In der Reihe „Fit für's Wandern" geht es darum, das Wandern mehr genießen, vielleicht auch höher, schneller oder weiter wandern zu können, und körperliche Einschränkungen zu minimieren. Sportwissenschaftler Marwin Isenberg zeigt einfache Übungen für zuhause oder direkt auf dem Wanderweg, mit denen du deinen Körper vorbereiten kannst.
Viele Schmerzen, die beim Wandern entstehen, sind auf eine unzureichende Gelenkkontrolle zurückzuführen. Um deine Wanderung so richtig genießen zu können, zeige ich dir in diesem Beitrag Übungen, mit denen du deine Gelenke optimal für eine Wanderung vorbereiten kannst (Prävention) und nach der Wanderung wieder entspannen bzw. ihre Funktion wieder herstellen kannst (Rehabilitation).
Warum es sich lohnt, deine Gelenke auf eine Wanderung vorzubereiten
Gehst du einen Berg hinab und deine Knie bewegen sich unkontrolliert, kann das zu erhöhten Stressreizen im Sehnen- und Bandapparat des Knies kommen. Für diese überhöhten Kraftanstrengungen ist das durchschnittliche Knie aufgrund langer sitzender Bürotage und Tätigkeiten nicht vorbereitet und reagiert deshalb mit Schmerz. Eine ähnliche Situation ergibt sich für die Hüften, wenn du querfeldein gehst oder du einen hindernisreichen Weg überwindest. Hier profitierst du von Hüften, die sich frei und geschmeidig nach oben, hinten und seitwärts bewegen können, also an den vollen Bewegungsradius gewöhnt sind. Sprunggelenken, die regelmäßig in allen Bewegungsrichtungen gefordert werden, kann ein plötzliches Umknicken weniger schaden. Sprunggelenke, die nur einen 90° Winkel vom Sitzen und Stehen gewohnt sind, reagieren hier in der Regel nicht so nachgiebig.
Gelenke stärken mit CARs-Übungen
Wann immer du dich irgendwie bewegst, bewegen sich deine Gelenke. Sie verhalten sich in einer bestimmten Art und Weise zueinander. Um die Kapazitäten der einzelnen Gelenke resilienter zu machen und schließlich auszuweiten, empfehle ich dir die sogenannten CARs-Übungen. CARs (controlled articular rotations) bedeuten: kontrollierte Gelenkrotationen nach dem amerikanischen Physiologen Dr. Andreo Spina. In meinem Buch „Endlich wieder schmerzfrei Wandern“ erkläre ich die CARs ausführlicher.
„Das Prinzip dieser Übungen ist simpel, aber sehr effizient. Und es ist auf alle anderen Übungen übertragbar. Sie können fast alle großen Gelenke Ihres Körpers in größtmöglichen Kreisen bewegen und so die Bewegungsfreiheit Ihrer Gelenkkapsel verbessern. Dabei sollten Sie jedoch immer spezifische Schmerzpunkte und Ausweichbewegungen im Blick behalten.“ (Auszug aus dem Buch „Endlich wieder schmerzfrei Wandern“, S. 82)
Mache dich mit diesen CARs-Übungen resilient und stärke nicht nur deine Gelenke, sondern auch dein Vertrauen in deinen eigenen Körper! Selbstsicherheit ist ein unverzichtbarer Teil jeder anspruchsvolleren Wanderung.
Zur Durchführung der CARs-Übungen und zum besseren Verständnis des Prinzips, beachte bitte meine Erläuterungen zu Beginn des untenstehenden Videos.
Die wichtigsten CARs für's Wandern
Hüftgelenke: Wir bewegen die Hüften in ihrem größtmöglichen verfügbaren Bewegungsrahmen. Unterwegs kommen verschiedenste Szenarien und Bewegungsanforderungen auf unser Hüftgelenk zu. Wenn du dein Bein nach vorn hebst, musst du möglichst viel Höhe erreichen, um auch am Berg mühelos vorwärtszukommen. Das Abspreizen des Oberschenkels zur Seite entspricht der Bewegung eines Seitwärtsschrittes oder auch einem unbeabsichtigten Wegrutschen deines Beines am Hang. Die Bewegung des Beines nach hinten ist wichtig, um deine hinteren Oberschenkel- und Gesäßmuskeln auf die Belastung beim Bergaufgehen vorzubereiten.
Kniegelenke: Eine Wurzel, die man nicht sieht oder ein schlammiger rutschiger Untergrund können zu unerwarteten Verdrehungen führen. Je besser ihr Knie daran gewöhnt ist, desto weniger wahrscheinlich ist eine böse Verletzung. Wir bewegen die Knie deshalb in jede mögliche Richtung und bereiten sie dadurch so gut vor, dass nur noch wenig zu einem Sturz oder einer Verletzung führen kann. Das Kniegelenk kann nämlich nicht nur beugen und strecken, sondern auch rotieren. Wer dies regelmäßig macht, beugt unabsichtlichen und schmerzhaften Verdrehungen des Knies vor.
Sprunggelenke: Wir bewegen die Sprunggelenke so wie sie es brauchen, durch ihren ganzen Bewegungsradius. Oftmals besteht Furcht vor unnötigem Umknicken. Diese Übung hilft besser als jeder hohe Schuh, denn er stabilisiert die Bänder und Sehnen, die über ihre Knöchel ziehen. Umknicken kann man, gerade im ermüdeten Zustand, nicht vermeiden. Umso wichtiger ist es die Füße möglichst abwechslungsreich im Vorfeld einer Wanderung zu trainieren und zu erwärmen. Aus dem Büro Alltag sind diese nämlich üblicherweise nur einen 90° Winkel gewohnt.
Video zum Mitmachen
Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes zeige ich im Video CARs-Übungen für Gelenke des ganzen Körpers, z. B. auch für die Schulter, Halswirbelsäule oder Handgelenk. Für Wandernde sind die Gelenke des Unterkörpers, wie Hüfte, Knie und Sprunggelenke am interessantesten. Die Übungen dazu siehst du im Video ab Minute 12:48. Für eine langfristige Gesundheit empfiehlt es sich, die CARS-Übungen am besten täglich zu durchlaufen.
Die CARS-Übungen werden in meinem Buch „Endlich wieder schmerzfrei Wandern“ ausführlich und mit vielen weiteren Tipps vorgestellt. Darüber hinaus findest du zu den entsprechenden Körperbereichen weitere sinnvolle Übungen und die Erklärung meines ausgeklügeltes Trainingssystems. Trainingspläne und Outdoor-Workouts für spezifische Schmerzproblematiken und Tourenziele sind ebenfalls Inhalt des Buches.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Üben und all deinen Abenteuern!
Dein Marwin
Marwin Isenberg, Sportwissenschaftler und Personaltrainer, hat sich mit seinem Studio Gipfelgang auf Wanderfitness spezialisiert. In einem Interview mit dem Wandermagazin beantwortet er Fragen wie z.B. „Warum muss man sich fürs Wandern fitmachen?" Oder „Was sind die häufigsten Ursachen für Schmerzen beim Wandern?"
Sein Buch „Endlich wieder schmerzfrei Wandern“ ist 2023 im Becker Joest Volk Verlag erscheinen.