1.900 km hat unsere Staffel auf dem E1, dem ersten der 12 europäischen Fernwanderwege, zurückgelegt, einmal längs durch Deutschland. Wir blicken gemeinsam mit unseren E1-Läufer:innen zurück auf die Fernwanderung und haben ihnen ein paar Fragen gestellt.

Initiative 12 Wege – 1 Europa

E1-Wandertagebuch 

1) Wenn du zurückblickst auf deine E1-Etappen,
welcher Moment ist dir besonders in Erinnerung geblieben und warum?

© Christian Wittig

Thorsten Hoyer: Ganz besonders ist mir der gemeinsame Start im dänischen Padborg, die anschließende Wanderung nach Flensburg und entlang der Ostsee und zur Schlei in Erinnerung geblieben. Ich liebe das Gefühl, einen langen Weg anzugehen – dann spüre ich Freiheit. Der Grund, dass ich Flensburg so mag, liegt bereits Jahrzehnte zurück. In der Stadt an der Förde erlebte ich die Wendezeit als Soldat an Bord eines U-Jagdbootes. Alles in allem war das wohl eine so prägende Zeit, dass ich mich der Stadt und der Region bis heute verbunden fühle.

© Michael Sänger

Michael Sänger: Ich bin 15 Etappen insgesamt in drei Blöcken, sieben, vier und vier Etappen, gelaufen. Geprägt durch die unterschiedlichen Jahreszeiten, spätes Frühjahr/Frühsommer, Hochsommer, Herbst, muss ich drei besondere Erinnerungen ansprechen: der wasserreiche Norden mit der steilen Ostseeküste und der schlangengleichen Schwentine, ein beeindruckender Nachweis für die landschaftsgestaltende Eiszeit. Dann die „Mythenbrücke“ vom Hameln des Rattenfängers zum Hermannsland auf und um den Teutoburger Wald und das Hegauer Kegelspiel nahe des Bodensees mit seinen burgbekrönten Vulkanen – einzigartig.

© Svenja Walter

Svenja Walter: Besonders gerne erinnere ich mich an die Feldwege in Schleswig-Holstein. Ich weiß, das mag für viele Wanderfans im ersten Moment nicht so attraktiv klingen: pralle Sonne, platte, teilweise asphaltierte Wege. Aber ich habe mich nicht satt sehen können an den endlosen Kornfeldern, den dicht darüber sausenden Schwalben und dem weiten blauen Himmel mit weißen Wattewolken. Das hatte etwas sommerliches und nostalgisch-romantisches irgendwie. Ich musste einfach nur immer einen Schritt vor den anderen setzen und konnte meinen Gedanken nachhängen. Das war ein Gefühl von Freiheit. 

© Manuel Andrack

Manuel Andrack: Sehr schön war mein "Moderner Fünfkampf" am Steinhuder Meer in der Nähe von Hannover. Ich war morgens sehr zeitig losgegangen und hatte die kurze Etappe (16 Kilometer) schon um 9:45 Uhr beendet. Beim Einchecken in mein Etappenhotel saßen die meisten anderen Gäste noch am Frühstückstisch. Aber auf mich warteten nach dem Wandern noch weitere Disziplinen: Miniaturgolf, Radfahren rund um den See, Baden und abends Flanieren an der Uferpromenade mit Fischbrötchen.

© Jarle Sänger

Jarle Sänger: Den eindrücklichsten, weil schönsten Moment meines E1-Abenteuers erlebte ich beim Häuslebauer: Das ist ein uriger Schwarzwaldhof zu Füßen des Großen Feldbergs. Die Wiesen sind weithin gemäht, der Blick ist weit und reicht und bis hinauf zum Gipfelplateau von Deutschlands höchstem Berg außerhalb der Alpen. Die Szenerie erinnert stark an eine Alm in den Alpen. Ich bin vollkommen im Flow, keine Schmerzen, keine Wehwehchen, einfach nur laufen, laufen, laufen. Den ganzen Tag hat es immer wieder genieselt und geregnet. Es ist kühl und windig. Und Menschen habe ich nur wenige getroffen an diesem Tag. Plötzlich, mit diesem grandiosen Panorama gesegnet, entdecke ich einen Naturkühlschrank sowie einige gemütliche Bänke, alles kunstvoll aus Holz errichtet. Das Wasser aus dem Brunnen plätschert, der Wind saust leise, sonst nichts. Ich entscheide mich dazu, ein eiskaltes Radler aus dem Kühlschrank zu nehmen, werfe zwei Euro in die Kasse und lehne mich zurück. Just in diesem Moment, es ist wie im Film, reißt der Himmel für einige wenige Minuten auf, ich halte mein Gesicht in die warme Sonne, sehe in die Ferne und bin einfach nur frei. Ein kleines, unvergessliches Fenster der Glückseligkeit, am Himmel und in mir.

Die Schwentine © Michael Sänger
Weite Felder, weiter Himmel © Schleswig-Holstein

2) Was war die kurioseste Situation oder Begegnung?

Thorsten Hoyer: Die merkwürdigste Begegnung hatte ich südlich von Hamburg nach der Überquerung der Elbe. Ich begegnete jeder Menge Baufahrzeuge, die auf einer durch die Landschaft gezogenen Trasse unentwegt hin und her fuhren. Jäh endete der E1 an dieser Schneise und über Hinweise zu Umgehungen hat sich niemand Gedanken gemacht. Also ging ich meinen Weg – und der führte quer über die Neubaustrecke der A26. Hier ein Hupen, dort irritierte Blicke, erreichte ich die andere Seite, wo ich dann eine provisorische Umgehungsstraße queren musste. Als mir ein Polizeiauto entgegenkam, rechnete ich fest damit, mich nun erklären zu müssen. Aber ich war uninteressant für die beiden Beamten.

Michael Sänger: Kurz vor Linderhofe im Teutoburger Wald, ich ging bereits auf dem Zahnfleisch, stehe ich nach GPS-gemessenen 42 km vor einem Schild, das mir versucht zu verkaufen, dass ich bereits 3,5 km in die falsche Richtung gegangen sei! „Nee Freunde“ habe ich mir gesagt, das macht ihr nicht mit mir und nicht jetzt. Ich ging also stur weiter in die vermeintliche Gegenrichtung. Mir blieb nur, einen zornigen Fluch Richtung Schildaufsteller-Team zu richten. Möchte nicht wissen, wie viele Wandernde schon an dieser Stelle verzweifelten ...

Svenja Walter: Es gab insgesamt wenig Begegnungen auf dem E1, außer in Regionen, in denen auch viele andere Wanderwege verlaufen. Eine faszinierende Begegnung hatte ich jedoch mit einer fast ertrunkenen Libelle an den Lauenburger Seen, die ich am Ufer aus dem Wasser gefischt habe und die sich dann auf meiner Hand die nassen Flügel getrocknet hat. Wie ein Propeller fingen die Flügel an zu rasseln, das war ein cooler Sound und toll, so aus nächster Nähe zu beobachten.

Manuel Andrack: Auf meiner zweiten Etappe durch den Taunus (an einem Sonntag) hatte ich mich komplett mit der Mittagseinkehr vertan. Ich war in Hennethal angekommen, aber die anvisierte Dönerbude befand sich sechs Kilometer südlich von Hennethal – Rucksackverpflegung war nicht vorhanden. Was tun? Riesenumweg? Taxi? Busse fuhren nicht – Sonntag!. Da hörte ich – quasi als himmlische Erscheinung – ein vielstimmig gesungenes Lied, das durch den Ort säuselte: „Herr, deine Liebe, ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhause“. Ein Open-Air-Gottesdienst? Mal nachschauen. Am Dorfhaus wünschte in der Tat der Priester gerade den Anwesenden noch ein schönes Dorffest. Und ich war gerettet: Speis, Trank, und beim Entenrennen im Dorfbach machte ich den dritten Platz. Ein Wunder!

Jarle Sänger: Die kurioseste Situation überraschte mich mit Sicherheit am Abend meiner ersten Etappe: Gut vorbereitet, so dachte ich, komme ich aufgrund der mittlerweile schon kurzen Tage im Spätherbst und der Länge der Etappe von fast 35 km in die Dunkelheit. Zu allem Überfluss beginnt es zu stürmen, regnen und donnern. Den rettenden Waldrand erreicht, öffne ich hastig meinen Rucksack und greife nach meiner Stirnlampe, inmitten des Waldes scheint das letzte Licht des Tages längst verschluckt. Natürlich bin ich für diesen Fall ausgerüstet, ein Klick und die Bäume ringsum erstrahlen im grellen Licht meiner Lampe, so kann es weitergehen. Gerade noch ziehe ich mir die Regenjacke über, will den Rucksack wieder wasserdicht verpacken, da wird es auch wieder dunkel im Wald. Stockdunkel. Mit einem Mal gibt meine vollgeladene, zuvor nur wenig benutzte Stirnlampe den Geist auf, ohne dass ich mit ihr einen Meter gelaufen bin. Alle Vorbereitung? Für den Allerwertesten! In völliger Dunkelheit, mit dem spärlichen Licht meiner Handylampe ausgestattet rutsche, falle und schlittere ich für eine geschlagene Stunde steil hinab nach Wolfach. 30 Sekunden Licht auf dem E1, kurios!

Thorsten Hoyer bei einer Rast am See © Svenja Walter
Die Externsteine direkt am E1 © Philippe Opigez

3) Wie hast du dich auf die Etappenlängen eingestellt? Was hattest du im Rucksack mit dabei?

Thorsten Hoyer: Lange Etappen zu gehen, ist schon Motivation genug. Da am Ende einer jeden Etappe eine feste Unterkunft auf mich wartete, brauchte ich nur sehr wenig Gepäck. Aufgrund der Temperaturen konnten auch wärmende Klamotten zu Hause bleiben. Also ein bisschen Kleidung und eine Flasche Wasser. Den meisten Platz benötigte aber die Technik, um von unterwegs berichten zu können.

Michael Sänger: Ich bin ein Nicht-Frühstücker, im Norden und bei der Hochsommertour bin ich meist schon um 5:00 Uhr los gestiefelt. Gegessen habe ich unterwegs nichts, getrunken allerdings jede Menge. Bei hochsommerlichen Etappen im Lipperland kam ich locker auf 4-5 l Wasser on Tour. Wie schön, dass ich unterwegs liebenswerte Einwohner fand, die meine Trinkvorräte auffüllten. Im Herbst erlebte ich das Gegenteil: Gastgeber, deren Restaurant, anders als auf der Webseite beworben, es seit Jahren nicht mehr gab oder die ausgerechnet heute Ruhetag hatten. Daher musste ich statt Abendessen auf ausreichendes Frühstück umswitchen ... Wie ich mich auf die Länge der Etappen eingestellt habe? Eigentlich gar nicht. Wenn genügend Zeit blieb, gönnte ich mir ein Mittagsnickerchen im Grünen. In meinem Rucksack darf Erste Hilfe nicht fehlen, Nötiges gegen Regen und Kälte, Kopfbedeckung, ein Monokular und als Fernwanderer natürlich der Wäschebeutel, Ersatzschnürsenkel, Tape für Notfälle, etwas Polster, wenn es an den Zehen zwickt, ein Paar Schlappen und ein minimalistisches Kulturbeutelchen.

Svenja Walter: Ich war vorher tatsächlich noch nie zehn Tage am Stück wandern und hatte länger keine Wanderungen mit 30 km oder mehr gemacht. Deshalb habe ich mich mit ein paar Tagestouren trainiert, könnte man sagen und mich von 20 auf 31 km gesteigert. Ich habe auch bewusst flache Touren gemacht, in Voraussicht auf meine Etappen in Schleswig-Holstein, denn auch wenn das Wandern in den Bergen vielleicht anstrengender ist, 20-30 km ohne Steigungen ist eine sehr monotone Belastung für die Muskeln und Gelenke. In meinem 26 l-Rucksack hatte ich Wechselkleidung, Wasser und ein paar energiereiche Snacks dabei, eine Powerbank, Zahnbürste, Sonnencreme usw., Blasenpflaster für alle Fälle und ein Paar Sportschuhe. Ich mag es, abends nicht nochmal die Wanderschuhe anziehen zu müssen.

Manuel Andrack: Bei langen Etappen, ich hatte mit 41 km, glaube ich, die längste, bin ich früh genug losgegangen. Und ich habe immer genug Wasser mitgenommen.

Jarle Sänger: Ja, auch meine Etappen waren lang, im Schnitt ca. 28-29 km und mit vielen Höhenmetern versehen. Entsprechend früh musste es losgehen. Meine Füße habe ich mit den weichsten Sohlen, die ich auf dem Markt finden konnte, vor den zu erwartenden Strapazen geschützt. Die Schuhe hatte ich mir eigens für den E1 gekauft. Sonst habe ich mich nur mental darauf eingestellt, im Zweifel bei Wind und Wetter den kompletten Tag draußen zu verbringen. Im Rucksack hatte ich Notfallnahrung, Wasser, Regenjacke, Softshell, Wechselwäsche und natürlich den E1-Staffelstab sowie Lademöglichkeiten für das Handy. Die Standardausrüstung für eine Mehrtagestour, ohne einen besonderen Gegenstand.

Eine geglückte Staffelübergabe in der Lüneburger Heide
© Lüneburger Heide GmbH

4) Gab es auf dem Weg etwas, dass dich frustriert hat? Wenn ja, wie bist du damit umgegangen?

Thorsten Hoyer: Dass der E1 nicht immer den attraktivsten Wegen folgt, war mir bewusst, ebenso, dass es auch sehr urbane Abschnitte gibt. Von daher löste das keine wirkliche Frustration bei mir aus. Einzig der Mummelsee auf meinem letzten Abschnitt frustrierte mich dann wirklich. Die Sage um den See kannte ich aus Kindheitstagen und dazu hatte ich immer das Bild aus dem Kinderbuch vor Augen. Ich war noch nie am Mummelsee und so freute ich mich wirklich sehr darauf. Aber manchmal ist es wohl besser, die Erinnerung nicht mit der Realität zu konfrontieren.

Michael Sänger: Der schwindende Glaube an die Unfehlbarkeit digitaler Technik auf der ersten Etappe von Hameln nach Lindenhofe. Erst funktionierte das Redaktionshandy nicht, jedenfalls nicht so, wie ich es gebraucht hätte. Dann, mit jedem Kilometer mehr und mehr, wurde die reale Strecke immer länger und länger und addierte sich laut meinem GPS-Gerät auf über 44 km. Laut Trackvorlage hätten es 35 km sein sollen. Ich lief und lief, von 6:00 Uhr in der Frühe bis 19:30 Uhr am Abend. Gottlob konnte mich mein Gastgeber noch mit Speis und Trank versorgen. Wie ich damit umgegangen bin? Augen zu und durch.

Svenja Walter: An einem Samstag 15 km durch die Vororte und Wohngebiete von Hamburg zu wandern, war kein Vergnügen. Am liebsten wollte ich alle zwei Kilometer anhalten und mich hinsetzen. Ich habe dann Podcasts gehört und versucht mich von meinen eigenen Schritten abzulenken. Manchmal braucht man auch eine mentale Pause vom Wandern. ;) So bin ich dann schließlich angekommen. Und ich habe allgemein gelernt, nicht zu spät Pausen zu machen, sonst geht die Laune in den Keller und man kann die schönen Dinge unterwegs und das Ankommen gar nicht richtig genießen.

Manuel Andrack: Frustrierend war, dass der E1 ganz offensichtlich oft nicht auf der schönsten Route verläuft. Die Streckenführung ist in die Jahre gekommen und müsste dringend den Routen der Qualitätswege angepasst werden. Ich bin daher zum Beispiel an der Lahn nicht auf dem E1 gegangen (Südseite, langweilig, wenig Aussichten, viel Wald), sondern auf dem Lahnwanderweg auf der Nordseite (großartig zwischen Nassau und Balduinstein). Außerdem gab es zu viel Asphalt. Rund um das Steinhuder Meer waren es 22 Kilometer am Stück. Viele Asphaltstrecken bin ich schneller gegangen, um sie hinter mich zu bringen.

Jarle Sänger: Die vielen Ruhetage der Einkehr- und Übernachtungsbetriebe haben mich sehr frustriert. Fast an jedem Tag hatte entweder die angedachte Einkehrmöglichkeit zwischendurch oder der Übernachtungsbetrieb am Abend einen Ruhetag. Ja, es war außerhalb der Hauptsaison, dennoch haben die zahlreichen Enttäuschungen zu Frustration geführt. Einmal ging ich nach über 30 km sogar mit leerem Magen ins Bett, weil auch kein Lieferdienst der Umgebung hoch zum Thurnerpass liefern wollte. Mein Learning fällt ganz klar aus: Plane deine Übernachtungen und Einkehrbesuche ganz genau und prüfe die Ruhetage!

Aussicht im Schwarzwald © Thorsten Hoyer
In der Wutachschlucht © Jarle Sänger

5) Was würdest du zukünftigen E1-Wander:innen empfehlen?

Thorsten Hoyer: Lest aufmerksam unser Tagebuch und sprecht uns an! 

Michael Sänger: Machen! Sich einlassen auf diesen wundervollen Rhythmus im Gleichklang mit Sonne, Wind und Regen. Sehen, wie man sich an Landmarken annähert, sie erreicht und hinter sich lässt. Wundervoll. Sicher, der E1 ist kein Luxuspfad, aber gerade das, das Ungewöhnliche, die gelegentliche Zumutung, die überraschenden Momente – der E1 ist dieser Hinsicht ein echter Verführer.

Svenja Walter: Dem stimme ich zu. E1-Wander:innen sollten sich bewusst machen, dass der E1 kein qualitativ hochwertig gestalteter Wanderweg ist. Er ist 50 Jahre alt und die Landschaft rund herum hat sich im Laufe der Zeit verändert. Aber genau das finde ich am E1 auch reizvoll, er ist auf seine eigene Art spannend. Deshalb ist aber eine gute Etappenplanung notwendig, es gibt nicht immer in regelmäßigen Abständen Unterkünfte. Den GPX-Track in einer geeigneten App oder auf dem GPS-Gerät dabei haben und etwas zu trinken und Proviant, denn man kommt tagsüber nicht zwangsläufig an geöffneten Lokalen oder Supermärkten vorbei. An meiner Antwort ist vielleicht zu merken: Beim Fernwandern fokussiert man/frau sich auf die wesentlichen Dinge, um nicht zu sagen, die Grundbedürfnisse. Sich darauf einzulassen, kann ich jeder und jedem empfehlen, denn es befreit von vielem Ballast, den man sonst so im Alltag mit sich herumschleppt. Auch phasenweise allein zu wandern, in seinem eigenen Rhythmus, kann eine befreiende Erfahrung sein.

Manuel Andrack: Ganz ehrlich? In Deutschland gibt es für Fernwandernde tolle zertifizierte Wege, Premiumwege wie Rheinsteig, Eifelsteig oder Saar-Hunsrücksteig, Qualitätswege wie Heidschnuckenweg, Hermannsweg oder Westerwaldsteig. Dort findet man das Wanderglück. Vom deutschen E1 würde ich, obwohl es auch schöne Abschnitte gibt, eher abraten. Zu viel Asphalt, zu viele langweilige Passagen.

Jarle Sänger: Zusätzlich zum obigen Tipp, die Ruhetage der Herbergen und Einkehrbetriebe ganz genau einzuplanen, möchte ich E1-Wander:innen ebenfalls dringend empfehlen sich die Route vorab gut zu merken und ein GPS-Gerät (oder entsprechende App) zu nutzen, da die Markierung in manchen Regionen kaum bzw. gar nicht vorhanden ist. An manchen Stellen kann man Umgehungen, Abkürzungen oder Alternativrouten einplanen, da diese oftmals schöner sind als die alte Wandertrasse des E1. Auch dazu bedarf es einer guten Routenplanung.

Erloschener Vulkan © Michael Sänger
Der E1-Staffelstab auf dem Feldberg © Jarle Sänger

6.) Was nimmst du für dich persönlich mit von dieser Wanderung?

Thorsten Hoyer: Ich habe Regionen durchwandert, die mir bisher unbekannt waren – und mich sehr begeisterten. Es sind nicht immer nur die allseits bekannten Wege, die faszinieren. Gerade dort, wo es ruhiger zugeht, bleibt mehr Zeit zum Durchatmen.

Michael Sänger: Dass mein Berufs- und Lebensinhalt Wandern, Stress und Seelenheil zugleich beinhaltet. Ich liebe es, unterwegs zu sein. Täglich das Wanderbein schwingen zu können, offen werden für die vermeintlich kleinen Dinge des Seins und mutig sein für Widrigkeiten, Zufälle, Begegnungen, Stimmungen und müde Füße – das ist Leben. Wandern auf großer Tour bedeutet Glückserfahrungen der besonderen Art.

Svenja Walter: Ich nehme mit, dass ich die weite Landschaft in Schleswig-Holstein mag, dass mir meine Wanderschuhe wirklich gut passen, dass ich zu meiner Freude ein gewisses Maß an körperlicher Kondition und mentalem Durchhaltevermögen habe und zehn Tage am Stück wandern kann, ohne dass ich es leid werde – das sind neue und tolle Erkenntnise für mich. Für die Zukunft würde ich aber, um noch länger wandern zu können, doch ein zwei kürzere Etappen zwischendurch oder einen Pausentag nach einer Woche einlegen.

Manuel Andrack: Für mich waren die beiden jeweils einwöchigen Wanderungen auf dem E1 die ersten Fernwanderungen meines Lebens. Kein Witz! Ich bin halt Genusswanderer, ich liebe Tagestouren. Mehr als zwei maximal drei Etappen habe ich nie gemacht. Und jetzt zweimal sechs Etappen am Stück. Körperlich habe ich es gut weggesteckt. Und es war schon ein sehr eindrückliches Erlebnis, solange am Stück zu wandern. Trotz Asphalt und stundenweiser Langeweile.

Jarle Sänger: Ich nehme die Erfahrung und Erkenntnis mit, dass Mehrtageswandern etwas ganz Besonderes ist. Täglich viele, viele Kilometer an Strecke zu bewältigen, täglich woanders zu landen, nie zu wissen, wie es am Etappenziel aussieht und was einen dort erwartet, das ist einfach einzigartig. Ich empfehle allen Wander:innen eine solche Erfahrung zu machen, auch trotz und gerade wegen der hohen Anforderungen von langen, teils intensiven Etappen. Eine eindrucksvolle Art, um Land und Leute kennenzulernen. Ausgeweitet auf Europa, ob etappen- und wochenweise oder komplett vom Nordkap bis Sizilien, ergibt das ein großes Abenteuer, von dem man sicher ein Leben lang zehrt. Ich nehme diese eine Erkenntnis, dieses eine Gefühl mit: Das musst du öfter machen!