Diese fünftägige Wanderung von Brixen nach Bozen ist aus mehreren Gründen besonders empfehlenswert:
• angemessene Etappenlängen mit mäßiger Belastung
• hervorragende Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel
• preiswerte und sehr gastfreundlichen Unterkünfte
• eine Routenwahl, die auch bei einem Schlechtwettereinbruch eine Durchführung gestattet
• keine alpinen Gefahrenstellen
• kunstgeschichtliche Sehenswürdigkeiten
• vielseitige Flora
• und schließlich die großartigen Ausblicke auf viele berühmte Berge der Südalpen.
>> Eine genaue Wegbeschreibung, Einkehrmöglichkeiten und den GPX-Track findet ihr im Tourenportal.
Tag 1: Von Brixen über Bergwiesen und Gehöfte nach Verdings
Da wir am ersten Tag nur etwa viereinhalb Stunden wandern müssen, besuchen wir vor dem Aufstieg das über 1100 Jahre alte Brixen mit der fürstbischöflichen Hofburg, dem Dom, der Stadtpfarrkirche, dem Gedenkstein für Oswald von Wolkenstein und die Laubengänge. Nach kurzer Wanderung sind wir dann von Weingärten, Kastanienbäumen und Wiesen umgeben. Abgeschliffene Gesteine erinnern uns daran, dass das Eisacktal einst von einem mächtigen Gletscherstrom erfüllt gewesen ist. Bald erblicken wir im Osten die ersten Felsenberge der Dolomiten. Nach dem Besuch des Schlosses von Feldthurns, der einstigen Sommerresidenz der Bischöfe von Brixen, erreichen wir Verdings, unser Ziel des ersten Tages.
Tag 2: Über Villanders in das autofreie Bad Dreikirchen
Gemächlich wandern wir anderntags leicht absteigend in das Thinnebach-Tal. Dann steigen wir langsam und bedächtig die 300 Höhenmeter in das ehemalige Bergbaugebiet hinauf. Hier kann man besonders schön rasten und im Mai auf den Wiesen die auffallend großen Glockenblumen bewundern. In Villanders sollte man sich am Nachmittag etwas mehr Zeit lassen. Der Ort selbst mit seiner Kirche und der Bergfriedhof mit den Kreuzen aus Eisen sind sehenswert. Die Dorfstraße ist dadurch berühmt geworden, dass sie dem Maler Defregger für sein Bild „Letztes Aufgebot“ als Vorlage diente. Und noch eine Attraktion wartet an diesem Tag auf uns: Bad Dreikirchen. Wer diese jahrhundertealte, aus wenigen Gebäuden bestehende Siedlung in 1120 m Höhe besuchen will, muss wandern. Man soll von Dreikirchen 40 Kirchtürme erblicken können.
Tag 3: Drei kleine Kirchen, ein Panoramaweg und Erdpyramiden auf dem Weg nach Lengemoos
Bis heute hat man noch keine befriedigende Erklärung, warum die drei Kirchen an dem entlegenen Ort errichtet wurden. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Theorien. Sicher ist, dass die hier befindlichen Quellen Heilkräfte besitzen und schon in vorchristlicher Zeit bekannt waren. Ein bereits den Heiden heiliger Ort? Als Gründer der Kirchen werden Bischöfe, Kranke und auch Einsiedler genannt. Die Gertraudskirche ist sicher am ältesten. Sie wurde bereits 1237 erwähnt. Die rechte Seitentüre mit der Rundform, die Schlußsteine der Kreuzrippen und das Taufbecken sind romanisch, der Chorbogen und die Eingangstüre gotisch.
Nach einer uralten Volksmeinung in Südtirol muss jeder Verstorbene drei Tage bei der heiligen Gertraud verweilen, ehe seine Seele in den Himmel gelangt. Die Nikolauskirche soll nach der Sage ihre Entstehung in Not geratenen Bergknappen verdanken. Der Flügelaltar gilt als bedeutendes Werk der Tiroler Spätgotik und stammt wahrscheinlich aus der Werkstatt des Brixener Bildschnitzers und Malers Hans Klocker. Die Magdalenenkirche ist etwas größer und in ihrer heutigen Form um 1500 entstanden. Tief beeindruckt verlassen wir das „Juwel über dem Eisacktal“.
Bald erreichen wir Barbian, dessen Kirchturm glatt mit dem schiefen Turm von Pisa konkurrieren könnte. Nach der Ortschaft Barbian bleiben wir auf dem Keschtnweg der hier auf der Straße verläuft. Am Hof Penn biegt die Route kurzzeitig von der Straße ab und erreicht diese bei einer Bachquerung wieder. An einer folgenden Weggabelung verläßt man die Straße und steigt nach rechts auf um dann etwa auf gleicher Höhe mit herrlichen Ausblicken auf Plattkofel, Schlern und Rosengartengruppe zu wandern. Dann erreichen wir Lengmoos mit der Wallfahrtskirche Maria Saal und den berühmten Erdpyramiden.
Tag 4: Auf die Schwarzseespitze zur großen Südalpenschau nach Wangen
Ehe wir die Rittner Stube erreichen, können wir uns in einem Laden mit Proviant für die etwas längere Tour versehen. Muss ich noch erwähnen, dass der Aufstieg über Bad Sieß zur Talstation der Seilbahn wieder sehr aussichtsreich wird? Zu toppen ist der Blick nur vom Ausblick, den die Schwarzseespitze bei einigermaßen guter Sicht bietet: Peitlerkofel, Geislergruppe, Grödner Tal, Sellagruppe mit Boé, Langkofel, Plattkofel, Marmolata, Schlern, Latemargruppe, Fleimstaler Berge, Trientiner Alpen, Brenta, Adamello, Presanella, Ortlergruppe und Ötztaler Alpen. Der Abstieg nach Wangen ist völlig ungefährlich auf meist breiten und bequemen Wegen.
Der Mai ist für diese Tour besonders zu empfehlen, wenn die großen gelben Berganemonen zu Hunderten blühen und die Lärchen mit frischem Grün überzogen sind. Oder der Oktober, wenn das Gold der Nadeln unter einem tief blauen Himmel leuchtet und der Blick bis zu den fernen, schneebedeckten Bergen reicht.
Tag 5: Über Oberbozen nach Bozen
Um von Wangen nach Oberbozen zu gelangen, müssen wir wieder etwas steigen, denn der Ritten ist hier durch den Wangenbach und dessen Seitenbäche tief zerfurcht. Aber bald haben wir die bewaldete Schlucht hinter uns gelassen und sind wieder auf den aussichtsreichen Höhen von Oberbozen. Diese fast 1000 m über Etschtal gelegene Siedlung war beliebter Sommeraufenthalt der Bozener Patrizierfamilien. Hier kann man die Wanderung beenden und mit der Seilbahn hinabfahren, aber auch der Abstieg ist noch sehr schön. Genügend Zeit, langsam Abschied von dieser herrlichen Landschaft zu nehmen.
>> Eine genaue Wegbeschreibung, Einkehrmöglichkeiten und den GPX-Track findet ihr im Tourenportal.
Dr. Konrad Lechner ist passionierter Wanderführer im In- und Ausland und wurde 2008 zum Ehrenwanderführer des Deutschen Wanderverbandes ernannt. Die beliebte Serie "Konrads Überquerungen" erschien von 2002-2012 im Wandermagazin. Wir holen die Touren über große und kleine Gebirgszüge nun aus dem Archiv und veröffentlichen sie hier in überarbeiteter Fassung.