Es ist stickig und dunkel, Augen und Mund sind voller Kohlestaub, der ganze Körper steht vor Dreck: Das sind die Bedingungen, unter denen Johann August Hahn seinen Lebensunterhalt verdient. Er arbeitet in der Zeche Turteltaube, unter Tage, Anfang des 19. Jh. Unter knochenharter Anstrengung haut er Kohle aus dem Gestein. Manchmal auf allen Vieren, manchmal im Liegen. Stunden ohne Sonnenlicht, Schmerzen im Rücken, eine überanstrengte Lunge – und über allem immer die Sorge, plötzlich von Erde verschüttet zu werden.

"Glück auf" © pixelpilot.tv, Ludger Staudinger

Johann August Hahn ist einer der fiktiven Protagonisten des interaktiven Geschichtsprojekts „Perspektivwechsel – Ruhrgebietsgeschichte erleben“ von der Route Industriekultur.

Kinder und Erwachsene erfahren hier alles über die Anfänge des heutigen Ruhrgebiets und die Veränderungen der Region, die sich durch die Industrialisierung ergeben haben. Und zwar nicht durch Bücher und Schautafeln, sondern lebendig erzählt – mittels eines Audioguides, dem die Besucher während einer Wandertour lauschen können.

Phasen der Industrialisierung in drei Erlebnisräumen

Mit dem „Perspektivwechsel – Ruhrgebietsgeschichte erleben“ tauchen große und kleine Besucher in die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets ein. Interaktive Wanderungen führen durch drei Erlebnisräume in der Metropolregion Ruhr, in denen verschiedene Phasen der Industrialisierung dargestellt werden: das Muttental in Witten, die Erzbahntrasse zwischen der Jahrhunderthalle in Bochum und der Zeche Ewald in Herten, und die Zeche Zollverein in Essen. Über eine App (oder auf der Website) erhalten die Besucher an verschiedenen Stationen gezielte Informationen über den jeweiligen Standpunkt. Wer kein Smartphone oder Tablet besitzt, kann sich in den Info-Zentren der Erlebnisräume eins ausleihen. Bei den Erlebnisräumen handelt es sich übrigens nicht um geschlossene Räume. Vielmehr bewegen sich die Besucher frei über ein weitläufiges, stets zugängliches Areal von Station zu Station. Es gibt Routenempfehlungen, doch können alle Erlebnisräume individuell und unabhängig voneinander begangen werden.

Alte Schienen führen in den Stollen © pixelpilot.tv, Ludger Staudinger

An den einzelnen Stationen, die sich je nach Erlebnisraum auf Wegen von sechs bis 31 km erstrecken, erzählen die Protagonisten von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen. Dabei wird das gesamte Lebensumfeld der Bergmänner vermittelt und auch deren Familien kommen zu Wort. Die Geschichten sind frei erfunden, orientieren sich aber an historischen Ereignissen. So hat z. B. Christian Möller, ein pensionierter Beamter, der niemals körperlich arbeiten musste, andere Ansichten zum Kohleabbau als ein Bergmann wie Johann August Hahn. Dieses Wechselspiel der Perspektiven gewährt einen spannenden und historisch umfassenden Einblick in die Vergangenheit des Ruhrgebiets.


Kostenloser App Download "Perspektivwechsel"

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Tipp zur App-Nutzung: Im Muttental gibt es kaum Empfang, daher in der App unter „Einstellungen“ Inhalte und Karte am besten vorab downloaden.


Erlebnisraum Muttental

Steinbruch mit Kohleflöz im Muttental © pixelpilot.tv, Ludger Staudinger

Wie sich der frühe Ruhrbergbau entwickelt hat, können Besucher auf dem 6,5 km langen Rundwanderweg im Erlebnisraum Muttental im Süden der Stadt Witten erleben. Das Muttental gilt als Ausgangspunkt für den Kohleabbau im heutigen Ruhrgebiet. Bereits im 16. Jh. wurde dort durch adelige Grundbesitzer wie die Freiherren von Elverfeldt mit dem Steinkohleabbau begonnen. Empfohlener Startpunkt des Erlebnisraums ist die Zeche Nachtigall. Als einst wichtigste Zeche im Muttental bietet sie einen ersten historischen Überblick über den Kohleabbau. Festes Schuhwerk wird empfohlen, da der Weg überwiegend auf unbefestigten Wegen durch Wald verläuft. Der Wanderweg ist nicht barrierefrei, eignet sich somit auch nicht für Familien mit Kinderwagen.

Insgesamt 14 Stationen sowie ein Abstecher zum Gut Steinhausen, dem Wohnsitz der Familie von Elverfeldt, liegen auf dem Weg durch den Erlebnisraum. Er führt zu verschiedenen Schächten und Stollen sowie zu alten Kottenhäusern, den damaligen Wohnhäusern der Arbeiterfamilien. Abgesehen von Hahn und Möller, die über ihre Erfahrungen mit der industriellen Entwicklung berichten, treffen die Wanderer unterwegs noch auf Friedrich Maas, den Sekretär der Familie von Elverfeldt. Er gewährt Einblicke in die historische Entwicklung des Kohleabbaus. Eine weibliche Sicht auf den Alltag in der Begmannswelt bringt Dorothea Hahn ins Spiel, die von der Arbeit auf dem Kotten berichtet.

Info: industriekultur.guide