Dieser Beitrag wurde aktualisiert und erschien ursprünglich am 15.01.2020.

Der Nacken ist verspannt, der Rücken schmerzt, das Knie zwickt – diese oder ähnliche diffuse Schmerzen kennen viele Wanderer. Einigen verdirbt es sogar ganz den Spaß. Doch für viele typische Beschwerden gibt es eine Erklärung und noch besser: Ihr könnt etwas dagegen tun.

Marwin Isenberg, Sportwissenschaftler und Personaltrainer aus Hemer im Sauerland, hat sich mit seinem Studio Gipfelgang darauf spezialisiert, Menschen fürs Wandern fit zu machen. Wir haben mit ihm über Problemstellen, Wanderfitness und den Spaß am Draußensein gesprochen.

Im Anschluss an das Experteninterview schauen wir uns vier typische Problembereiche beim Wandern genauer an. Marwin Isenberg zeigt jeweils Übungen, die Schmerzen in Rücken, Schultern/Nacken, Knien und Füßen lindern können.

 

Interview

Wandermagazin: Herr Isenberg, muss man sich wirklich fürs Wandern fit machen?

Marwin Isenberg: Man muss nicht, aber das Ziel sollte doch sein, die Natur genießen zu können ohne von Schmerzen oder einer schlechten Kondition beeinträchtigt zu werden. Größere Beanspruchungen ohne Vorbereitung führen leider sehr häufig zu negativen Begleiterscheinungen. Eine größere Beanspruchung ist in diesem Fall jede Belastung, die nicht zum Alltag gehört. Gerade wenn man viel im Büro arbeitet, ist es wichtig, den Körper langsam an anspruchsvollere Belastungen heranzuführen.

Die Muskulatur gewöhnt sich relativ zügig an die Belastungen. „Am ersten Tag hatte ich tierischen Muskelkater, aber danach ging es.“, ist eine typische Aussage von Einsteigern. Der passive Bewegungsaparat hingegen, die Knorpel, Bänder und Sehnen, brauchen mehr Zeit, um sich anzupassen. Probleme in diesen Bereichen führen nicht selten zum Abbruch einer Wanderung. Oftmals läuft der Prozess nach folgendem Schema ab:
Schmerzen ⇒ Verlust von Motivation und Genuss ⇒ Verzicht aufs Wandern.

Das muss aber nicht so sein. Ich plädiere dafür, dass sehr viel mehr Menschen etwas tun, um (wieder) wandern gehen zu können. Gerade unspezifische Schmerzen kann man vielfach wegtrainieren. Vorbereitung bringt mehr Genuss und das ist es doch, was man sich von seinem Wanderurlaub erhofft! Wer fit zum Wandern ist und regelmäßig geht, tut nicht nur seinem Herz-Kreislauf-System etwas sehr Gutes, sondern beugt auch Übergewicht vor. Viel wandern, gepaart mit regelmäßigem spezifischem Kräftigungstraining, dafür ist der Mensch gemacht!
 

Wandermagazin: Wer sind Deine Kunden und warum kommen sie zu Dir?

Marwin Isenberg: Zu meinen Kunden zählen vornehmlich Genusswanderer. Die meisten haben bereits ihren nächsten Urlaub geplant oder stecken in den Planungen für ihre nächste Wanderung. Die stille Erkenntnis nicht fit genug zu sein, kommt den meisten dabei zwangsläufig. Wir erarbeiten dann ein angepasstes Kraftausdauerprogramm. Oftmals liegen zusätzlich spezifische Probleme vor, wie beispielsweise Knie- oder Rückenschmerzen. Dann gilt es zunächst die Baustellen anzugehen, bevor wir gezielt die Kondition verbessern können. Diese Vorbereitung ist sowohl bei mir persönlich im Sauerland möglich als auch im Online-Coaching.
 

Wandermagazin: Was sind die häufigsten Ursachen für Schmerzen beim Wandern?

Marwin Isenberg: Zu unterscheiden sind Ursachen und Symptome. Die häufigsten Symptome sind Schmerzen in den Achillessehnen, in den Patellasehnen im Knie bzw. im gesamten Knie, im Rücken, speziell in der Lendenwirbelsäule (LWS) und im Nacken.

Es ist nicht schwer sich die Ursachen hierfür klar zu machen. Stellen wir uns einen Wanderer vor. Unzureichend vorbereitet, nimmt er bei Anstrengungen während des Gehens dieselbe Körperhaltung ein, die er auch im Büroalltag durchgängig einnimmt. Eine vorgebeugte Brust (LWS-Schmerz), die Schultern zu den Ohren hochgezogen (Nackenverspannungen), die Tendenz zu X-Beinen (Knieschmerzen) und noch dazu mit falschem Schuhwerk (Druckstellen).

Der Körper hat sich durch das häufige Einnehmen der „Bürohaltung“ daran gewöhnt, in diesem Bewegungsmuster zu agieren. Der passive Bewegungsapparat muss an eine wanderfreundlichere Haltung herangeführt werden, um diese Überlastungserscheinungen zu vermeiden. Das bedarf Zeit und Übung. Interessant ist dazu folgendes: Ein Rucksack, falsch eingestellt, verstärkt diese „Kauerhaltung“ noch. Das ist zum Beispiel zu erkennen, wenn Wanderer ihre Daumen unter die Schultergurte quetschen. 
 

Wandermagazin: Wie macht Ihr bei GIPFELGANG Menschen fit fürs Wandern?

Marwin Isenberg: Eins vorab: Sicherlich ist Wandern selbst eine sehr sinnvolle Methode sich fit zu machen. Es sollte jedoch beachtet werden, dass eine sitzende Tätigkeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich nicht kompensiert werden kann, indem man zwei Mal wöchentlich 30 Minuten spazieren geht. Vor allem dann nicht, wenn spezifische Bereiche Probleme machen.

Wir bereiten unsere Klienten individuell, effizient und nachhaltig vor. Das Besondere an unserer Herangehensweise ist die Kombination aus Bewegungs- und Ausrüstungsanalyse. Es ist wichtig, den ganzen Menschen und den kompletten Bewegungsapparat zu betrachten. Deshalb steht bei uns eine ausgiebige Bewegungsanalyse an erster Stelle. Knieschmerzen müssen ihre Ursache nicht zwangsläufig im Knie selbst haben, sondern können beispielsweise auf das Gangbild zurückgeführt werden. Würden wir in diesem Fall nur das Knie trainieren, würde sich an den Defiziten im Bewegungsablauf an sich wenig ändern.

Zusätzlich schauen wir uns dann die Ausrüstung an. Sitzen die Schuhe richtig? Ist der Rucksack richtig eingestellt oder gar völlig unpassend? Wie bewegt sich die Person mit ihrem Rucksack auf dem Rücken? Gibt es beispielsweise Defizite in der Rumpfmuskulatur? All diese Erkenntnisse fließen in den umfassenden Vorbereitungsplan mit ein. Wir bieten dem Wanderer dann ein gezieltes Programm zur Mobilisation und Kräftigung wanderspezifischer Bewegungsmuster und die Aktivierung nützlicher Hilfsmuskulatur. Zusätzlich kann es sein, dass wir – abhängig von der Ausrüstungsanalyse – den Wechsel oder die Neueinstellung von Schuhen und Rucksack empfehlen.


Wandermagazin: Welche Rolle spielt das Mentale dabei?

Marwin Isenberg: Wenn wir über Genusswandern reden, sicherlich eine große. Denn es ist klar, dass man gerne wandern sollte oder zumindest Lust darauf haben sollte. Bei einer negativen Einstellung fallen auch die Körperreaktionen negativ aus. Wer beispielsweise Knieschmerzen hat und nicht wirklich Lust auf das Wandern hat, wird keine wohltuende Vorbereitung durchlaufen wollen und dementsprechend das Wandern auch nicht genießen können. Das ist ein Teufelskreis, der zunächst in der Einstellung durchbrochen werden muss. Das Wichtigste ist die Lust auf die Sache selbst!
 

Wandermagazin: Was ist für Dich ein tolles Outdoor-Erlebnis?

Marwin Isenberg: Ich liebe die Stille während des Wanderns und die Entspannung nach einer anstrengenden Etappe. Nirgendwo sonst kann ich so gut abschalten. Besonders toll finde ich das gemeinsame Trekking mit Freunden in Gebieten und Ländern, die wir noch nicht kennen. Mir geht es weniger um den Adrenalinkick, sondern mehr um den Genuss am Draußensein.
 

Wandermagazin: Vielen Dank, Marwin, für das aufschlussreiche Gespräch.
Marwin Isenberg:
Sehr gerne!
 

Im Folgenden gibt Marwin Isenberg Tipps zu einzelnen Problembereichen des Körpers beim Wandern.

Hier geht's zum Beitrag "Schmerzfrei Wandern Teil 1 – Rücken".
Hier geht's zum Beitrag "Schmerzfrei Wandern Teil 2 - Nacken und Schultern".
Hier geht's zum Beitrag "Schmerzfrei Wandern Teil 3 - Knie".
Hier geht's zum Beitrag "Schmerzfrei Wandern Teil 4 - Füße".

 


Info: www.gipfelgang.de