Am 25. Mai startete Extremwanderer Thorsten Hoyer in Bad Oldesloe, nördlich von Hamburg, seinen zweiten Versuch 300 km ohne Schlaf zu wandern. Im vergangenen Jahr musste er beim Kilometerstand von 210 km aufgrund des Wetters abbrechen. Das konnte Thorsten Hoyer nicht auf sich sitzen lassen und dieses Mal hat er es geschafft! Am 28. Mai kam er nach 300 km und 71,5 Stunden nonstop wandern in Celle an. Unsere Facebook-Fans und auch wir haben da noch ein paar Fragen an Thorsten ...
Redaktion: Als wir das erste Mal von deinem Plan, 300 km ohne Schlafpause zu wandern, auf Facebook berichtet haben, kam die ein oder andere Frage auf. Als erstes: Wie kommt man auf diese Idee und warum macht man sowas? Vielleicht kannst du das für die Nicht-Extremwanderer unter uns einmal erklären?
Thorsten Hoyer: Ja, warum macht man sowas oder warum mache ich sowas? Naja, ich habe irgendwann angefangen mal 50 km, mal 80 km zu wandern und dann habe ich mir 2005 die 150 km vorgenommen. Ich wusste damals nicht, ob es funktioniert und bin einfach bei mir vor der Haustür auf dem Kellerwaldsteig losgelaufen, mal gucken, wie weit ich komme. Nach 150 km wieder angekommen, dachte ich, ich werde nie wieder laufen können und ich brauche einen Rollstuhl. Daraufhin habe ich angefangen mit der Ausrüstung zu experimentieren, um herauszufinden, was schief gelaufen ist. Beim nächsten Mal ging es wesentlich besser und so hat es sich weiter hochgeschaukelt. Zum großen Teil war es die Neugierde, wenn etwas funktioniert hat, nicht aufzuhören, denn, naja, so ein bisschen was wäre noch gegangen, also gehe ich beim nächsten Mal ein Stück weiter. Das ist letztendlich bei 300 km geendet und damit ist auch jetzt Schluss. Obwohl körperlich und mental dieses Mal alles gepasst hat, da wäre theoretisch noch mehr gegangen. Allerdings möchte ich die über 70 Stunden Schlafentzug nicht weiter ausreizen.
Redaktion: War diese Extremwanderung für dich eine ewig andauernde Strapaze oder gab es Momente, die du richtig genießen konntest?
Thorsten Hoyer: Ich würde es gar nicht als Strapaze bezeichnen. Natürlich gab es Momente, in denen der Schweinehund besonders laut gebellt hat, aber ich wusste, dass diese Momente kommen, darauf habe ich mich mental vorbereitet und konnte mich dann gut motivieren. Es klingt vielleicht komisch, aber im Vordergrund steht der Spaß am Unterwegssein und sich zum Ziel hinzuarbeiten. Und was immer motiviert, ist draußen in der Natur zu sein. Das Ganze funktioniert nur, weil ich es draußen in der Natur mache, indoor würde ich das nie schaffen. Der Uhu, der da im Baum sitzt und mich groß anguckt, die Kreuzotter auf dem Weg, diese fantastische Landschaft in der Lüneburger Heide und auch die vielen Menschen, die mich unterwegs getroffen haben – all das hat mich ans Ziel gebracht.
Redaktion: Genau, mit der Lüneburger Heide sprichst du schon meine nächste Frage an: Wie bist du auf genau diese Strecke gekommen, von Bad Oldesloe durch Hamburg und dann auf dem Heidschnuckenweg bis nach Celle?
Thorsten Hoyer: Ich habe zuerst darauf geachtet, dass ich möglichst wenig Asphaltanteile auf der Strecke habe und hauptsächlich auf Pfaden laufe, also auf weichem Boden. Ich habe Freunde in der Lüneburger Heide, daher kannte ich die Gegend schon ein bisschen und bin so auf den Heidschnuckenweg gekommen, mit seinen sandigen Böden, wenigen Höhenmetern und der einmaligen Natur. Der Heidschnuckenweg hat aber „nur“ 223 km. Ich hätte auf dem Heidschnuckenweg in Fischbek bei Hamburg anfangen und über Celle hinaus auf der Via Scandinavica wandern können, aber ich wollte ganz gerne in Celle ankommen, wo auch der Heidschnuckenweg endet. Also habe ich geschaut, was es vor dem Heidschnuckenweg gibt, und bin auf die Via Baltica gestoßen, einen uralten Pilgerweg von Lübeck nach Bremen. Der führt auch an dem Kloster Nütschau bei Bad Oldesloe vorbei und dort bin ich nach zwei Nächten im Kloster gestartet. Auf der Via Baltica ging es bis zu den Hamburger Landungsbrücken, von dort aus mit der Fähre über die Elbe und ab Fischbek bin ich dem Heidschnuckenweg gefolgt.
Redaktion: Auf jeden Fal hast du deinen 300 km Weg gefunden. Was hast du eigentlich gegessen?
Thorsten Hoyer: Nicht viel. Essen ist nebensächlich. Ganz viel Trinken ist wichtig, zumindest für mich, aber das muss jeder für sich selbst mit seinem Körper ausprobieren. Ich hatte nichts weiter dabei außer 400 Gramm Nüsse, denn die liefern dem Körper schnell Energie und die schmecken. Es gibt ja viele verschiedene Power-Bars und Müsliriegel, die habe ich alle probiert, aber bringen mir persönlich nicht viel. Ich bin zwar durchaus ein Genussmensch, muss mich aber unterwegs eher zum Essen zwingen. Während der gesamten Wanderung habe ich mir eine Laugenbrezel und ein paar Kekse aufgeteilt und zwischendurch drei Schokoriegel gekauft. Die Verdauung strengt außerdem den Körper an und verbraucht wiederum Energie, das macht müde und dann fällt bei mir die Leistungskurve ab. Scheinbar habe ich genug Reserven und die konnte ich ein Wochenende später auf dem 13-Brauereien-Weg wieder auffüllen.Während der zwei Monate vor der Wanderung habe ich keinen Alkohol getrunken, auch um mich mental vorzubereiten.
Ach, und ich hatte zwanzig von diesen Frucht-Quetschbeuteln dabei! Da muss ich jetzt lachen, denn die habe ich meiner Tochter früher einmal geklaut und herausgefunden, dass sie gut schmecken.
Redaktion: Da merkt man, wie wichtig es ist, dass du schon auf Erfahrungen zurückgreifen kannst und dich gut vorbereitet hast.
Thorsten Hoyer: Ja, das ist ganz wichtig und ohne Vorbereitung sollte man das auch auf keinen Fall tun - unvorbereitet nicht zum Nachmachen geeignet. Ich experimentiere seit 2004 mit diesen Langstrecken- und Extremwanderungen herum.
Redaktion: Eine letzte Frage noch, die ebenfalls von einem Facebook-Fan gestellt wurde: Kannst du irgendwelche Tipps zur Ausrüstung, vor allem zum Schuhwerk geben?
Thorsten Hoyer: Ja, ich habe auch für diese Tour wieder mit den Schuhen experimentiert, vor allem mit leichteren Schuhen, wobei man da bei der Dämpfung Abstriche machen muss. Ich habe für diese Wanderung dann doch einen etwas schwereren Schuh gewählt, ein maßgeschneiderter Schuh. Es sollte auf jeden Fall ein Volllederschuh sein, kein Gore-Tex Schuh bei Temperaturen um 30° Celsius, das wird zu warm. Und knöchelhoch, denn wenn später die Konzentration nachlässt, wird die Stabilität im Schuh umso wichtiger. Was die Socken betrifft, bin ich seit vielen Jahren nur noch mit doppellagigen Socken unterwegs. Die sind so vernäht, dass sie nicht verrutschen, aber trotzdem Reibung aufnehmen und das Blasenrisiko somit verringern. Ich habe außerdem verschiedene Innensohlen ausprobiert und bin bei einer australischen Firma hängengeblieben, weil die die beste Dämpfung haben und den Fuß noch nach tausenden von Schritten optimal stützen. Ja, und mit dieser Kombination laufe ich im wahrsten Sinne des Wortes ganz gut!
Redaktion: Ja, das konnten wir in den kleinen Videos von unterwegs sehen! Danke, dass du uns daran hast teilhaben lassen!