Steffen Hoppe ist das, was man einen Globetrotter nennt. Asien, Afrika, Südamerika … Jetzt möchte er die Alpen, für ihn eine Ruheoase auf dem europäischen Kontinent, zu Fuß erleben.

Ungefähr 35 Wandertage hat der passionierte Bergsteiger für die Alpenüberquerung vorgesehen. Am 1. Juli wird er am Königssee aufbrechen. Von hier geht es Richtung Süden über die Tauern, die Rieserfernergruppe und die Dolomiten bis zum Gardasee. Währenddessen dürfen wir von seinen Erlebnissen hier und auf Facebook berichten.

Sein Freund und Wandermagazin-Chefredakteur, Thorsten Hoyer begleitet ihn an den ersten drei Tagen. Zum „Eingehen“ waren die beiden zusammen auf dem Wispertalsteig unterwegs.

Die Kamera ist für Steffen Hoppe eines der wichtigsten Utensilien auf Reisen, denn seine Fotos sind bei den Zuschauern seiner Vorträge äußerst beliebt. So beliebt, dass er inzwischen davon leben kann. Sie zeigen nicht nur wunderschöne Landschaften, sondern vor allem auch die Menschen und erzählen Geschichten, lebendig, einfühlsam und ironisch. Sie nehmen uns mit auf die Reise, dieses Mal über die Alpen. 


Hier berichtet Steffen Hoppe aktuell von seiner Alpenüberquerung:


Vom Königssee nach Bruck

05. Juli 2019

Das Licht zuckt kurz grell auf, gleich darauf kracht es, dass die Magengrube bebt. Umkehren, nur umkehren. Tropfnass, aber lebendig sind Thorsten, Ludger und ich eine halbe Stunde später wieder im Kärlinger Haus zurück. Eigentlich wäre heute am ersten Tag das Riemannhaus unser Ziel, aber nicht bei diesem Donnerwetter. Mit schelmischem Grinsen weist uns die Hüttenwirtin drei Notlager in der Hundebox zu. Aber das Tier sei heute nicht da, unser Glück. Die Hundebox entpuppt sich aber als ein gemütliches Bettenlager.

Am Königssee ​​​​​

 

Gewitter​​​​

 

Funtensee

Stille, nichts als Stille. Diese wilde Natur ist jeden Schritt, jedes frühe Aufstehen wert. Ausgedehnte Altschneefelder bedecken noch die Kalkwellen des Steinernen Meers, was die Orientierung auf unserem Weg hinauf in die Buchauerscharte zum Teil erschwert. Aber kurz vor dem nervös werden, sehen wir immer wieder ein weiteres rot-weißes Wegzeichen. Graue Wolken jagen über uns hinweg, hier und da ein Fetzen blauer Himmel. Von der Scharte führt der Steig steil über klein-und grobsplittriges Geröll nach unten. 1400 Meter tiefer locken die ersten Gasthöfe in Maria Alm. Leider muss Thorsten morgen wieder nach Deutschland zurück.

Zur Buchauerscharte

 

Abstieg nach Maria Alm

 

Abstieg nach Maria Alm​​​​​​

Bis zu drei Meter Schnee sind im letzten Winter gefallen, statt im Mai konnte die Hütte erst Mitte Juni geöffnet werden. Frau Hasenauer, die Hüttenwirtin des Statzer Haus, schüttelt nachdenklich den Kopf, wenn sie an den letzten Winter zurück denkt. Und jetzt? Da kommen die Gewitter. Letztes Jahr hat sie nachts in der Küche gesessen, hatte Angst, dass der heulende Sturm das Dach weghaut. Heute Abend ist es ruhig, kein Sturm, alle Tagesgäste sind gegangen. Nur neun Personen, incl. Ludger und mir, sind geblieben. Draußen erlischt die letzte Tageshelligkeit, richtig hell war es selten heute. Viele Nebel zogen beständig um den Gipfel des Hundstein, 2117 m., dem höchsten Grasberg Europas. Erst der späte Nachmittag ließ kurz aufblitzen, in was für einer unglaublichen Panoramalage sich das Statzer Haus befindet. Doch der Morgen feiert uneingeschränkt das Leben, die Farben und was weis ich nicht alles: Nebelbänke im Tal, langstreckte Wolkenzirren am blauen Himmel, im Süden steht das Bollwerk der majestätischen Gipfel der Hohen Tauern. Dort wollen wir als nächstes hin. Gut, wenn der Weg noch ein weiter ist.

Sonnenaufgang Statzer Haus

 

Statzer Haus

 

Das Wetter gibt den Weg vor

07. Juli 2019

„Das spannende an dieser Tour ist, du kannst eigentlich nichts planen. Das Wetter, die Verhältnisse, geben den Weg vor.“ Wie oft habe ich diesen Satz daheim Freunden und Bekannten erzählt. Die letzten Jahre bin ich meistens nur nach Überprüfung von zig Wetterberichten, umfangreichen Hochdruckgebieten von Gibraltar bis in den Ural, für einige Tage in die Berge gefahren. Prächtig war`s, viele Gipfel bestiegen. Aber irgendwie ging auch ein wenig das Gefühl für das Wetter und die Launen der Natur verloren.

Am Wiesbachhorn

 

Schwaiger Haus

Und diese Alpentraverse sollte all das zurück bringen. Ja. In dieser ersten Woche hatten wir gestern einen wahrhaft ¾ Tag richtig blauen Himmel. Den nutzten wir, um das Große Wiesbachhorn (3.564 m) und den Hinteren Bratschenkopf (3.416 m) zu besteigen. Und heute? Traumhaft schöne Tour über das Kapruner Törl zum Berghotel Rudolfshütte. Die Hüttenwirtin der Schwaiger Hütte gibt uns noch mit auf den Weg, der Wetterbericht sei greißlig gemeldet. Und dann beginnen die Tauernwasserspiele: Am Stausee Mooserboden überqueren wir ein halbes dutzend Bäche, bevor wir später im `white out´ (früher sagte man Nebel) ratlos an einem richtigen Bach stehen. Keine Brücke. Zum Glück finden wir einen Übergang, Springen mit schwerem Rucksack sollte olympische Disziplin werden. Dazu Regen, nur für 20 Minuten, aber heftig. Über weite Schneefelder steigen wir ins Kapruner Törl. Sonne, urplötzliche Hitze. „Wird ein sonniger Nachmittag!“, jubiliere ich. In Echtzeit nur für ca. 50 Minuten. Rasante Quellwolkenbildung, prasselnder Regen. Die letzten 200 Höhenmeter zur Rudolfshütte steigen wir wieder in der Sonne auf, während am Taleingang blau-schwarze Wolken und rollender Donner bereit stehen.

Kapruner Törl

 

Zur Rudolsfhütte

Aber was für Eindrücke, auf einer so langen Tour dem Wetter dermaßen ausgesetzt zu sein! Da genießt du jeden Sonnenstrahl, blickst hoch in die jagenden Nebel, irgendwo zeigt sich kurz einer der eisigen Tauerngipfel. Hey, ich vermisse die Wetterberichte immer weniger.

 

Lichtstrahl in den Hohen Tauern

15. Juli 2019

Wieder die Regenjacke anziehen, wieder raus in den Sprühregen. Langsam schrauben wir uns in Serpentinen oberhalb des Berghotels Rudolfshütte hinauf zum Kaiser Tauern (2515m.). Unter uns treiben matt weiße Eisschollen über das graue Wasser des Weißsees. Nur einen Moment Sonne wünsche ich mir. Dort, oberhalb der Granatspitze, wird da der Himmel nicht zartblau? Tatsächlich, wenige Minuten später glänzen blendend weiße Eisschollen auf einen türkisfarbenen Stausee. Das Wunder währt nicht lange, bald schon kehren die Wolken zurück. Es ein einsamer Weg hinüber zum Kalser Tauernhaus (1755m.), erst nach Stunden am Dorfer See sehen wir wieder die ersten Menschen. Da hat schon längst wieder Regen eingesetzt.

Eissee

Kennen Sie den Weg vom Kalser Tauernhaus über den Gradötzsattel (2826m.) zur Sudetendeutschenhütte (2650m.)? Nein? Ich glaube er ist wunderschön. Wissen tue ich es nicht genau, denn der Nebel ist für viele Stunden unser ständiger Begleiter. Aber aus dem pulsierenden Grau tauchen östlich von uns dann und wann riesige Spaltensysteme diverser Gletscher im Großglocknergebiet auf. Andere Wanderer? Fehlanzeige. Die Einsamkeit auf dieser Route ist unbeschreiblich. Am frühen Nachmittag stoßen wir die Eingangstür der Sudetendeutschenhütte auf und werden mit einem freundlichen „Namasde“ begrüßt. Das Sherpaehepaar Kami und Ang führen seit 2018 die Hütte. Auf der Speisekarte stehen neben üblichen Gerichten aus Tirol auch Everest und Sherpa Momos (div. gefüllte Teigtaschen). Es wird ein unvergesslicher Nachmittag voller Geschichten aus und über Nepal, das ich von privaten und beruflichen Touren seit 1991 kenne und ins Herz geschlossen habe. Ich verzeihe Kami, dass er statt Rakshi ziemlich viele Obstler serviert.

Wegzeichen​​​​​​
Sudetendeutsche Hütte

„Wir holen uns Erfrierungen, wenn wir nicht gleich absteigen“. Gerne würde ich Ludger verbal beipflichten, aber leider ist meine halbe Gesichtshälfte gefühllos vor Kälte. Nein, wir stehen nicht auf einem der Achttausender Nepals, sondern auf dem Muntanitz (3230m.). Einem großartigen Aussichtsgipfel in der Südlichen Granatspitzgruppe. Die Sonne scheint, aber der eiskalte Nordsturm lässt uns wie Besoffene über den breiten Gipfelbereich torkeln. Zum Greifen nahe im Osten der elegante Großglockner und im Nordwesten beherrscht das breite Firndach des Großvenedigers den Horizont. Genug, runter nur runter. Noch nie habe ich so eine Kälte im Sommer an einem Berg in den Alpen erlebt. Der Gipfelobstler bei Kami taut das Gesicht wieder auf und nach dem nächsten Obstler auf der herrlich gelegenen Steiner Alm ist die Welt sowieso in Ordnung. Mein Tipp: Bestellt dort mal eine Brettljause. Einziger Wehrmutstropfen ist der letzte Wegabschnitt bis Matrei in Osttirol entlang der lärmenden Felbertauernstraße. Der Obstler kann nicht alles richten.

Muntanitz

 

Dolomiten – eine andere Dimension

22. Juli 2019

Es hat sich so vieles verändert seit wir Osttirol verlassen haben. Dort hatten wir für uns völlig unbekannte Landschaften kennengelernt. Nein, keine Modegipfel, keine „da muss Du gewesen sein“ Höhenwege. Aber es war wild, wir saßen am Abend mit maximal 12 anderen Wanderern in gemütlichen Hütten, liefen phasenweise komplett einsam durch stille Hochtäler. Jetzt stehen am Horizont die mir seit langem bekannten Gipfel: Im Osten Sorapis, weiter im Süden der Monte Pelmo; und die Tofanen überragen den Talkessel von Cortina d´Ampezzo. Die Dolomiten, laut Reinhold Messner das schönste Gebirge der Welt. Für mich auch, ein Gebirge in das ich schon mit meinen Eltern fuhr, mit dem mich so viele Geschichten verbinden.

Aufsteig zur Seekofelhütte

 

Die Tofane 

Ich bin glücklich wieder hier zu sein. Kurz oberhalb der Seekofelhütte blicke ich auf ein wogendes Meer aus bizarren Zacken und massigen Klötzen. Aber die Einsamkeit, vielleicht auch ein Stück „Erlebnis Berge“ haben wir in Osttirol zurück gelassen. Die Seekofelhütte ist bis auf den letzten Platz gefüllt, doch das Team ist mit einem ungeheuren Spaß bei der Arbeit, das wir häufig laut loslachen. Wir, das sind weiterhin Ludger und ich und nun noch der Ralf, der uns seit Bruneck begleitet. Spannend ist jedoch die Zusammensetzung der Gäste: Eine große Gruppe Koreaner zählt sicher zu den absoluten Exoten, da ist eine vierköpfige Familie aus Seattle, Franzosen, Italiener und einige Deutsche. Eine übliche Hüttennacht im Lager geht endlich zu Ende.

Blick vom Seekofel zum Monte Sella di Sennes

 

Sennes Alp​​​​​​

 Kurz vor Sonnenaufgang steigen wir hinauf zum Seekofel. Mit jedem Schritt wird der Horizont weiter, lockere Wolken treiben ostwärts. Sonst viel blauer Himmel, selbst der Wind, der uns auf vielen Etappen begleitete, ruht heute früh. Finster ragen im Osten die abweisenden Nordwände der Drei Zinnen auf, weit im Süden glänzt das Gletscherdach der Marmolada. Im Schatten des frühen Tages ruht noch der Pragser Wildsee. Die ersten Wanderer verlassen gerade die Seekofelhütte auf dem Dolomitenhöhenweg 1. Unseren kleinen Mikrokosmos von gestern Abend, werden wir heute Nachmittag auf der La Varella Hütte wiedersehen. Toll, mit so vielen unterschiedlichen Menschen unterwegs zu sein, sie alle eint die Begeisterung in diesen einzigartigen Bergen unterwegs zu sein. Bevor wir den Seekofelgipfel verlassen, blicke ich nach Norden, zu den mir immer noch fremden Spitzen Osttirols. Irgendwann werde ich auch dort neue Geschichten erleben. Aber jetzt ist es an der Zeit, erneut in die Dolomiten einzutauchen.

Blick vom Sennes zur Fanesalp​​​​

Von Paradiesen

29. Juli 2019

„Die Fanes ist ein Paradies, sie ist mein Lebenselixier. Fast 15 Jahre habe ich in Namibia verbracht, aber einmal im Jahr kam ich immer wieder zurück für ein paar Tage. Hier oben habe ich früher auf die Kühe meiner Familie aufgepasst. Diese beiden Jahre waren die schönsten in meinem Leben.“ Kurt (Name geändert) blickt hinauf zum abendlichen Neuner. Wir sitzen vor seiner Privathütte. Ich genieße die Stille nach seinen Worten, weil sie stimmen, weil sie jemand spricht, der Teil dieser Landschaft war und heute wieder ist. Und weil die Ruhe der Fanes entspricht.

Die Fanes Hochfläche in den Südtiroler Dolomiten

Am nächsten Morgen wandern wir über die weite Hochfläche von Klein Fanes der Kreuzkofelscharte entgegen. Über Stunden hinweg scheinen wir uns auf der Stelle zu bewegen. Nur langsam verändern Neuner, Zehner und die anderen Gipfel ihre Position. Blumenteppiche liegen zwischen schroffen Kalkplatten. Trotz der Höhe ist es schwül, immer mehr Wolken treiben über letzte Resteblauen Himmels. „Wenn die Kühe nah beieinander stehen, gibt es Gewitter, die spüren das“, diese Worte gab uns Kurt heute früh mit auf den Weg. An der Kreuzkofelscharte blicken wir über tausend Höhenmeter hinab ins Abteital. Steil führt der mit Drahtseilen gesicherte Weg nach unten. Wäre ein Vergnügen, aber da der Donner eines Gewitters immer näher kommt, wünsche ich mir nur noch, schnell von hier weg zu kommen. Erste Tropfen fallen, Blitze zucken (zum Glück nicht direkt um uns herum), Donner kracht. Der nasse Untergrund, der schwere Rucksack. Die Verlockung ist zu groß, trotz des nahen Gewitters, ab und zu die Drahtseile anzupacken. Das Paradies hätten wir gerne nicht ganz so dramatisch verlassen. Am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, ist es auch noch nicht das Ende. Toller Spruch. Gut 1 ½ Stunden später sitzen wir vor der Heiligkreuzkofel Hütte in der Sonne.

An der Heiligkreuzkofelhütte

 

Die Langkofelhütte

Zwei Tage stabiles Wetter folgen. Nach einem weiten Weg über die mondähnliche Puez zur Regenburger Hütte, dem folgenden Abstieg ins quirlige Grödnertal, sitzen wir nun mit allen anderen Gästen entspannt vor der Langkofel Hütte. Es ist ein außergewöhnlich milder Abend. Letzte Sonnenstrahlen lassen die Felsen der Langkofelgruppe aufglühen. Einer der Besucher spielt Gitarre, der Rotwein funkelt im Glas. So viele Paradiese.

In der Puezgruppe

 

Langkofelhütte

 

Brenta – Das unsichtbare Gebirge

01. August 2019

Ja, es soll sie geben, die Brenta. Der Dolomitenzweig im Westen des Etschtals. Der Weg dorthin führte uns über die Überetscherhütte auf dem Mendelkamm und einen langen Abstieg ins Nonnstal. Von der Brenta keine Spur, auch als wir am Abend Tuénno erreichen. Es regnet die ganze Zeit. Seit Bozen begleitet uns meine Tochter Sandrine, die sich der Altherrenwanderung für die letzten 8 Tage bis zum Gardasee angeschlossen hat. Anderntags braucht die Sonne einen halben Tag, um sich ein wenig durch das graue Gewölk zu kämpfen. Der fantastische Lago di Tovel liegt schon weit unter uns. Niemand ist außer uns die fünf Stunden unterwegs, um die Graffer Hütte zu erreichen. Kein Wunder, von Madonna di Campiglio fährt man mühelos mit der Seilbahn bis fast vor die Hütte. Doch der einsame Weg durch das tiefe Val di S. Maria di Fiavona ist eine wunderbare Einstimmung auf die Brenta. Bären soll es hier geben, die sehen wir genau so wenig wie die Berge. Erst spät ziehen sich die Wolken zurück. Mächtige, im Abendrot leuchtende Wände, ragen in den Abendhimmel hinein. Trotzdem ist Stimmung getrübt. Ludger, mit dem ich seit dem Königsee unterwegs bin, muss uns aufgrund eines familiären Krankheitsfalles verlassen.

Aufbruch am Rifugio Graffer

 

Bocchette – Schartenweg in den Dolomiten

Die Brenta; wir fühlen sie unter unseren Sohlen, wir greifen sie mit den Händen, wir durchschreiten sie auf ausgesetzten Bändern auf dem Via delle Bocchette, tasten uns über steile Schneefelder und laufen spät am Nachmittag in die gemütliche Pedrottihütte ein, aber haben wir sie gesehen? Ja, für einige Stunden, aber dann hüllten die Quellwolken alle messerscharfen Grate, alle tief eingeschnittenen Scharten ein. Ich werde wiederkommen, zu gewaltig, zu aufwühlend ist die Szenerie, wenn sie dem Geduldigen einen Blick gewährt.

Der Cima Groste, Brentagruppe

 

Das Rifugio Pedrotti

Schon seit acht Uhr in der Früh legt sich ein Wolkenkranz um die Gipfel. Jetzt, gegen 11 Uhr, jagt das Echo der Donner von Wand zu Wand. Zum Glück misstraute ich dem Wetter, frühzeitig wichen wir auf den Sentiero Palmieri aus und sind nun schon weit unten im Val Ambiez. Blitz folgt auf Blitz, wir suchen ein wenig Deckung im dichten Wald, aus dem strömenden Regen wird krachender Hagel. Selbst die Bäume bieten nur wenig Schutz, Sandrine zieht ihren Steinschlaghelm auf, um die eisigen Himmelsgrüße abzuwehren. Eine halbe Stunde wüten über uns die Naturgewalten, dann endlich zieht das Gewitter ab. Eine gute Stunde später, völlig durchnässt, öffnen wir die Tür des Restaurante Dolomiti. Es ist warm, bald steht eine heiße Schokolade vor uns, die Welt hat uns wieder. Wir lernen Cäsar kennen, der uns eine Unterkunft in der Pension Lilly in San Lorenzo besorgt. Wir zögern keinen Moment, als er uns anbietet, die drei Kilometer in seinem Wagen mitzufahren. Er wohnt in einer Hütte oberhalb der Ortschaft San Lorenzo in Banale. Im Mai hatte er fünf Bären zu Besuch. Zum Abendessen kehren wir nochmals ins Dolomiti zurück. Die Wirtsleute empfangen uns wie uralte Freunde. Klar, der Kräuterschnaps nach dem Essen ist eine Geste des Chefs, der uns anschließend ins Dorf zurückbringt. Sterne leuchten und die Brenta ist wieder nicht zu sehen. Ob die letzen Tage nur ein Traum waren?

Hagel​​​​​​

 

Sonnenaufgang an der Pedrotti Hütte

 

Ankunft am Gardasee

03. August 2019

Nach der Durchquerung der Brenta kommt nun die Kür. Judikarien liegt vor uns. Zwei Tage nur noch bis zum Lago di Garda. Wir genießen die hellen, weiten offenen Hochebenen von Ponte Arche bis hinauf nach Ballino. Alte Dörfer und Kastelle liegen weit verstreut zwischen Maisfeldern, Apfelplantagen und Weinreben.
Natürlich, in den letzten Stunden begleitet uns das übliche Donnergrollen vorbei am azurblauen Lago di Tenno, durch dass mittelalterliche Dorf Tenno, hinab nach Riva del Garda.

Der Lago Tenno nach dem ersten Gewitter
Der Gardasee vor dem zweiten Gewitter

Einheimische und Urlauber laufen im Schutz ihrer Regenschirme durch die Altstadtgassen, aufgrund des Regens ist es trotz der Hauptsaison sehr ruhig. Zusammen mit Sandrine und Ralf stehe ich Minuten später fassungslos am Ufer, fünf Wochen liegen hinter mir. Ludger müsste jetzt dabei sein. Die eigentliche Tour ist vorbei, aber die Erlebnisse bleiben. Es bleibt eine Zeit, die mich den Alpen näher brachte, als manche Bergbesteigung in den Jahren zuvor.

Blick auf San Lorenzo

 

Fazit

Was braucht man? Gesunde Knochen, einen Rucksack, passende Schuhe. Wandern! Am Anfang dachte ich oft an den langen Weg bis in den Süden, irgendwann nur noch an die nächsten Tage und dann war lediglich der Moment wichtig. Wir zählten keine Kilometer, die nächsten Tage addiere ich vielleicht einmal die Höhenmeter. Das Wetter hat es nicht sonderlich gut mit uns gemeint. Launisch, wenige echte Schönwettertage. Da eignet sich evtl. der Herbst eher. Aber dafür erlebten wir eine unglaubliche Blütenpracht. Na ja, alles wird während einer so langen Zeitspanne nie passen. Jetzt erinnere ich mich an den Pensionsbesitzer in Gsies: „Das Zimmer ist im dritten Stock“, ich schnaufte kurz und meinte „nochmal heute so weit hinauf“. Da wandte er sich schmunzelnd um: „Gell, dös hört` nie auf?!“ 

Geschafft! Und endlich Prachtwetter

Alle Fotos: © Steffen Hoppe


Mehr zu Steffen Hoppe und seinen bisherigen Reisen erfahrt ihr auf www.babaldia.de.