Ausnahmsweise ging es dann zum Haupttermin sogar pünktlich um 11.30 Uhr los. Ehrlich gesagt war ich in den letzten Jahren immer derjenige gewesen, der sich am Neujahrsmorgen zeitlich etwas verabsäumt hatte. Nach einer Stunde durch den Wald führte uns der Weg an einer Votivkirche vorbei. Dort bittet man die Jungfrau Maria um alles Mögliche. Eine Frau hatte in das ausliegende Buch geschrieben. „Maria, hilf, dass mein Sohn eine Frau findet.“ Eine herzlose Seele hatte drunter geschrieben. „So ein Quatsch, Frauen gibt es doch wie Sand am Meer.“

Um die Mittagszeit machten wir Rast auf einer Anhöhe: mit Rollmops (gegen den Kater), Glühwein (gegen die Senkung des Alkoholpegels) und 3 Kilo Nudelsalat (gegen den Hunger, den hatte Vera mitgeschleppt, der war von Silvester übrig geblieben).

Beschwingt gingen wir weiter. Denn, so hatte ich bei einem „Gesundheitskongress Wandern“ im vergangenen Herbst gelernt, Wandern macht glücklich. Dass Wandern zum Beispiel für den Kreislauf gesund wäre, hätte man sich ja noch denken können, aber dass Wandern so glücklich macht, dass es sogar als Therapie gegen Depressionen eingesetzt wird, hätte ich nicht angenommen. Am frühen Nachmittag, nach neujahrkompatiblen 11 Kilometern Wanderung, erreichten wir die Schnapsbrennerei. Dort lernten wir, die Nelchesbirne von der Williamsbirne zu unterscheiden, und kosteten hervorragende Mirabellen- und Schlehenbrände. Vera war nach der Schnapsprobe etwas enttäuscht. Beileibe nicht vom Hochprozentigen. Sie hatte vielmehr erwartet, dass man nicht fahrend, sondern zu Fuß zum Ausgangspunkt zurückgelange. Wanderwillige soll man nicht enttäuschen und so bot ich mich als wegekundiger Wanderführer an, mit ihr zusammen zurückzugehen, während alle anderen Taxis bevorzugten.

Und dann wanderten wir zu zweit zurück. Ich fand Nachtwanderungen immer schon toll. Als Jugendlicher bin ich bei vielen Zeltlagern nachts losgezogen und habe Taschenlampen gehasst, da sie die Helligkeit der Nacht, die Sterne und Mond erzeugen, zunichte machen. Allerdings funkelten an Neujahr 2008 keine Sterne unter dem weiten Himmelszelt, denn es war bedeckt. Trotzdem war es romantisch. Ein leichter Lichthauch des nahen Eifelstädtchens schimmerte über die Hügelkette und erhellte die Landschaft. Der Feldweg aus Asphalt zog sich wie ein langes, silbriges Band entlang des schmalen Flusses. Noch nie bin ich so gerne auf festem Untergrund gegangen. Der Weg hätte für meine Begriffe niemals enden dürfen. Wir redeten. Weniger über Gott, aber viel über die Welt. Und wir schwiegen. Und gingen Arm in Arm. Es war großartig. Und seit dieser Neujahrsnachtwanderung weiß ich, dass Wandern nicht nur verdammt glücklich machen kann. Beim Wandern kann man sich auch richtig verlieben.

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