Dieser Beitrag wurde aktualisiert und erschien ursprünglich am 06.03.2020.

Wie oft sind Sie schon nach einer schönen Wochenend-Wanderung mit Schmerzen im Knie nach Hause gekommen? Die Ursache ist selten im Knie selbst zu finden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Kniegelenk mit Schmerz auf Ihre unzureichende Körperstatik reagiert. Fast das gesamte Körpergewicht wird über das Kniegelenk den Berg hinauf, den Berg hinunter oder zügig nach vorn getragen. Ich zeige Ihnen drei einfache Übungen, die Ihnen – regelmäßig ausgeführt – helfen, unspezifische Knieschmerzen in den Griff zu bekommen.


Warum muss man sich überhaupt fürs Wandern fit machen? Was sind die häufigsten Ursachen für Schmerzen beim Wandern?
Marwin Isenberg ist Sportwissenschaftler und Personaltrainer und hat sich mit seinem Studio Gipfelgang auf Wanderfitness spezialisiert. In einem Interview mit dem Wandermagazin beantwortet er unsere Fragen. 

Es ist von großer Bedeutung, dass Sie Ihre gesamte Körperstatik verbessern. Dazu zählt auch das Training der Rücken- und Schultermuskulatur.

Eine stärkere Rücken- und Schultermuskulatur wird Ihnen helfen, Ihre Schritte, im Alltag oder auf Wanderung, besser zu kontrollieren. Je stärker der Rumpf und je aufrechter Ihr Gang, desto weniger Probleme verlagern sich körperabwärts Richtung Knie. Denken Sie ganzheitlich!

Das Knietraining basiert auf den drei Strategien:

  • Mobilisation und Kontrolle des Kniegelenks
  • Verbesserung der Beinachsenstabilität
  • Aufbau der Oberschenkelmuskulatur (Exzentrische Kraftfähigkeit)
     

Kniegelenk mobilisieren und kontrollieren

Ähnlich wie die Schulter, bewegen wir unser Kniegelenk im Alltag meist nur in einem eingschränkten Bewegungsrahmen. Ihr Ziel sollte es jedoch sein, jede Gelenkstellung im Knie kontrollieren zu können. Sie wollen Ihrem Körper zeigen, welche Positionen ein Knie einnehmen können soll und wie es belastet werden kann. Bereiten Sie Ihre Knie auf alle möglich Situationen vor, die Sie sich vorstellen können! Wir steigen beim Wandern nicht immer mit einer perfekten Beinachse hinauf, wir stehen oft unachtsam auf oder verdrehen die Knie unabsichtlich. Je näher Sie mit den Übungen an den Alltag eines Wanderers kommen, desto besser sind Sie vorbereitet.

Eine schmerzfreie Durchführung der Übungen ist dabei das oberste Gebot. Auch ein „Es schmerzt, aber das geht schon“, ist nicht zu tolerieren. Starten Sie mit den Gelenkstellungen, die Ihnen keine Probleme bereiten und erarbeiten Sie sich Stück für Stück Bewegungs- und Schmerzfreiheit.

Übung 1: Knie durchbewegen

Ziel dieser Übung ist es, Ihre Unterschenkelknochen im Kniegelenk zu rotieren. Das unterstützt den Stoffwechsel in Bändern, Menisken etc. und fördert langfristige Gelenkgesundheit.

Ausgangsposition: Sie können diese Übung im Sitzen oder Stehen ausführen. Legen Sie Ihre Beine ausgestreckt ab und stützen Sie sich mit den Händen hinten auf.

Ausführung: Ziehen Sie die rechte Ferse so nah ans Gesäß wie möglich. Verdrehen Sie Ihren Unterschenkel nach außen. Ihr Fuß darf sich dabei ebenfalls nach außen drehen, nicht jedoch Ihr Oberschenkel! (Bild 1) Schnell werden Sie merken, dass keine große, sichtbare Drehung möglich ist, aber Ihre Muskeln dennoch angespannt sind. Diese "Verdrehungskraft" sollten Sie während der gesamten Übung aufrechthalten. Strecken Sie dabei nun das Bein nach vorn aus, ohne das Knie ganz durchzustrecken (Bild 2). In der gestreckten Position drehen Sie Ihren Unterschenkel nun nach innen, der Fuß bewegt sich mit, nicht aber Ihr Oberschenkel. Lächeln Sie dabei (Bild 3). Behalten Sie die Drehung bei und ziehen Sie die Ferse wieder Richtung Gesäß (Bild 4). Versuchen Sie so mit der Ferse eine größtmögliche Ellipse zu malen: Von Ihrem Gesäß nach vorne und wieder zurück. Arbeiten Sie mehrere Male in dieselbe Richtung und dann gehen Sie rückwärts. Arbeiten Sie möglichst langsam und kontrollieren Sie Ihre Muskelspannung. Mit dieser Drehung simulieren Sie Verdrehungen des Knies beim Wandern und können so Ihr Gelenk darauf vorbereiten. 

Modus: Absolvieren Sie täglich mindestens 5 Wiederholungen in jede Bewegungsrichtung pro Bein. Die Wiederholungsanzahl ist nach oben unbegrenzt. Je mehr Wiederholungen Sie täglich ausführen, desto besser.

 

Beinachsenstabilität verbessern

Wie bereits zu Beginn dieses Artikels erklärt, ist das Training gegen Knieschmerzen ganzheitlich zu betrachten. Die Hüftmuskulatur hilft dem Knie sich in einer kontrollierten Achse zu bewegen. Von der Hüfte, über das Knie bis zum Fuß verläuft die sogenannte Beinachse. Wenn sich das Knie während des Gehens schlagartig nach innen, nach außen, nach vorne und hinten bewegt, ohne, dass Sie das kontrollieren, wird das sehr wahrscheinlich zu Schmerzen führen. Hier hilft ein zielgerichtetes Training der seitlichen Hüftmuskulatur. Ein netter Nebeneffekt ist, dass diese Muskelpartie zum Gesäß gehört und bei ausreichendem Training einen schönen Hintern schafft.

Übung 2: Beinachsentraining

Das Ziel dieser Übung besteht darin Ihre Hüftmuskulatur zu stärken. Diese stabilisiert dann Ihre Beinachse und Ihre Knie.
Das Miniband oder Mini-Loop empfehle ich von der Marke Flexvit (hier vom Vertriebspartner Blackroll) zu kaufen. 

Ausgangsposition: Legen Sie sich auf eine Seite und winkeln Sie die Beine in Hüfte und Knie an. Den unteren Arm legen Sie unter Ihren Kopf, mit der oberen Hand können Sie an den Hüftknochen fassen. Halten Sie während der kompletten Übung Ihren Bauch eingezogen und den Rücken gerade.

Ausführung: Öffnen Sie Ihre Knie, ohne die Fersen auseinander zu bewegen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen das obere Knie nach „vorne/oben“ herausschieben, damit es genau über dem unteren Knie bleibt (Bild 2). Im zweiten Schritt öffnen sich die Fersen ebenfalls (Bild 3). Wenn möglich, heben Sie die obere Ferse über Kniehöhe, ohne dass das Knie nach unten fällt. Im letzten Schritt heben Sie Ihren Oberschenkel noch etwas an und ziehen das Knie höher (Bild 4). Ein häufiger Fehler ist es, mit dem Becken zurückzufallen oder sich im unteren Rücken zu verdrehen, um mehr Höhe zu gewinnen. Sie sollten sich jedoch auf die Muskelspannung im Gesäß konzentrieren und nicht auf die Höhe. Sollten Sie Schmerzen bemerken, können Sie etwas mit Ihrem Hüft- und Kniewinkel experimentieren. Im Zweifel konsultieren Sie einen Arzt.

Modus: Absolvieren Sie je 3 Sätze mit je 8 Wiederholungen pro Seite. Wechseln Sie die Seite nach jeder 8. Wiederholung. Halten Sie Ihren Bauch und unteren Rücken durchgehend ruhig.

 

Training der Oberschenkelmuskulatur

Letztlich ist es entscheidend, wie viel Kraft Sie in Ihren Beinen zur Verfügung haben, um den Belastungen und Stößen beim Bergauf- und Bergabgehen standhalten zu können. Wenn Ihr zentrales Nervensystem auf mehr aktive Muskulatur am Oberschenkel zurückgreifen kann, wird es weniger zu Schmerz kommen. Sie werden der Streckung und Beugung der Knie besser nachgeben können. Eine mangelnde Ansteuerungs- und Kraftfähigkeit der Oberschenkelmuskulatur führt gerade beim Bergabgehen zu „durchschlagenden Knien“ und Reizungen unter der Kniescheibe.

Übung 3: Die einbeinige Kniebeuge

Das Ziel dieser Übung ist es, Ihre einbeinige Kraftfähigkeit aufzubauen. Dies hat einen direkten Übertrag auf das Bergabgehen oder tiefe Schritte beim Übersteigen von Hindernissen.

Ausgangsposition: Stellen Sie sich rücklings vor eine Sitzgelegenheit. Im Bild zu sehen ist ein Stepper, Sie können jedoch auch einen normalen Stuhl verwenden. Besonders am Anfang eignet sich ein Stuhl, damit Sie sich nicht allzu tief setzen müssen. Mit zunehmender Übung können Sie, wenn möglich, auf kleinere Sitzgelegenheiten umsteigen, z. B. einen Stepper. Positionieren Sie ein Mini-Loop-Band oberhalb Ihrer Knie und halten Sie kleine Gegengewichte oder 0,5 l-Flaschen fest.

Ausführung: Stellen Sie Ihren rechten Fuß nur auf den Vorfuß. Halten Sie mit den Knien das Band auf Spannung (Bild 1). Bewegen Sie nun die Hände nach vorn und schieben Sie Ihr Gesäß nach hinten heraus. Behalten Sie mit dem gesamten linken Fuß einen festen Stand (Bild 2). Bewegen Sie sich nun langsam, auf dem linken Fuß stehend, gerade nach unten. Versuchen Sie den gesamten Weg nach unten zu kontrollieren. Zählen Sie beim Runtergehen bis fünf, bevor Sie sich auf den Stuhl setzen (Bild 3). Stehen Sie dann mit beiden Beinen wieder auf. Mit zunehmender Kraft können Sie versuchen, sich tiefer zu setzen und wieder einbeinig aufzustehen.

Modus: Führen Sie abwechselnd für jedes Bein 3 Sätze aus mit je 10 Wiederholungen. Wenn Sie starke Kraftdefizite in einem Bein merken, führen Sie dort bis zu 15 Wiederholungen aus.

 

Meine Tipps

  • Machen Sie beim Wandern kleinere Schritte und laufen Sie langsamer. Das entspricht einem natürlicheren Gangbild und wird Ihre Knie schonen.
  • Tragen Sie bequeme Hosen, welche Ihre Bewegungsfreiheit im Hüft- und Kniebereich nicht einschränken. Unbequeme Hosen können zu ungewohnten Bewegungsmustern und Ausweichbewegungen führen und dadurch Schmerzen verursachen.
  • Übung 1 und 2 sind täglich durchführbar. Die einbeinige Kniebeuge trainieren Sie hingegen maximal zwei bis drei Mal wöchentlich.
  • Falls Sie einen längeren Wanderurlaub planen, beginnen Sie rechtzeitig mit dem Training, ca. 12 Wochen vorher. Setzen Sie sich jedoch nicht unter Druck. Das Training soll Ihnen guttun und Ihre Vorfreude auf die Wanderung steigern.

Wenn Sie eine individuelle Einschätzung Ihrer Fitness, eine Bewegungsanalyse und einen maßgeschneiderten Vorbereitungsplan benötigen, können Sie sich unter isenberg@gipfelgang.de bei mir melden. Online und Offline helfe ich Ihnen gern. Ich freue mich auf Sie!

Info: www.gipfelgang.de

Im nächsten Beitrag zeigt Marwin Isenberg Übungen für stabile Füße.

Haftungsausschluss:

Dieser Beitrag ersetzt nicht den Besuch bei einem Arzt. Der Autor übernimmt keinerlei Haftung für eventuelle Schadensfälle, Verletzungen oder Folgeschäden, die mit der Durchführung der Übungen in Zusammenhang stehen könnten. Das Training erfolgt auf eigene Gefahr.