Räder, Oser & Wassertaxi
Dreimal legten die gewaltigen Gletscherpakete vor 10.000 Jahren bei ihrem Rückzug über Finnland jeweils für einige Jahrhunderte Verschnaufpausen ein. Der gigantische Gesteinsschutt an den Gletscherzungen türmte sich oft hunderte Meter hoch. Einen solchen kilometerlangen Endmoränenwall überwindet, wer von Helsinki aus über die vierspurige Autobahn Lahti, das Tor zu Finnlands Wasserwelten, erreicht. 150 Meter hoch, mit verwunschenen Toteisseen, schütteren Kiefernwäldern und einer eigenwilligen Flora und Fauna.
Wir sollten es mal mit dem Fahrrad probieren, hatte man uns in der Tourist-Information erzählt. Internet-Café, kleine Läden mit regionalen Produkten und emsige Kundenberater – Finnlands Touristik wieß, was Finnlandreisende mögen. Schnell sind die Mietfahrräder organisiert. Der anfangs ausgebaute Radweg zeichnet das Südufer des Vesijärvi nach. Linkerhand haben wir die Salpausselkä, die gigantische Endmoränen-Hügelkette in Sichtweite. An der alten Kirche von Hollola treffen wir auf Mika, Radler aus Leidenschaft. Von Jyväskylä auf dem nationalen Radweg Nr. 10 immerfort südwärts ist er geradelt. Ob er uns etwas empfehlen könne? Der schmale, dunkelhaarige Designstudent aus Helsinki lacht verschmitzt: "Die Oserrükken im Päijänne-Nationalpark!" Hier ganz in der Nähe warteten in den Moränenbergen versteckt gelegene Toteisseen auf die Entdeckung. Der Vääksy-Kanal in Asikkala, eine Wassermühle ganz in der Nähe und die Melodie der finnischen Wasserwelten aus Unberührtheit, Bewegtheit zwischen Himmel, Wasser und Erde – das sei doch wohl Anreiz genug!
Eero ruft das Wassertaxi
Ein langer Tag geht auf gut finnisch zu Ende. Rein in die Schwitzstube. Hinein in den glasklaren See, ein kühles Bier in der Hand, das Frotteetuch um den Körper gewickelt – so sitzen wir vor unserer Holzhütte in der Nähe von Hillosensalmi. Rückblick auf unsere Radexkursion gestern und heute. Erst der Saumpfad auf der Oserinsel Kelvenne, dann die kleinen Lagunen des Oserrückens von Pulkkilanharju. Um etwa zwei Milliarden Jahre dreht Konrad die geologische Uhr zurück. So alt seien die Felsinseln des 13 qkm großen Nationalparks. Überhaupt sei der Päijänne mit 107 Metern Tiefe finnischer Rekordhalter. Die Oser seien Zeugnisse der gewaltigen Schmelzwasserströme unter dem kolossa-len Eispanzer. Was sie an Steinfracht nicht zu schleppen vermochten und was sich beim allmählichen Abschmelzen an Ablagerungen verfestigte seien heute die oft schnurgeraden, kilometerlangen und schmalen Moränenrücken. Sie teilen die Seen nicht selten nahezu geometrisch. Eis als landschaftsgestaltender Genius. Ein schmaler Landrücken trennt den Päijanne-See vom Vesijärvi. An der Schleusenanlage in Asikkala herrschte Hochbetrieb. Radler meets Wasserwanderer. 15.000 Schiffspassagen pro Jahr. Nirgends in Finnland ist die Chance größer, alle möglichen Typen von Segelbooten, Kajaks, Motoryachten oder Kanus in Augenschein zu nehmen. Heute Nachmittag dann die Fahrt zum jüngsten finnischen Nationalpark Repovesi. Mein Handy klingelt. Eero ruft von seiner Sommerhütte an der Südkü-ste aus an. Ob er das Wassertaxi für morgen organisieren solle und ob wir hübsch traditionell in einer alten Rauchsauna den Spätsommerabend ausklingen lassen würden? Kyllä, ja, er könne das Taxi ordern, sei ja sicher nur ein echt finnischer Scherz und ei, nein wir hätten mit einer hoteleigenen Elektrosauna vorlieb genommen. Hyvää Yötä, gute Nacht!
Höcker, Flechten & Treppen
Eero strahlt mit der Augustsonne um die Wette. Wir stehen im unvergleichlichen, intensiven Nachmittagslicht des hohen Nordens auf dem 20 Meter hohen Elvingturm und haben schon unvergeßliche Wanderstunden hinter uns. Ob er mit dem Ausblick übertrieben hätte? Nein, das hat er wirklich nicht. So muß Sinnlichkeit aussehen, wenn man sie mit den Mitteln der Natur ausmalen sollte. Weite und Nähe, Zärtlichkeit und Wildheit, Harmonie und Chaos – eingefärbt in das makellose Blau des Himmels. Überzuckert mit federleichten wießen Wolkenknäueln, erfüllt von dem grünsten Grün der Wälder des Repovesi Nationalparks. Ein Panorama, das uns ergriffen macht. Fast vergessen die rasende Fahrt mit Reijos Wassertaxi zwischen den Inselchen hindurch und vorbei an versteckten Hütten, Waldstränden. Danach die vierstündige Traumwanderung durch den Nationalpark am See der Füchse (Repo = Fuchs, Vesi = See). Eero verspricht noch einen kulinarischen Höhepunkt im nahen Kirjokivi, einem alten, angesehenen Restaurant direkt am See. Konrad und ich schauen uns in die Augen. Er nickt mehrfach. Nicht zwicken, sonst könnte das Traumbild zerreißen, schießt es mir durch den Kopf.
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