Ein Wochenende im Zeichen von Herzensangelegenheiten. Auf diesen Nenner lässt sich unser Vorschlag für ein Wochenende im Eichsfeld bringen. Es geht ans Grüne Band.

Die ehemalige Grenzregion der deutsch-deutschen Teilung ist heute ein schützenswertes Refugium für bedrohte Arten. Die Kulturlandschaft Eichsfeld im Westen von Thüringen verschmilzt auf dem Grünen Band mit Niedersachsen und Hessen. Wir hätten da zwei Tourenvorschläge, die besonders gut in den Herbst passen. Schließlich gibt es am 3. Oktober 2023 zum 33. Mal beiderseits des Grünen Bandes Grund zum Feiern.

Tourentipp 1: TOP-Grenzwanderweg Schifflersgrund

Dieser 11 km lange Rundwanderweg verläuft auf dem Gelände des Grenzmuseums Schifflersgrund am Grünen Band von Thüringen und Hessen. Der Ort hält etwas Besonderes bereit: Die große und vor kurzem neu konzipierte Freilichtausstellung war mit ihrer Eröffnung 1991 die erste dieser Art und gibt einen Überblick über das menschenverachtende System der Grenzsicherung. Zu den Ausstellungsstücken zählen Fahrzeuge und Hubschrauber aus der Zeit der deutsch-deutschen Teilung. Zudem konnten Teile der Grenzanlage, ein Beobachtungsturm (BT-9) und 550 Meter des vorderen Grenzzaunes im Original erhalten werden. Die Dauerausstellung erzählt vom einstigen Alltag an der Grenze und lässt Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen.

Einer der beklemmendsten Orte der Tour am Schifflersgrund dürfte die Stelle sein, an der Heinz-Josef Große 1982 beim Versuch, der DDR zu entfliehen, erschossen wurde. Die Infopulte am Grenzwanderweg, die bis November 2023 sukzessive installiert werden, beinhalten ein kostenloses digitales Angebot für Kinder und Familien: Die QR-Codes der „Spurensuche am Wegesrand“ führen in eine interaktive 360°-Landschaft, wo der ehemalige Grenzverlauf angezeigt und Grenzgeschichten in kindgerechter Sprache erzählt werden und eine Rätsel-Rallye zu weiteren Grenzspuren führt. Einzigartig sind die Kunstwerke rund um das Museumsgelände zu den Themen Teilung, Flucht, Tod an der Grenze.

Hof Sickenberg

Hof Sickenberg © Bauernhof, Café, Pension: Hof Sickenberg

Etwa auf halber Strecke erreicht der Weg Hof Sickenberg. Der unter Denkmalschutz stehende Vierkanthof befindet sich in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Ökologische Landwirtschaft erlebbar zu machen ist hier das Credo, seit Kristina Bauer das Anwesen vor rund 20 Jahren erwarb und so bemerkenswert ausbaute, dass sie dafür u. a. den Thüringer Denkmalpreis erhielt. Annika Löschau und Tizian Molnár, die den Hof seit Anfang 2023 gepachtet haben, wollen diese Tradition fortsetzen und dürfen sich über die jüngste Auszeichnung als „Leuchtturm“ für nachhaltige Tourismuserlebnisse freuen.

Auf Hof Sickenberg tummeln sich die Hühner, es gibt einen Bauerngarten mit Heil- und Nutzpflanzen. Beeren- und Nussplantagen liefern die Zutaten für Kuchen und andere saisonale Speisen, die im Hofcafé in den Streuobstwiesen serviert werden. Drinnen gibt es eine Lesestube mit Bibliothek – und sogar eine kleine Pension. Dass die Zimmer behutsam und in historischem Stil renoviert wurden, versteht sich da fast von selbst. Hof Sickenberg ist von April bis Mitte Dezember samstags, sonntags sowie feiertags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

TOP-Grenzwanderweg Schifflersgrund

Auf dem Kolonnenweg
© Grenzmuseum Schifflersgrund, Madlen Beckmann

Rundwanderung · Länge: 10,8 km · Gehzeit: 3 Std. · Zertifikat: TOP Wanderweg · Start/Ziel: Grenzmuseum Schifflersgrund · Höhenmeter: auf/ab je ca. 220 m · Schwierigkeit: mittel

Higihlights: Grenzmuseum Schifflersgrund, Hof Sickenberg und Naturparkzentrum Naturpark Eichsfeld-Hainich- Werratal besuchen

An-/Abreise: PKW und Parken: Grenzmuseum Schifflersgrund, Platz der Wiedervereinigung 1, 37318 Asbach-Sickenberg
ÖPNV: Bahnhof Bad Sooden- Allendorf (ca. 2,8 km zum Start, ausgeschildert)

Abstecher zum Naturparkzentrum bei den Dieteröder Klippen

Ausblick von den Dieteröder Klippen © Katrin Schmidt

Nicht weit entfernt und für einen Abstecher vor oder nach der Tour zu empfehlen, ist das Naturparkzentrum des Naturparks Eichsfeld-Hainich-Werratal bei Fürstenhagen. Hier startet übrigens noch ein TOP-Wanderweg zu den Dieteröder Klippen. Die 8 km lange Runde verläuft durch Heckenlandschaften und einen Urwald, den der Mensch lässt, wie er ist. Über den Dieteröder Klippen, eine Abbruchkante aus Muschelkalk, öffnet sich eine erstaunliche Aussicht. Der Blick schweift über das Südeichsfeld, das nordosthessische Bergland, den Hohen Meißner, Kaufunger Wald, zum Thüringer Wald und Harz. Nach diesem Panorama geht es dann über einen alten Steinbruch und durch lichte Buchenwälder wieder zum Naturparkzentrum Fürstenhagen.

Deutscher Wandertag im Eichsfeld 2024
Wenn es in diesem Herbst nicht mehr klappt, dann aber 2024 auf ins Eichsfeld: Vom 19. bis 22. September wird Heilbad Heiligenstadt beim 122. Deutschen Wandertag zur Wanderhochburg und die gesamte Region lädt zum Wandern. www.dwt2024.de

Tourentipp 2: Eichsfelder Grenzspuren

Duderstadt © Daniel Li

Im niedersächsischen Duderstadt, einer Stadt mit mittelalterlichem Charme, nimmt die rund 20 km lange Tour „Eichsfelder Grenzspuren“ entlang des Grünen Bandes ihren Anfang. Innerhalb von Wall und Stadtmauer schmücken mehr als 600 Fachwerkhäuser sämtlicher Stilepochen die Gassen. Das Wahrzeichen ist der Westerturm mit kurios gedrehter Spitze, das historische Rathaus eines der ältesten Deutschlands. Imposant sind die beiden gotischen Kirchen an der Marktstraße. Von der Marktstraße führt der Weg zum Stadtpark und passiert jenseits der Stadtmauer bei den Wallanlagen den ersten symbolischen Grenzpfahl – schließlich ist das noch nicht Thüringen.

Eine Weile nach der Waldgaststätte „Schöne Aussichten“ sind dann die ehemaligen Grenzanlagen erreicht. Hier sind originale Sicherungsanlagen der ehemaligen innerdeutschen Grenze zu Thüringen zu sehen. Ein kleiner Abstecher könnte noch zum Grenzlandmuseum Eichsfeld führen. Die Tour indes folgt dem Kolonnenweg. Aus dem Wald heraus ist hinter einem Anstieg das verbindende Kunstwerk auf der einstigen Grenze zu sehen und bald Gut Herbigshagen, Sitz der Heinz Sielmann Stiftung und Natur-Erlebniszentrum.

Heinz Sielmanns Herzensangelegenheit

Der oscargekrönte Tierfilmer und Zoologe Heinz Sielmann (1917-2006) engagierte sich seit 1988 – da erschien sein Film „Tiere im Schatten der Grenze“ – dafür, den mittlerweile ehemaligen deutschdeutschen Grenzstreifen für den Naturschutz zu erhalten. Aus dem Engagement resultierte 1994 die Stiftungsgründung an diesem Ort. Die Heinz Sielmann Stiftung folgt dem Leitspruch „Vielfalt ist unsere Natur“ und schafft biologische Vielfalt – Lebensraum für bedrohte Arten –, indem sie Biotope ankauft und pflegt. So ist auch das Gut Herbigshagen ein Ort, bei dem Ausstellungen und Erlebnisstationen zum Entdecken einladen. 

Im Café GUT(e) Auszeit kann man sich eine Verschnaufpause mit süßen oder herzhaften regionalen Spezialitäten gönnen, bevor man die letzten rund vier Kilometer zum Ausgangs- und Zielpunkt der Tour unter die Füße nimmt. Man könnte sogar auch über Nacht auf dem Gut bleiben; im Appartement mit nach dem Ehepaar Sielmann benannten Doppelzimmern „Heinz“ und „Inge“. Auf dem Gelände befindet sich auch die letzte Ruhestätte der Sielmanns. Ihre Urnen wurden in der kleinen Franz-von-Assisi-Kapelle beigesetzt.

Eichsfelder Grenzspuren

Franz-von-Assisi-Kapelle, Gut Herbigshagen © Arthur Gamm

Rundwanderung • Länge: 20,8 km • Gehzeit: ca. 5 Std. 45 min Start/Ziel: Duderstadt Tourist-Info/ Rathaus, Marktstr. 66, 37115 Duderstadt Höhenmeter: auf/ab je ca. 450 m • Schwierigkeit: mittel

Highlights: Duderstadt mit historischem Rathaus, Basilika St. Cyriakus und Ursulinenkloster, Grenzlandmuseum Teistungen, Kolonnenweg am ehem. Grenzstreifen

An-/Abreise: ÖPNV: Bahnhof Göttingen oder Leinefelde-Worbis, dann Bus nach Duderstadt ZOB
PKW und Parken: Parkplatz „Westertor“ in Duderstadt; Zufahrt über Sachsenring oder Wanderparkplatz Burg Scharfenstein

Abstecher zum Sonnenstein mit Skywalk

Die Tour verläuft ganz in der Nähe von einem beeindruckenden Aussichtsplatz, dem Skywalk Sonnenstein beim thüringischen Ort Holungen. Die 14 m lange Glas- und Stahlkonstruktion wurde 2017 eröffnet und ragt 9 m über die Klippe am östlichen Plateau hinaus. Auch von der waldlosen Kuppe des Sonnensteins selbst auf 485 m Höhe ist die Aussicht grandios: Harz, Kyffhäusergebirge, Goldene Mark und das Leinebergland sind zu sehen. Imposant auch das große Gipfelkreuz zu Ehren von Hermann Iseke, der 1901 das Eichsfeldlied verfasste. Für ihn gibt es hier auf dem Sonnenstein ebenfalls einen Gedenkstein. Vielleicht der beste Ort, um ein ereignisreiches Wochenende im Eichsfeld zu beschließen.

Infos: www.eichsfeld.de