Ganz klar, Wandertraumwetter sieht anders aus, denn es ist bewölkt, sogar nebelig, an dem Tag, an dem ich mich mit Antje von Dewitz treffe. Wir haben uns am Startpunkt eines neuen Premiumwegs am Bodensee getroffen. „Guckinsland“ heißt der Weg, nun, ob es viel zu schauen geben wird heute, das ist angesichts der Wetterlage fraglich, aber, wie sagt der Wandervolksmund, es gibt ja angeblich kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Womit wir direkt beim Thema sind, denn Antje von Dewitz produziert mit knapp 500 Mitarbeitern in Deutschland und nochmals 1.500 Menschen weltweit (in beauftragten Produktionsstätten) Kleidung und Rucksäcke für draußen. Vaude heißt die Outdoor-Firma aus Tettnang in Oberschwaben. Der Vater von Antje, Albrecht von Dewitz, hat sie gegründet und seine Initialen zum Firmennamen gemacht, ähnlich wie adidas (Adi Dassler) oder Haribo (Hans Riegel Bonn). Jahrelang habe ich nicht kapiert, dass Vaude „Fau-De“ ausgesprochen wird. Ich habe mir das vornehmer, französischer vorgestellt, und meinte, Vaude würde sich auf „Mode“ reimen und „Wooode“ ausgesprochen.

Wir wandern los, die leibhaftige Miss „Fau-De“ und ich, wir stapfen durch das Laub. Antje von Dewitz spricht schnell, ohne Dialekt, der Vater stammt nun mal aus Ostpreußen, da spricht man nicht automatisch den oberschwäbischen Dialekt, auch wenn es einen nach Tettnang verschlagen hat. Es geht bergauf, ich gerate beim Reden in leichte Schnappatmung, Antje von Dewitz dagegen klettert entspannt neben mir bergan. Dass Wandern, Radfahren, überhaupt Outdoor nicht nur beruflich ihre Leidenschaft ist, das nehme ich ihr sofort ab. Und bei ihr bedeutet Leidenschaft keineswegs etwas, das Leiden schafft. Während ich schwerfällig die Stufen des steilen Weges hinaufsteige, klettert Antje von Dewitz leichtfüßig auf dem unebenen Pfad neben den Stufen hinauf.

Wir erreichen das erste Highlight des 15 km langen Rundwegs, den Gehrenbergturm. Leider ist heute ein Wie-Sie-sehen-sehen-Sie-nichts-Tag, da nützt auch kein Aussichtsturm. Ich frage Antje von Dewitz, was sie für ein Wandertyp ist. Sie ist ein Familienmensch, auch beim Wandern, meistens ist sie auf kleineren Touren mit ihrem Lebensgefährten und den vier Kindern zwischen fünf und dreizehn Jahren im Bregenzer Wald unterwegs. Brennend interessiert es die Vaude-Chefin, ob ich denn Tipps hätte, wo man mit Kindern wandern gehen kann. Obwohl sie das Gehen mit Kindern eigentlich nicht „Wandern“, sondern  „Schlandern“ nennt. Aber eigentlich ist das gar kein Wandern für die Vaude-Chefin. Mehrtägige Touren, mit Rucksack und Zelt und Schlafsack, das ist ihr Ding. Ich komme mir mit meiner Tendenz zu eher genussreichen und bequemen Eintagestouren vor wie ein blutiger Wander-Novize. Ein Schlanderer eben. Aaaaber: Antje von Dewitz kommt wegen ihres Jobs nicht so oft zum Wandern, wie sie sich das wünschen würde. Wenigstens fährt sie jeden Tag sechs Kilometer in ihr Büro und zurück mit dem Fahrrad. Bei Wind und Wetter, über Stock und Stein. Typisch Antje. So hat die Outdoor-Firma Vaude unter ihrer Leitung einen schönen Wettbewerb ins Leben gerufen – das Mobilitäts-Lotto. Wer ohne Auto in die Firma kommt, der kann an einem wöchentlichen Gewinnspiel teilnehmen und schöne Preise gewinnen.

Nun findet sie, ist es aber auch mal gut mit der Bewegung. „Wann machen wir denn mal Picknick?“, fragt sie, nicht zum ersten Mal. Ich möchte auch „Vess-per“ machen. Antje (das „von Dewitz“ und das „von Andrack“ haben wir schnell abgelegt), Antje also lacht mich aus. „Das heißt doch nicht Vess-per, als wenn Helmut Schmidt das ausspricht, das heißt Veschper.“ Man muss dazu sagen, dass Michael Sänger, Chefredakteur des Wandermagazins, mit uns wandert und viele Fotos macht. Und in Sängers Rucksack ist, das kenne ich von vielen gemeinsamen Wanderungen, Schmalhans Küchenmeister. Aber natürlich machen wir jetzt Pause und lassen uns auf einem liegenden Baumstamm nieder. Ich packe meine kalte Mini-Pizza aus, Sänger seine Trinkflasche und Antje von Dewitz hat Brot dabei, eine Banane, Schokolade, die legt sie sich auf’s Brot, und Duplo. Ich bekomme Stielaugen und profitiere davon, dass Antje schwesterlich teilt. Während wir schmausen, eilt eine Frau mit Nordic Walking Stöcken durch den Wald. Auf dem Rücken hat sie eine Art Reisig-Rolle befestigt. „Bestimmt eine Bastelfrau“, urteilt Antje knapp. „Bastelfrau“ scheint hier im Badischen ein stehender Begriff zu sein. Aber so ein klein wenig ist Antje wohl auch eine dieser Bastelfrauen. Wenn ich höre, dass sie schon Mitte November zehn selbst gebastelte Adventskalender für ihre Kinder und alle Patenkinder fertig hat, muss ich sagen: Chapeau, das sind ja 240 Säckchen, die muss man erst mal füllen und verknoten! ...