ich war zutiefst beeindruckt von diesem Mann. Da ich gerade in der Planung meiner ersten 150 km nonstop-Wanderung war, kam mir spontan die Idee, damit Spenden für TARGET zu sammeln. Nie hätte ich gedacht, dass ich noch am selben Abend mit Rüdiger zusammensitzen würde, er sich interessiert mein Vorhaben anhört und ebenfalls spontan seine Unterstützung zusagt. So lernten wir uns vor 15 Jahren kennen. Ich erinnere mich an das eine oder andere Erlebnis.

Da war der November 2008. Ich organisierte einen Vortrag mit Rüdiger. Ich war nervös, denn es war meine erste, komplett in Eigenregie organisierte Veranstaltung von solchem „Kaliber“. Am Nachmittag rief mich Rüdiger an und fragte, ob alles in Ordnung sei. Oh ja, es lief alles perfekt – bis zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn heftiger Eisregen einsetzte und die Straßen dick mit Eis überzog. Die Zeit rannte, der Parkplatz blieb leer. Rüdiger meinte nur, dass er einfach eine halbe Stunde später beginnen würde. Und tatsächlich trudelte in dieser Zeit der Großteil der Gäste ein.

Rüdiger zeigte bei seinen Vorträgen zunächst noch Dias. Da war bei den Vorträgen immer jemand mit ruhiger Hand gefragt, denn während der Vorträge mussten die Magazine mit den Dias einige Male gewechselt werden. Und so ein Diaprojektor kann auch schon mal etwas hakelig sein, da hieß es in vollbesetzten Sälen „ruhig Blut“ bewahren. Es kam vor, dass wir uns verabredeten und ich diesen Job übernahm. Manchmal war auch meine Frau dabei. Wie an jenem Abend, als sie Rüdiger zum Auto begleitete, um Bücher für seinen Büchertisch zu holen. Es dauerte, bis sie wieder da waren, lachend erzählten beide, dass sie mit dem Aufzug stecken geblieben seien. Mit Rüdiger Nehberg im Aufzug stecken bleiben – das dürfte wohl den wenigsten passiert sein.

Rüdiger hat Uli und mir auch eine ganz außergewöhnliche Freude gemacht, etwas sehr wertvolles. Zur Geburt unserer Tochter Svea schenkte er uns sein Buch „Sir Vival – Resümee eines extremen Lebens“ mit einer Widmung für sie. Da meine eigenen Unternehmungen seit einigen Jahren auch eine gewisse Extreme aufweisen, holte ich mir für mein Projekt „Negev nonstop“ auch Rat bei Rüdiger. Ich weiß noch genau, als wir zusammen saßen und Rüdiger „echt bekloppt“ sagte. Aus seinem Mund war das Motivation pur - und so ging ich es an …

Am 06. April ist sein neues Buch „Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen“, erschienen. Lesen wir es als sein Vermächtnis – denn „Keiner ist zu gering, die Welt zu verändern“.

Rüdiger Nehberg, auch als Sir Vival“ bekannt, war Survival-Experte und Menschenrechtsaktivist. Durch seine abenteuerlichen Reisen und Expeditionen machte er auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam. Im Jahr 2000 gründete er die Organisation TARGET. Außerdem ist er Autor zahlreicher Bücher.