Rennsteig, Wartburg und Eisenach bilden ein Zentrum deutscher (Wander-)Kultur

Den Westlichen Thüringer Wald könnte man auch den „nördlichen“ nennen, so diagonal führt er von Eisenach aus in südöstliche Richtung. Immer breiter wird dabei der waldreiche Rücken, von dem die Täler tief nach beiden Seiten herabfallen. Im Zentrum steht der weithin sichtbare Inselsberg. Überzogen ist dieser Naturraum vom mannigfaltigen, kulturellen Schaffen des Menschen. Deutlichster Ausdruck davon sind die zahlreichen Schlösser, Burgen, Klöster und Parks in der Region (siehe auch Reportage auf Seite 10). Herausragend im wörtlichen wie übertragenen Sinn ist die Wartburg, die ein bedeutender Handlungsort deutscher Geschichte war.

Alle Wege führ'n zum Rennsteig

Selbst das Wandern ist im Thüringer Wald höchst geschichtsträchtig. Denn über seinen waldreichen Rücken zieht der bekannteste Wanderweg Deutschlands hinweg: der Rennsteig. Exakt 168,3 Kilometer führt er seit der Festlegung des offiziellen Verlaufs durch Julius von Plänckner im Jahre 1829 von der Werra bis an den Oberlauf der Saale bei Blankenstein. Aber wie alle historisch gewachsenen Wege – man schaue sich nur an, wo heutzutage überall Jakobswanderwege wiederentdeckt werden – hat auch der erstmals 1330 erwähnte Rennsteig mehr als nur die eine offizielle Wegeführung. Zum Beispiel führt der Sallmannshäuser Rennsteig vom gleichnamigen Werradörfchen bis zum Ruhlaer Häuschen, wo er bei Rennsteigkilometer 21 auf die Hauptroute trifft (siehe auch Wandertipp). Einer der schönsten Abschnitte des gesamten Rennsteigwegenetzes liegt ohne Zweifel zwischen Beginn und Inselsberg. Offene Wiesenlandschaften wie am Großen Eichelberg oder rund um Clausberg wechseln sich dort mit ausgedehnten Buchenwäldern ab. Und immer wieder hat man phantastische Blicke auf die Wartburg, die sich thronend über ein Meer aus Wald erhebt!

Luther auf der Wartburg

Wartburg und Rennsteig sind untrennbar miteinander verbunden. Seit alters her wacht die Burg über den Beginn des Rennsteigs und wird von so manchem Eilboten oder Kurier, den Hauptnutzern des Rennsteigs, bevor die Wanderbewegung ihn für sich entdeckte, erleichtert nach einem Ritt durch die dichten Kammwälder des Thüringer Waldes erspäht worden sein. Heutzutage wirkt die Burg von weitem betrachtet immer noch mächtig und homogen, bei näherem Hinschauen erkennt man aber eine auffällige Uneinheitlichkeit des Baustils. An der Außenmauer treffen zum Beispiel Fachwerkwehrgänge auf romanische Sandsteinfassaden. Diese Mannigfaltigkeit der Architektur weist auf eine wechselvolle Geschichte hin, in deren Verlauf viele Persönlichkeiten und Ereignisse ihre Spuren hinterlassen haben. Überlagert werden sie alle ausgerechnet von einem Mann, der sich nicht unter seinem richtigen Namen in der Burg aufhielt. Junker Jörg war der Deckname, der es Martin Luther 1521/22 erlaubte, ungestört trotz Reichsacht, in Rekordzeit von nur wenigen Monaten das Neue Testament in die deutsche Sprache zu übersetzen. Damit legte er außerdem als „Ur-Duden“ die Grundlage für eine einheitliche Schriftsprache und erweckte das Wort Gottes, das sich bisher für viele hinter verstaubtem Latein versteckte, zum Leben.

Weitere Reportagen in diesem Special:

  • Die Täler des Rennsteigs: Themenwege rechts und links vom Kammweg
  • Eine Insel im Thüringer Wald: Wandern rund um den Inselsberg
  • Perlenkette und Lebensader: Wanderwege zum Kunstzentrum Gotha
  • Patchwork Thüringen: Warum gibt es in Thüringen so viele Burgen und Schlösser?

Tourentipps:

  • Sallmannshäuser Rennsteig
  • Pumpälzweg: Von der Wartburg nach Bad Salzungen
  • Pfeifenweg und Messerweg: Die Handwerkerwege im Thüringer Wald
  • Die Lutherwege im Thüringer Wald
  • Wintersteiner Inselsbergtour
  • Benediktiner Pfad
  • Graf-Gleichen-Weg: Von Gotha zur Veste Wachsenburg
  • Okumenischer Pilgerweg zwischen Gotha und Eisenach

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