von Ausrüstungsexperte Ralf Stefan Beppler

Wir wundern uns, warum ein guter Handschuh oder ein Hut so viel kostet wie eine Trekkinghose oder ein Rucksack. An letzteren ist doch viel mehr „dran“. Hinsichtlich des reinen Stoffverbrauchs mag das stimmen, wenn es aber um Design, Details und Funktionen geht, sind Accessoires zumeist ganz groß – und aufwendig.

Sonne, Tour und Sonnenbrand

Am liebsten machen wir Touren bei schönem Wetter. Sonnenschein ist gut fürs Gemüt, aber schlecht für die Haut. Laut einer Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung, veröffentlicht im Journal JAMA Dermatology, gab es im Jahr 2020 schätzungsweise 57.000 Todesfälle durch Hautkrebs. Bis 2040 sollen es pro Jahr sogar noch 68 % mehr sein. „Es ist wirklich wichtig, dass die Leute vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Wir wissen zum Beispiel, dass das Tragen von Sonnencreme das Risiko auch im höheren Alter reduziert“, sagt Prof. Anne Cust vom Melanoma Institute Australia.

Textiler UV-Schutz

Neben Sonnencremes leisten auch Accessoires mit UV-Schutzfunktion wichtige Dienste. So leuchtet es ein, dass in Australien eine Kopfbedeckung mit Nackenschutz und breitem Schirm Pflichtbestandteil der Schuluniform ist. Eine Mütze mit breitem Schattenwurf sollte also auch ein essentieller Bestandteil einer Trekkingausrüstung sein. Wirklich sicher ist das Material aber erst dann, wenn es einen UPF (Ultraviolett Protection Factor) hat. Dabei gilt, wie beim Sonnencreme-Lichtschutzfaktor (LSF): Mit UPF 30 kann man 30 mal länger in der Sonne sein als ohne Schutz.

  • Um den UPF zu ermitteln, wird die UV-Durchlässigkeit eines Stoffes gemessen. Eine definierte Dosis UV-A und UV-B-Strahlung, vergleichbar mit der Mittagssonne, wird auf ein Stück Stoff projiziert und dann geschaut, welche Dosis jenseits des Stoffes noch messbar ist.

Allerdings schützt längst nicht alles, was als UV-Schutz angegeben wird. Das ZDF-Verbrauchermagazin WISO testete 2015 die Tauglichkeit von UV-Schutzbekleidung von Markenherstellern und ermittelte, dass vier von zehn getesteten Produkten nicht einmal im Neuzustand UV-Strahlung abhielten. Weitere drei Produkte hielten nach Gebrauch und mehrmaligen Waschen nicht stand.

Da es keine gesetzliche Grundlage für die Definition der Schutzfunktion gibt, ist es wichtig, dass der UV-Schutz zertifiziert ist.

Drei UV-Schutz Standards beherrschen den Markt:

  • Als erster kam der Standard „AS/NZS 4399“ – wenig verwunderlich – aus Australien und Neuseeland. Er empfiehlt einen Mindest-UPF 50 und damit mehr als die anderen Standards. Nachteil: Stoffe werden nur im Neuzustand geprüft und zertifiziert.
     
  • In den USA erfolgt die Bewertung des UV-Schutzes von Bekleidung durch drei Normen: AATCC 183 (Messformel und Testapparatur), ASTM 6544 (Stoffzustand) sowie ASTM 6603 (Label). Während Messformel und Apparateaufbau dem australisch-neuseeländischen Standard ähneln, wird das Gewebe immerhin nach 40 Waschzyklen und 100 Stunden Tageslicht gemessen. Bei Badebekleidung spielt zudem die Chlorresistenz eine Rolle. Die Klassifizierung ist zwei Jahre gültig. Als „gut“ gilt UPF 15-24, als „sehr gut“ UPF 25-39 und als „ausgezeichnet“ UPF 40+.
     
  • Als höchster Standard gilt der u. a. von den Hohenstein Instituten ermittelte „UV-Standard 801“. Der große Vorteil: Er simuliert typische Tragesituationen eines Bekleidungsstücks, darunter Nässe, Dehnung, Abrieb und Alter. Dabei bewertet der UV-Standard 801 ausschließlich den während der Gebrauchsprüfungen festgestellten niedrigsten UV-Schutz- Faktor. Ein Bekleidungsstück mit dem Wert „Protect 20“ bietet guten Schutz. Er kann sogar besser sein als ein UPF 50+ nach dem AS/NZ 4399-Standard, wenn das Teil erstmal ein Jahr alt ist, häufig genutzt und stark beansprucht wurde.

Inhärenter UV-Schutz

Textilien können mit UV-Schutz zusätzlich ausgestattet werden, sie können aber auch einen inhärenten UV-Schutz besitzen, ihn also von Natur aus mitbringen. Die UPF-Angabe erfolgt dann ohne Zertifikat. Das ist zwar weniger verlässlich, es gibt aber Regeln zur Orientierung:

  • Je dünner, weitmaschiger und lockerer der Stoff gewebt ist, desto geringer die Schutzleistung.
  • Matte Fasern absorbieren und blocken UV-Strahlung besser als glänzende oder glatte Fasern.
  • Dunkle Farben absorbieren UV-Strahlung besser als helle.
  • Naturfasern, vor allem Baumwolle, weisen eine höhere Fasertransmission auf durch ihre natürliche, uneinheitliche Gewebestruktur.
  • Chemiefasern wie Polyester oder Polyamid reflektieren UV-Strahlung besser durch eingebundenes Titanoxid. Dazu können sie zu dichteren Flächengebilden verarbeitet werden.

Auch die Nutzung wirkt sich auf den Schutzfaktor aus. Alte Fasern erlauben mehr Transmission als neue Fasern. Dehnung erhöht die Durchlässigkeit und auch Nässe wirkt sich auf den UV-Schutz negativ aus. Vor allem Baumwolle wird durch Nässe quasi durchsichtig und reduziert den UV-Schutz erheblich. Wenn die Sonne herunterbrennt, sind dicke UV-dichtere Stoffe allerdings nicht eben praktisch. Bei einer Mütze oder einem Hut geht das vielleicht noch, bei einem Shirt wird es aber unangenehm.

Sinnvoll ausgerüstet

Die Sonne sollte auch im Frühling oder Frühsommer nicht unterschätzt werden. Erstens ist die Haut nach dem langen Winter anfälliger und zweitens entwickelt die Sonne auch früh im Jahr starke UV-Strahlung. Man sollte auch diffuses Licht nicht unterschätzen, ebenso wenig Schatten. Vor allem kleine Schattenflächen wie Sonnenschirme oder einzelne Bäume bieten keinen 100%-Schutz. Und natürlich ist Wasser ein gefährlicher Faktor, weil es UV-Licht reflektiert.

Neben Mütze oder Hut mit breiter Krempe gibt es weitere sinnvolle Sonnenschutzaccessoires fürs Aktivsein draußen, an die man vielleicht erstmal gar nicht denkt.

  • Handschuhe gehören dazu. Ist man viel im Wald unterwegs, ist die Sonne kein Problem. Bei Bergwanderungen sieht es schon anders aus. Dünne UV-Schutz-Handschuhe werden z. B. beim Paddeln oder Fliegenfischen häufig genutzt und sind im entsprechenden Fachhandel erhältlich. Auch manche Radhandschuhe haben auf der Oberseite UV-Schutzstoffe.
  • Vielseitig verwendbar sind auch Multifunktionsoder Schlauchtücher aus UV-zertifizierten Materialien. Sie schützen nicht nur den Nacken, sondern können auch als Mütze, Stirnband oder Handstulpen verwendet werden.

Und trotz UV-Schutz-Accessoires gilt: Eine wasser- (schweiß-)feste Sonnencreme mit LSF 30+ und mehr gehört immer ins Gepäck.