Hoch über euren Sorgen
Sah ich vom Berg ins Land
Voll tausend guter Morgen
Die Welt in Blüten stand.
Joseph Freiherr von Eichendorff
Aus dem Rheintal auf das Gebirge
Das gelbe Scharbockskraut, der winzige blaue Ehrenpreis, die rote Taubnessel und leuchtend wieße Kirschbäume über tief grünen Wiesen versetzen uns sogleich in die richtige Wanderstimmung. Rasch erreichen wir aussichtsreiche Waldränder und schließlich im Kammbereich den mit Felsen durchsetzten Wald. Der höchste Punkt unserer Wanderung ist die Hallgarter Zange. Fast 500 Höhenmeter sind wir gestiegen. Es war so mühelos, dass wir auf unsere Leistung sogar ein wenig stolz sind.
Höhenwege und Keltengräber
Nun wandern wir auf einem der Höhenwege, die häufig auf den Wasserscheiden unserer Mittelgebirge entlangziehen und bereits in vorgeschichtlicher Zeit als Fernverbindungen dienten. Der auf dem Kamm des Taunus verlaufende Weg wurde bereits 500 Jahre vor Chr. Als Verbindung von keltischen Siedlungen in Lorch und Bad Nauheim genutzt. Nahe am Weg befinden sich auffällige Hügel, die auf Grabstätten zurückzuführen sind, und Felsen aus hartem Quarzit, die der Verwitterung widerstanden haben. Der Frühling hat die Höhen des Gebirges noch nicht erreicht, aber der blaue Himmel und die Sonne bleiben auch hier unsere Begleiter.
Klöster und Kapellen
Wir steigen hinab nach Stephanshausen. Viele Menschen sind im Freien, in den Gärten und vor den Häusern, und sie erfreuen sich wie wir an dem schönen Tag. Nach dem Auffüllen der Wasserflaschen wandern wir durch das Elsterbachtal abwärts. Hier überraschen bereits das rot bis blau blühende Lungenkraut und zahlreiche Anemonen mit ihren wießen Blütensternen. Nach 380 m Abstieg von der Hallgarter Zange erreichen wir das idyllisch gelegene Kloster Marienthal. Votivtafeln zeugen von gesegneten Wallfahrten. Der folgende steile Aufstieg fällt uns etwas schwer, aber eine aussichtsreiche Hochfläche und die schön gelegene Antoniuskapelle lenken bald wieder ab. Dann führt der Weg nochmals in ein Tal hinab zum ehemaligen Kloster Nothgottes. Ein letzter Aufstieg, herrliche Ausblicke in den Rheingau und wir sind in Aulhausen, dem heutigen Ziel. Alle Wanderwünsche hat dieser Tag erfüllt und am Abend stellt sich nur noch die Frage, ob wir dem Assmannshäuser Rotwein oder einem trockenen Riesling aus dem Rheingau den Vorzug geben sollen.
Ausblick und Rückblick am Niederwalddenkmal
Am nächsten Morgen sind wir bereits um 9 Uhr am Nie-derwalddenkmal, 225 m hoch über dem Rhein. Der frühe Aufbruch hat sich gelohnt, wir sind alleine und die Sou-venirläden haben noch nicht geöffnet. Unter uns der breite Rheinstrom, gegenüber der Rochusberg, Bingen und die Nahemündung. Der Rheingau aus der Vogelschau. Schöner kann Geographie nicht sein. Über uns das monumentale Denkmal zur Erinnerung an die Erneuerung des Reiches 1871, nach dem siegreichen Feldzug gegen Frankreich. Der Sockel ist 25 m hoch und die Germania über 10m. Bei der Einweihung 1883 wurde auf den anwesenden Kaiser Wilhelm I. und die Fürstenversammlung ein Sprengstoffanschlag verübt, der misslang. Das mit dem bekannten Weinort Rüdesheim durch eine Seilbahn verbundene Denkmal hat bis heute seine Beliebtheit behalten. Heute wohl mehr wegen der Aussicht, denn der nationale und künstlerische Standpunkt haben sich doch sehr gewandelt.
Der Panoramaweg über dem Rheinknie
Wenige Strecken bieten eine so schöne und atemberaubende Aussicht wie die vom Denkmal zur Rossel, dem schönsten Punkt des Niederwaldes. In Abständen von wenigen hundert Metern führen von dem hier bequemen und breiten Rheinsteig Pfade an die Hangkante mit wechselnden Durchblicken in die Tiefe und Ferne. Der Rhein mit seinen gefährlichen Felsen am Binger Loch, Bingen, die Nahe und über allem der Hunsrück beeindrucken uns sehr. Höhepunkt ist sicher die Rossel, eine kleine künstliche Ruine. Die Aussicht von diesem Punkt bezeichnete der Schweizer Kunsthistoriker Jakob Burckhardt „an poetischem wie an malerischem dem Herrlichsten und Prachtvollsten gleich“, das er je gesehen hatte.
Assmannshausen - gepflegte Gastlichkeit am Rhein
Auch in Assmannshausen ist es am Sonntag Morgen noch recht ruhig. Unterhalb der Weinhänge, wo einer der besten Rotweine Deutschlands wächst, gehen wir durch verwunschene Gassen an einladenden Weinlokalen vorbei. Traditionsreiche Hotels und Gasthäuser befinden sich auch nahe am Fluss, der hier an Felsklippen vorbeirauscht. Gegenüber am Berghang das schön gelegene Schweizer Haus und das Schloss Rheinstein, eine der malerischsten Burgen am Mittelrhein.
Auf dem aussichtreichen Höhenweg nach Lorch
Nach dem Besuch in Assmannshausen steigen wir wieder auf die sonnigen Höhen. Zunächst führt der Weg durch Weinberge. Unterhalb des Bacharacher Kopfes hat der Rheinsteig kurzzeitig fast alpinen Charakter. Dann umgibt uns ein Naturwaldreservat, in das der Mensch nicht mehr eingreift, damit sich ein Urwald entwickeln kann. Unterhalb des Teufelskadrichs queren wir einen Hang aus harten Quarzitsteinen. Hier ist die Natur abseits des Weges sich selbst überlassen. Wenn man Glück hat, sieht man an heißen Sommertagen an den Hängen des Rheintals sogar den vor allem in den Mittelmeerländern verbreiteten Segelfalter. Unser Weg ist auch nicht immer eben. Mehrere Anstiege und das tief eingeschnittene Bodental fordern uns nochmals. Schließlich sind wir in Lorch am Ziel unserer großen Tour. Einen Besuch der direkt am Weg liegenden Kirche St. Martin mit einem der größten Schnitzaltäre Deutschlands lassen wir uns nicht entgehen. Vor Abfahrt des Zuges haben wir noch etwas Zeit. Glücklicherweise führt der Weg zum Bahnhof direkt am Hotel „Zur Krone“ vorbei. Ein ganz großes Wandererlebnis liegt hinter uns und es ist für viele nicht fern, sondern liegt im Herzen Deutschlands.
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