Müssen wir uns Sorgen machen um den deutschen Wald und wie sieht seine Zukunft aus? In Gesprächen mit einem Forscher, einem Förster und einem Naturschützer zeigt sich: Die Antworten auf diese Fragen sind so vielschichtig wie der Wald selbst. 
 

Die Deutschen und ihr Wald 

Der Wald ist für uns Deutsche eine Quelle der Inspiration, der Erholung und des Reichtums. Das weiß man selbst bei der New York Times und beschreibt den Wald als Herz der deutschen Identität. Es stimmt, die Deutschen haben eine besondere Beziehung zum Wald – historisch, kulturell, künstlerisch, wirtschaftlich und seelisch. Er ist Sinnbild einer Ruheoase. Und oft erinnern uns nur die gestapelten Stämme am Wegesrand daran, dass er wirtschaftlich genutzt und eben auch gepflegt wird. Seit Monaten lösen Zeitungsberichte über das Leiden der Wälder aufgrund der Erderwärmung Emotionen aus und bewegen Freiwillige zur Mithilfe bei der Aufforstung. Zeit zum Abwarten bleibt nicht. Schnelles Handeln ist erforderlich, Aktionismus in einem sensiblen Ökosystem jedoch riskant. In Nationalparken überlässt man die Natur sich selbst. Die Anpassungen des Waldes an das sich verändernde Klima werden hier als ein natürlicher Umbauprozess der Natur betrachtet. Förster schlagen währenddessen Alarm. Es drohe der „Totalausfall“ der Fichte, des „Brotbaums“ der Deutschen. Die Waldzustandsberichte von 2018 und 2019 bestätigen die Sorge. 

Schnell könnte man meinen, es gehe um einen Konflikt zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz. Dabei sind Förster und Naturschützer keine Gegenspieler. Vielmehr ist der Klimaschutz ein neuer Mitspieler und verändert die Strategie. Im Kampf gegen die Klimaerwärmung und CO2-Emissionen kommt dem Wald eine schwierige Rolle zu. Er ist Opfer und Hoffnungsträger zugleich. Große Baumbestände zeigen Anzeichen von Stress, sie sind geschwächt durch die anhaltende Trockenheit und werden vermehrt von Schädlingen besiedelt. Gleichzeitig soll der Wald das Klima retten, schließlich liegt es in der Natur der Bäume, CO2 zu speichern und Sauerstoff zu produzieren. Mehr Bäume pflanzen ist also das Ziel, es könnte so einfach sein. 

Aber wir haben viele unterschiedliche Erwartungen an den Wald. Könnten wir Briefe an den Wald schreiben, würden sie vermutlich so lauten: 

Jakob Derks, Forscher am EFI
© Jose Bolaños 


„Hallo Wald, wir müssen erneuerbare Energie erzeugen. Ist es ok, wenn wir die Abholzungszyklen verkürzen und mehr Biomasse ernten?“ 
 

„Lieber Wald, du bedeutest uns sehr viel, bitte verändere dich nicht! Bleibt so wie du bist!“ 
 

„Hallo Wald, wir würden dich gerne aus dem Betrieb nehmen und den Zutritt für Personen einschränken. Vertrau uns, du bist alleine glücklicher. Es liegt nicht an dir, es liegt an uns. Du wirst darüber hinwegkommen.“

 

Das sind nur drei von vielen möglichen Briefen. Verfasst hat sie Jakob Derks. Als Forscher am European Forest Institute (EFI) hegt nicht er selbst diese Erwartungen, sondern versucht, die unterschiedlichen Anforderungen an den Wald zu verdeutlichen. „Wären Wälder ein bisschen mehr wie Menschen, würden sie wahrscheinlich an einem kollektiven Burn-Out leiden“, schreibt er auf dem Resilience-Blog des Instituts. EFI forscht am Standort in Bonn zur Widerstandsfähigkeit der Wälder und fördert den Wissensaustausch zwischen Förstern, Wissenschaftlern und Politikern. Das Ziel ist es, eine einheitlichere Forstpolitik in Europa zu schaffen. Immerhin sind 43 % der europäischen Fläche von Wald bedeckt, in Deutschland ist es rund ein Drittel. Und entgegen der öffentlichen Wahrnehmung wächst die Fläche, europaweit und ganz besonders in Deutschland. 

Macht Derks sich Sorgen um den Wald? „Natürlich müssen wir wachsam bleiben, aber ich verzweifele nicht“, sagt er. Einerseits glaube er an die Anpassungsfähigkeit der Natur. Andererseits gebe es viele positive Entwicklungen in Europa. Wenn es um nachhaltige Forstwirtschaft geht, nehme Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Das bedeutet: Jedes Jahr wächst mehr Holz als geerntet wird. Wertvolles Totholz bleibt immer öfter liegen, ebenso Wurzel im Boden. Komplette Kahlschläge versucht man zu vermeiden und Mischwälder werden immer häufiger. Als ehemaliger Förster habe er jedoch selbst die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen Förster und die Forstwirtschaft als Feinde des Waldes sehen. „Fast alle Wälder sind vom Menschen geformt. In Europa gibt es kaum Urwälder“, sagt Derks. Zugegeben, Wald-Romantikern dürfte diese Wahrheit wehtun. Fakt ist aber: „Es liegt im Interesse der Förster sicherzustellen, dass ihre Wälder widerstandsfähig, also vielfältig sind und für die Generationen ihrer Kinder produktiv bleiben.“ Gleichzeitig sei es aber auch gefährlich, den Wald lediglich als CO2-Speicher zu betrachten. „Wälder sind so viel mehr als das“, sagt er und erklärt, dass Wälder eine große Rolle bei der Klimaregulierung spielen, auch auf lokaler Ebene. Sie bieten Lebensraum, produzieren Sauerstoff, regulieren die Niederschläge und kühlen durch Verdunstung, beeinflussen den Wind und verhindern Bodenerosionen. „Die Reduzierung von Bäumen auf ihr Klimaschutzpotenzial ist keine gute Idee“, sagt Derks. 

Eine große Bedrohung sieht er in den sich schnell ändernden Anforderungen der Menschen an den Wald. „Die Forstwirtschaft ist ein langfristiger Prozess und sollte nicht jedes Mal, wenn eine neue Idee im Trend liegt, radikal verändert werden.“ Ein Beispiel hierfür sei die zunehmende Nutzung und gezielte Produktion von Biomasse zur Energiegewinnung, z.B. für Pelletheizungen oder Holzkraftwerke. Im Idealfall integriert ein Wald verschiedene Funktionen und liefert gleichzeitig Biodiversität, Bauholz und Biomasse. „Andererseits könnten produktive Forstplantagen den Druck auf natürlichere Wälder verringern“, bemerkt Derks. 

In der Öffentlichkeit kaum präsent, seien die Probleme durch eingeschleppte Schädlinge und Krankheiten: „Zwei traurige Beispiele sind Ophiostoma ulmi und Chalara fraxinea, Pilze aus Ostasien, die in wenigen Jahren die meisten Ulmen und Eschen in Europa ausgerissen haben.“ Auch der Lieblingsbaum des Forschers, die Esskastanie Castanea sativa, wird derzeit von einem asiatischen Pilz befallen. Die Esskastanie selbst wurde einst von den Römern nach Mitteleuropa gebracht. Sie sei also fast schon heimisch, sagt Derks mit einem Augenzwinkern. „Sie wächst gut, produziert sehr langlebiges Holz und natürlich Kastanien. Außerdem könnte sie bei weiter steigenden Temperaturen viel Zukunftspotenzial haben – wenn dieser lästige Pilz sie in Ruhe lässt.“ 


Der Förster und seine Fichte 

Klaus-Dieter Hötte ist Förster und Ranger der Stadt Rüthen im Sauerland und angesichts des Zustands „seines“ Waldes alamiert. „Dem Wald in Rüthen und den umliegenden waldreichen Kommunen geht es sehr schlecht. Durch die beiden letzten Extremsommer ist die Fichte sehr stark geschädigt, man kann fast von einem Totalausfall der Fichten sprechen, die älter als 20 Jahre sind.“ Die dadurch entstehenden finanziellen Verluste bringen viele Förster und Kommunen in eine existenzgefährdende Situation. Hötte kommt aus einer alten Försterfamilie. Wie Derks weiß er: „Waldbau und Waldpflege ist auf Generationen angelegt.“ Vom Pflanzen bis zum Fällen einer Eiche, seinem Lieblingsbaum, vergehen bis zu 200 Jahre. Früher gab er den Schulklassen, die er als Ranger durch den Kallenhardter Wald führt, eine Eichenbaumscheibe als Erinnerung mit. „Das mache ich jetzt nicht mehr. So viel Eiche kann ich nicht mehr schneiden. Jetzt mache ich kleinere Waldorden aus Esche.“ 

Über 150 Jahre lang war die Fichte der „Brotbaum“ der Deutschen. Ein Viertel der Bäume in Deutschland sind Fichten, gefolgt von Kiefern mit einem Anteil von 22 %, Buchen 15 %, Eichen 10% und Birken 4,5 % (Bundeswaldinventur 2012). Anders als die langlebige Eiche, ist die Fichte bereits nach 80 Jahren erntereif, wenn auch nicht ausgewachsen. Als Flachwurzler leidet sie jedoch als erste unter der Trockenheit und dem sinkenden Grundwasserspiegel. Vorgeschädigte Fichten haben Schädlingen wie Borkenkäfern nicht viel entgegenzusetzen. Sie können nicht mehr genug Harz zur Abwehr der Käfer produzieren. Während die Larven sich unter der Rinde durchfressen, stirbt der Baum langsam ab. In Fichten-Monokulturen können sich die Käfer gut vermehren. Mischwälder sind resistenter, weder Schädlinge noch ein zu niedriger Grundwasserspiegel können sie einfach auslöschen. Schnell wird den Förstern vorgeworfen, jahrzehntelang nur aus Profitgier gehandelt und zu einseitig angepflanzt zu haben. Außerdem sagen Forscher schon seit vielen Jahren eine Erwärmung unseres Planeten voraus. Hätten die Förster eher reagieren müssen?

Förster Hötte kann den Vorwurf nicht ganz nachvollziehen. „Wir haben bereits vor mehr als 25 Jahren mit dem Buchenvoranbau unter Fichten reagiert. Die ökologische Vielfalt des Waldes insgesamt wurde erhöht. Auch der Sturm Kyrill hat 2007 vielen Kollegen die Augen geöffnet." Die Fichte sei genauso widerstandsfähig wie andere Baumarten, wenn sie am richtigen Standort stehe. „Dazu muss man den Wald aber auch mit seinen historischen Hintergründen sehen", sagt Hötte. Der hohe Anteil an Nadelbäumen spiegelt die Waldnutzung der letzten Jahrhunderte wieder. Großflächige Anpflanzungen der Fichte haben in der Vergangenheit schon mehrmals eine drohende Holznot abgewendet. Die Holzmengen, die beispielsweise während der industriellen Revolution für den Bergbau benötigt wurden, konnten nur mit der gerade wachsenden Fichte rechtzeitig beschafft werden. Der Begriff der Nachhaltigkeit, betont Hötte, sei nicht zuletzt eine Errungenschaft der deutschen Förster. Ohne sie wäre die Industrienation Deutschland heute nicht so stark bewaldet.

Klaus-Dieter Hötte, Förster der
Stadt Rüthen © Klaus-Dieter Hötte 

Die Tage der Fichte sind gezählt, darüber sind sich Experten einig. Hötte glaubt, dass sie im Sauerland in Höhenlagen unter 600 m fast vollständig verschwinden wird. Das bedeutet auch eine große Umstellung für die Sägewerke, die auf das „Massensortiment" Fichte eingestellt sind. Ein adäquater Ersatz sei derzeit nicht in Sicht. Die Waldzustandsberichte der Bundesländer melden, dass auch Buchen und Eichen langsam unter dem sinkenden Grundwasserspiegel leiden. Nun haben sich Bund und Länder auf dem Nationalen Waldgipfel im September 2019 auf ein 800 Millionen Euro umfassendes Rettungspaket für den deutschen Wald geeinigt. Umrüsten für den Klimawandel ist das Ziel. In Nordhrein-Westfalen gibt es ein Waldbaukonzept mit Handlungsempfehlungen für Waldbesitzer. Es liest sich wie eine Art Baukastensystem mit Wahlmöglichkeiten und verschiedenen „Waldentwicklungstypen".

Der Wald von Morgen ist für Förster eine echte Herausforderung. Klimaanpassungsfähige, naturnahe, nachhaltig bewirtschaftete Mischwälder mit mehr Laub- als Nadelbäumen sollen es sein. Aber welche Baumarten sind die richtigen? Diese Frage treibt auch Förster Hötte um. Eine allgemeingültige Antwort gibt es derzeit nicht, aber ein paar hochgehandelte Kandidaten, wie Douglasie, Roteiche oder Esskastanie. Bei der Wahl der Baumarten für den zukünftigen Wald geht es nicht zuletzt um Produktivität. In Nordrhein-Westfalen gehören fast 90 % des Waldes privaten Waldbesitzern. Deutschlandweit ist es knapp die Hälfte der Waldfläche. Den Wald fit machen für den Klimawandel, das ist für viele private Waldbesitzer auch angesichts der finanziellen Notlage schwierig. Sinkende Holzpreise aufgrund eines Überangebots an Fichtenholz machen ihnen zusätzlich zu schaffen. 

Die Douglasie zieht auch Hötte für die Zukunft in Betracht. Sie ist zwar exotisch, aber nicht mehr neu in Deutschland. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts pflanzten die Preußen sie zu Versuchszwecken in Westfalen an. Der aus dem Nordwesten Amerikas stammende Nadelbaum bevorzugt milde Winter und kommt besser mit Trockenheit zurecht als die Fichte. Mit ihren herzförmigen Wurzeln ist die Douglasie auch besser gegen Stürme gewappnet. Im Sauerland erreichen sie beachtliche Größen. Nach 20 Jahren bereits könne sie erste Erträge bringen, rechnet Hötte. Letztlich wird es nicht die eine Baumart geben. Vielmehr muss der Druck auf möglichst viele verschiedene Schultern, sprich Baumarten, verteilt werden, die standortgerecht angepflanzt werden. 

Die Suche nach „neuen“, klimaresistenteren Baumarten ist in vollem Gange. Dabei orientiert man sich einerseits an Regionen, in denen heute schon das deutsche Klima von Morgen herrscht. Andererseits gibt es auch heimischere Arten aus anderen Regionen, die bereits einen Unterschied machen könnten. So kann die polnische Buche viel mehr Feinwurzeln ausbilden als die deutsche Buche und somit besser Wasser speichern. Das konnte das Heinrich von Thünen-Institut des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in einem Experiment zeigen. 
 

Die Natur und ihre Methoden 

Die derzeitigen klimatischen Veränderungen passieren so schnell, dass sich der Wald und seine Baumarten nicht schnell genug anpassen können. Nicht schnell genug für die Forstwirtschaft so scheint es. Während sie mit dem Klimawandel ringt, genießt man im Nationalpark Harz den Luxus, der Natur in ihrem eigenen Umbauprozess zuzuschauen. In den Kernzonen, den sogenannten Naturdynamikzonen, die den Großteil der Nationalparkfläche ausmachen, ist der Wald sich selbst überlassen. Wäre der Wald ein Mensch, könnte man sagen, dass er sich hier neu erfindet. Altes muss weichen, damit Neues wachsen kann. Die Bilder der silbergrauen Baumgerippe toter Fichten, die in den Medien kursieren, besorgen viele Menschen. Friedhart Knolle, Naturschützer in der Nationalparkverwaltung Harz, sieht darin jedoch eine gute Tendenz: „Die Wildnisentwicklung ist in vollem Gange. Hier stirbt nicht der Wald, sondern nur ein unnatürlicher Waldzustand.“ 

Der Wald mag auf den ersten Blick trostlos aussehen, aber das ist Teil seiner Verwandlung von einem ehemals bewirtschafteten Wald hin zu einem Wildniswald. Die Natur baut sich hier selbst um. „Was wir hier gewohnt sind, sind die Bilder von Forsten, nicht von Wäldern“, sagt Knolle. Wir Menschen tun uns offenbar schwer damit Veränderungen zu akzeptieren, auch wenn es um unseren geliebten Wald geht. Die Natur ist da weniger zimperlich, sondern vielmehr konsequent. Parallelen sieht Knolle zu der Entwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald. Beim „Waldsterben“ in den 1980er Jahren aufgrund von saurem Regen und Luftverschmutzung verschwanden große Flächen der anfälligen Fichten-Monokulturen. Diese waren in den Zeiten der Köhlerei und des Bergbaus eine großartige menschliche Leistung. Im Nationalpark führt jedoch die Natur Regie und setzt andere Maßstäbe an. Sie rüstet um in einen gesünderen und natürlicheren Wald mit verschiedenen Arten. Das ist im Nationalpark Bayerischer Wald heute bereits zu sehen. 

Die Klimaerwärmung wirkt sich auf alle Wälder aus. „In Sachen Wildnis-entwicklung sind die Nationalparke jedoch ein Sonderfall und nicht mit den bewirtschafteten Wäldern vergleichbar“, betont Knolle. Der Nationalpark sei in seinem Erfolg nicht existenziell bedroht. „Das Faszinierende an Nationalparken ist, dass sie kein Ziel haben. Ziele haben nur Menschen. Wir lernen vom Wald, wie er sich jetzt anpasst.“ Die Rolle des Nationalparks Harz sieht Knolle darin, zu zeigen, wie sich Wälder derzeit ohne Einfluss des wirtschaftenden Menschen entwickeln. Ein wichtiger Beitrag für Forschung, Naturschutz und auch die Forstwirtschaft. Schließlich grenzt der Nationalpark direkt an Wirtschaftswälder. „Wir arbeiten eng mit den umgebenden Forstämtern zusammen. Wirtschaftswälder und Schutzwälder sind eine Einheit in einer gemeinsamen Waldstrategie.“ 

Naturschützer Friedhart Knolle
vom Nationalpark Harz © mifuxx.de 

Der Borkenkäfer macht keinen Unterschied zwischen Nationalpark und Wirtschaftswald. Er erscheint vielen als „Staatsfeind Nr. 1“ des deutschen Waldes, dabei ist er ein Teil des Ökosystems. Im Nationalpark ist seine Wirkung deutlicher sichtbar als in den benachbarten Wäldern, denn in den Kernzonen des Nationalparks greift der Mensch nicht in die Natur ein. In den sogenannten Entwicklungszonen wird teilweise aufgeräumt oder mit einzelnen Anpflanzungen nachgeholfen. Für Wirtschaftswälder ist der Borkenkäfer tatsächlich eine Bedrohung, deshalb gibt es rund um den Nationalpark Harz auch eine sogenannte „Borkenkäfer-Bekämpfungszone“. In diesem 500 m breiten Sicherheitsstreifen werden vom Borkenkäfer besiedelte Bäume konsequent gefällt und abtransportiert. „Letztlich trägt der Borkenkäfer dazu bei, ökologisch stabilere Wälder zu schaffen“, erklärt Knolle. In gesunden Mischwäldern treten Borkenkäfer nur auf kleinen Flächen auf und ihre Population bricht rasch wieder zusammen. Das Totholz ist eine wichtige Nahrungsquelle und Lebensraum für Tiere wie Spechte oder Fledermäuse, für viele Pilze, Insekten und Mikroorganismen, die die Nährstoffe des Holzes für nachwachsende Pflanzen verfügbar machen. Mit der entstehenden Wildnis halten auch andere Tiere wieder Einzug, Insekten, Vögel bis hin zu Säugetieren wie dem Luchs. Diese Entwicklungen finden im Nationalpark Harz bereits statt. Wanderer können die verschiedenen Stadien live mitverfolgen, z. B. auf dem 3 km langen Borkenkäferpfad bei Ilsenburg oder beim Aufstieg auf die Achtermannshöhe und den Brocken. 

Sorgen macht Friedhart Knolle und seinen Kollegen dennoch das Tempo, in dem die Verwandlung geschieht. „Die galoppierende Erwärmung entwickelt den Wald schneller und anders, als er das normalerweise tun würde.“ Auch er mag die Frage nach der Zukunft des deutschen Waldes nicht eindeutig beantworten: „Wenn Sie mir sagen, wie die Industriegesellschaft sich entwickelt, sage ich Ihnen, wie der Wald bald aussieht.“ Knolles Lieblingsbaum ist übrigens ein ganz bestimmter: „Der alte Kirschbaum in meinem Garten. Er ist jetzt nur noch Totholz und bleibt trotzdem stehen.“


Weiterführende Infos:

Beitrag von Jakob Derks, Resilience-Blog, EFI (englische Sprache)

Wanderungen im Naturpark Arnsberger Wald "WaldKulTour erleben"

Initiative "Der Wald ruft"
Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Umweltbundesamt "Forstwirtschaft"
Bundesminsterium für Ernährung und Landwirtschaft "Wald und Forstwirtschaft in Deutschland"

arte-Mediathek "Die Waldretter"
Mediathek Bayerischer Rundfunk "Wald der Zukunft"
ZDF-Mediathek "Streit um Irlands Baumplantagen"