Heute möchte ich über einen Preis berichten, der mir im Oktober 2009 überreicht wurde. Ein Wanderpreis. In Luxemburg. Der Mëllerdaller Reesbengel. Das muss man natürlich erst einmal übersetzen. Denn obwohl die luxemburgischen Kinder sowohl französisch als auch Deutsch in der Schule lernen, sprechen die Luxemburger untereinander doch etwas, das ich in meinem Wanderbuch despektierlich „außerirdisches Kauderwelsch“ genannt habe. Der Schmied heißt im Herzogtum „Schmadds“, das Feuerwehrhaus „Pompjeesbau“ und der Wanderstab eben „Reesbengel“. Und weil mit diesem Wanderstock Wanderer ausgezeichnet werden, die sich um die Wanderregion Müllerthal verdient machten, wurde zum schon zwanzigsten Mal der Mëllerdaller Reesbengel verliehen.
Sogar die Tourismus-Ministerin Luxemburgs war zur Preisübergabe angereist und unter den gütigen Augen des herrschenden Großherzogpaars, das mich vom Foto an der Wand anlächelte, bekam ich den Bengel verliehen: ein knorriges Naturwunder, gewachsen aus dem Stamm einer Klimatis. Und einen riesigen Geschenkkorb durfte ich entgegennehmen. Mit feinen Likören, Marmeladen und Waffeln der Region. Phantastisch.
Mit hundert Wanderern hatte ich wenige Stunden zuvor die wunderschön-bizarren Sandsteinfelsen der luxemburgischen Schweiz rund um Berdorf erkundet. Ich ging durch ein überaus spektakuläres Felsen-ensemble. Quetschte mich durch einen Felsdurchgang, der so schmal war, dass man sich seitlich durchschieben musste. Dann schienen beim Blick nach oben scheibenweise die Felsplatten vom Himmel zu regnen. Vertikal standen die Kolosse über uns und man fragte sich ernsthaft, ob man überhaupt noch atmen durfte. Sofort das nächste Highlight im Felsenfeuerwerk: Ein riesiges Steindreieck, acht Meter hoch, schien im Raum zu schweben. Noch hielt das. Ich hörte Musik. Halluzinationen oder war ich schon im Wanderhimmel? Vier Männer in braunen Trachtenanzügen bliesen in ihre Waldhörner und spielten auf zum Festakt. Ja, was denn für ein Festakt? Dieser Wanderbengel sollte mir doch erst später in Anwesenheit der Ministerin übereicht werden. Es kam dann aber sozusagen knüppeldick. Denn es fand, so stellte sich heraus, eine Taufe statt. Das gesamte Felsmassiv bekam einen Namen: Mandrack-Passage. Benannt nach – mir! Mit allem Zipp und Zapp wurde diese Taufe zelebriert. Reden, Musik, Applaus, Sekt, Glas gegen den Fels. Als man mir sagte, ich bekäme diese Felsen geschenkt, war ich so großzügig, mein Geschenk erst einmal an Ort und Stelle zu belassen.
Mandrack-Passage. Das machte mich wahnsinnig stolz. Beruhigt nahm ich zur Kenntnis, dass das neu getaufte Felsenensemble vorher namenslos gewesen war. Es war also keine Umbenennung, sondern eine Neutaufe gewesen. Ich hatte immer gedacht, man müsse tot sein, damit so etwas nach einem benannt wird. Und ab 2010 ist die Mandrack-Passage auch auf einer neuen Wanderkarte des Müllerthals eingezeichnet.
Die Sache ist nur die: Alle Ehrungen in Luxemburg wurden mir zuteil, da ich mich durchweg positiv in meinem Wanderbuch über die luxemburgische Schweiz ausgelassen habe. Ich frage mich nur, ob so ein Wanderpreis nicht doch korrumpiert. Vielleicht finde ich mal einen Wanderweg oder ein Wandergebiet nicht so toll. Wenn ich das auch so schreiben würde, könnte diese vernichtende Kritik alle zukünftige Preiswürdigkeit gefährden. Gefährliche Gedanken. Aber keine Sorge, ich bin absolut unbestechlich.
Nur das Wandergebiet Müllerthal, das ist wirklich, total objektiv gesehen, dermaßen toll, da fehlen mir die Worte. Und erst die Mandrack-Passage, traumhaft …