Die Landschaft des Nationalpark Müritz hat eine besondere Anziehungskraft auf mich. Die Weite der Seen, die dichten Wälder und die idyllischen Moore bilden eine spezielle Kulisse. Ich fühle mich hier direkt wohl und zuhause. Über die schmalen Waldpfade könnte ich wohl stundenlang laufen und dabei einfach nur die Natur beobachten. Auf meinen Wanderungen durch den Park, der sich über 322 km² erstreckt, treffe ich oft lange Zeit keinen anderen Menschen. Besonders beeindruckend finde ich die zahlreichen Wasserlandschaften, in denen oft ganze Bäume tief im Wasser stehen.
Eingangstor zum Müritz-Nationalpark
Gerade in den Abendstunden wird der Nationalpark zu einem stimmungsvollen Ort, wenn die kleinen Wasserläufe und Seen im Abendlicht funkeln. Welch ein Glück, dass meine Unterkunft direkt am Rande dieses Naturparadieses liegt und ich jeden Abend die Möglichkeit habe, mit einer kurzen Wanderung den Tag ausklingen zu lassen.
Meine Unterkunft, Hotel Müritz Park, liegt in der beschaulichen Ortschaft Boek, zugehörig zum Landkreis Rechlin. Die Lage des Hotels ist ideal für Naturliebhaber:innen, denn von hier aus gelange ich in wenigen Minuten in den Nationalpark Müritz. Im gemütlichen ruhigen Hotel kann man sich wunderbar erholen. In Boek befindet sich das historische Gutshaus, das nach seiner Sanierung wieder als Nationalparkinformation dienen soll. Außerdem besuche ich die Boeker Backsteinkirche, die neben ihrer historischen Bedeutung auch regelmäßig Kunstausstellungen beherbergt. Bei dem anliegenden Campingplatz gibt es einen Badestrand und die Möglichkeit Kanus auszuleihen.
Ein Stück Naturgeschichte
Boek ist auch die Wahlheimat von Joachim Kobel, meinem Begleiter bei der heutigen Wanderung durch den Nationalpark. Der ehemalige Nationalparkmitarbeiter nimmt mich mit in die Vergangenheit und Gegenwart von Deutschlands größtem Land-Nationalpark. Das Gebiet diente lange als Jagdrevier des DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph, bevor es noch kurz vor der Wende im September 1990 zum Nationalpark erklärt wurde.
Heute erkunden wir den „Rundweg um die Boeker Senderwiesen“, einer von zahlreichen gut ausgeschilderten Wanderwegen im Nationalpark. Die einfachen Markierungen mit Symbolen wie Pilzen oder Vögeln erleichtert die Orientierung. Online kann auf der Übersichtsskarte je nach Geschmack der passende Weg ausgewählt werden. Während wir über die schmalen Pfade laufen, erzählt Kobel mir, dass die Natur im Nationalpark hauptsächlich sich selbst überlassen wird. Nur in Ausnahmefällen mischt sich der Mensch noch ein und bei Maßnahmen des Artenschutzes. Dadurch haben sich hier zahlreiche Tierarten angesiedelt, darunter über 200 Vogelarten. Ein besonderes Highlight ist der Fischadler, der die alten Strommasten als Brutplatz benutzt. Durch Joachim Kobels Fernglas kann ich einen Adlerhorst inmitten eines roten Mohnfeldes erkennen – ein besonderer Anblick dieses majestätische Tier ganz aus der Nähe zu sehen.
Joachim Kobel macht mich auch auf eine weitere faszinierende Besonderheit der Landschaft aufmerksam: Binnendünen. Sie entstanden nach dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren – der "Geburtststunde" der Mecklenburgischen Seenplatte – als der zurückweichende Gletscher den Sand freilegte. Zwischen den Bäumen versteckt, sind diese sandigen Eröhungen ein faszinierendes Relikt aus vergangenen Zeit.
Ein berührendes Tierschutzprojekt
Gespannt schaue ich durch den Zaun im Bärenwald Müritz. Die Binnendünen liegen hinter mir, heute schaue ich Bärin Dasha beim Baumklettern zu. Von meiner Anwesenheit scheint sie kaum Notiz zu nehmen und lebt ihren Bärenalltag. „Sie erkennt an unserer Kleidung, dass wir kein Futter für sie dabeihaben“, erklärt mir Pressespecherin Petra Konermann, mit der ich heute im Bärenwald unterwegs bin.
Das Projekt wurde von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten ins Leben gerufen, um Bären aus schlechter Haltung ein artgemäßes Leben zu geben. Artgemäß und nicht artgerecht, betont Petra Konermann, denn ein artgerechtes Leben können Bären eben nur in freier Natur haben. Wir spazieren durch den naturbelassenen Wald, der auch ohne Bären ein idyllischer Ort zum Verweilen ist. Entlang des Weges laden Mitmachstationen dazu ein, in die Welt dieser faszinierenden Tiere einzutauchen. So erfahre ich z. B. von der bewegten Vergangenheit sogenannter „Tanzbären“, die mit glühenden Kohlen gequält wurden, um das Publikum zu amüsieren, aber auch von privater Haltung in vergitterten Käfigen. Die Geschichten lassen mich betroffen zurück.
Wenn die Bären hierherkommen, müssen sie erst wieder lernen, was es heißt, ein Bär zu sein. Es dauert oft Jahre, bis sie ihre natürlichen Verhaltensweisen wiederentdecken, wie zum Beispiel die Winterruhe. Im Bärenwald unterstützen die Tierpfleger:innen diesen Prozess, indem sie den Tieren z. B. im Herbst weniger Futter als im Sommer geben. Es gibt Wasserstellen zur Fellpflege oder verstecktes Futter, denn normalerweise würden die Bären einen Großteil ihres Tages mit der Futtersuche verbringen. Da die Bären hier große Gehege haben, kann es vorkommen, dass man sie nicht sieht. Sie haben die Freiheit, sich zurückzuziehen, wann immer sie möchten, erzählt mir Petra Konermann.
Viele Besucher:innen kommen immer wieder, um nach den Bären zu schauen oder einfach einen schönen Tag im Wald zu verbringen. Das überrascht nicht, der Bärenwald ist ein Ort, an den man immer wieder gerne zurückkehrt. Das Tierschutzprojekt hat auch mich nachhaltig berührt.
Wiedergeburt einer Landschaft
Ein Besuch im Bärenwald bietet die perfekte Gelegenheit, die umliegenden spannende Natur zu erkunden. Das Wiedervernässungsgebiet Stuer ist eine ganz besondere Landschaft, denn sie existiert in dieser Form erst seit einigen Jahren. Während wir auf schmalen Wegen um die idyllische Seenlandschaft wandern, erzählt Petra Konermann mir von der außergewöhnlichen Geschichte von Stuerschen und Rogeezer See, die in den 1930er Jahren endgültig stillgelegt wurden, um Futterflächen für das Vieh zu werden. Erst durch die jahrelange hartnäckige Arbeit des ehemaligen Umweltamtsleiter Heiner Müller, wurde 1998 schließlich das Wasser zurückgeführt und die Seenlandschaft wieder zum Leben erweckt.
Mit dem Wasser kehrte auch die biologische Vielfalt zurück. Gefährdete Tierarten haben ihr Zuhause hier gefunden. Das Quaken der Frösche begleitet uns auf unserem Weg durch die naturbelassene Landschaft. Das Moor links, der See rechts – wir sind umringt von Wasser. Vor uns taucht plötzlich der Backsteinturm der Burgruine Stuer auf, ein beeindruckendes Bauwerk aus dem 14. Jahrhundert. Ursprünglich wurde sie als Wasserburg erbaut, heute kann man die Halbinsel über einen Wanderweg betreten. Die mächtigen Mauern aus Feldstein und Backstein stehen im Kontrast zu der grünen Umgebung. Ein ruhiger historischer Ort, an dem wir noch etwas verweilen, bevor wir uns auf dem Weg zurück zum Bärenwald machen.
Idyll am See
Eine kurze Fahrt genügt, um vom Bärenwald ins beschauliche Plau am See zu gelangen. Der Luftkurort entzückt mich mit den kopfsteingepflasterten Gassen und liebevollen kleinen Häusern mit Cafés und Läden. Mein Weg führt mich an den historischen Wahrzeichen der Stadt, dem mittelalterlichem Burgturm und der Marienkirche, vorbei. Am kleinen Hafen angekommen, laufe ich den Steg entlang und betrachte die kleinen Boote, die sich am Rand gesammelt haben. Hier steige ich auf den acht Meter hohen Leuchtturm, der mit einem Panoramablick über das Wasser belohnt. Der Plauer See liegt unter mir, seine dunklen Wassermassen kräuseln sich im Wind und scheinen bis zum Horizont zu reichen. Der Wind bläst mir ins Gesicht und ich genieße noch einmal die Ruhe. Das Wasser ist mein ständiger Begleiter auf dieser Reise durch die Mecklenburgische Seenplatte und macht diese Landschaft zu etwas ganz Besonderem.
Info: www.plau-tourismus.de & www.mueritz-nationalpark.de
Marieke Wist