Ich bin in Begleitung meines Freundes Claus. Wir folgen der Straße durch die kleine Ortschaft Nezuk, die ca. 25 km östlich von Tuzla liegt. Heute startet der Marš Mira 2016, ein Friedensmarsch zum Gedenken an das Massaker von Srebrenica im Juli 1995. Damals flüchteten Bosnier aus der gefallenen UN-Schutzzone Srebrenica nach Nezuk. In dessen Folge wurden über 8.000 männliche Bosnier – Kinder wie Greise – ermordet. 

Anlässlich der Geschehnisse vor 21 Jahren will ich gemeinsam mit Claus dieser Strecke folgen. Wir sind zwei von rund 6.400 Teilnehmern, die sich auf den dreitägigen, ca. 100 km langen Marsch zur Gedenkstätte nach Potočari vor den Toren Srebrenicas aufmachen. Neben der Straße in Nezuk stehen, sitzen und liegen unzählige Menschen. Es hat den Anschein, dass viele von ihnen hier unter freiem Himmel übernachtet haben. Wir nähern uns einem Wiesengelände, als das Stimmengewirr zunächst von lauter Musik, dann von einer kräftigen Stimme überlagert wird. Eine Rede wird von einem Verstärker über den gesamten Platz getragen, auf dem sich hunderte, ja tausende Menschen versammelt haben. Als dann noch ein Militärhubschrauber dicht über den Platz kreist, erscheint mir der Moment geradezu surreal. Wir werden als Teilnehmer registriert: Claus bekommt Nummer 2869, ich die Nummer 0488.

Aufbruch zur Gedenkstätte nach Potočari

Eine gute Stunde später bahnt sich ein Trupp Männer in weißen T-Shirts mit der Aufschrift „Redar“ ihren Weg durch die Menschenmenge. Sie gehören zum Organisationsteam und führen, ein großes Banner tragend, den Tross an. Wir schultern unsere Rucksäcke und gehen los. Vor uns tausende von Menschen, hinter uns ebenso. Wir können nicht abschätzen, in welchem Teil dieser nicht enden wollenden Schlange wir uns befinden. Das beherrschende Bild für die nächsten drei Tage. ...