Was reizt Jugendliche am Wandern und was sollte man beim Wandern mit Kindern unbedingt vermeiden? In einem Interview mit Torsten Flader, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Wanderjugend, haben wir über Nachwuchssorgen, das Sonntagstrauma und Ameisen gesprochen.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Kampagne „Spielend wandern“ von Österreichs Wanderdörfern. Ziel der Kampagne ist es, Kinder und Familien zum Draußensein zu inspirieren, wandernd und spielerisch die Natur (als Spielplatz) zu entdecken. Auf wandermagazin.de veröffentlichen wir dazu jede Woche einen Tourentipp für Familien und Kinder in Deutschland und eine ortsunabhängige Spielidee.

Wandermagazin: Was macht die Deutsche Wanderjugend und wie kann man bei Euch mitmachen?

Torsten Flader: Wir sind die Jugendorganisation des Deutschen Wanderverbandes mit 58 Wandervereinen deutschlandweit, hauptsächlich in den Mittelgebirgen, darunter zum Beispiel der Eifelverein oder der Schwarzwaldverein. Über die kommen die Kinder zu uns. Und die Vereine machen sehr unterschiedliche Programme, der absolute Schwerpunkt ist nicht das Wandern. Das kommt auch vor, aber das beliebteste Element sind Zeltlager mit verschiedenen Aktivitäten draußen. Manche haben wöchentliche Treffen, andere immer wieder mal Wochenendaktionen. Willkommen sind bei uns alle Kinder, sie müssen auch nicht zuerst in den Verein eintreten, um mitmachen zu können. Kinder sind in vielen Vereinen vom Jahresbeitrag befreit, der beträgt überlicherweise rund 20 Euro. 

Wandermagazin: Wie alt sind die Kinder bei Euch? Gibt es verschiedene Altersgruppen?

Torsten Flader: Wir differenzieren meistens zwischen Kindern unter zwölf Jahren und denen ab zwölf Jahren. Das ist so ein Wendepunkt. Der Großteil der Kinder bei uns ist jedoch zwischen sechs und zwölf Jahren. In einigen Gruppen gibt es aber auch Vorschulkinder oder Eltern nehmen ihre Säuglinge zu manchen Aktionen mit, das ist nicht ausgeschlossen. Die Jugendlichen ab zwölf Jahren haben nicht so viel Lust auf Spielereien, hier rücken dann Jugendinteressen in den Vordergrund, auch politische Themen, zum Beispiel zu Umwelt- und Naturschutz. Die Aktionen bestehen zum Teil aus erlebnispädagogischen Inhalten, im Winter sind wir mit Skiern oder Schneeschuhen unterwegs, im Sommer machen wir auch mal Wildwasser-Rafting, Canyoning, Floßbau oder Survival, alles was man sich so vorstellen kann, um Zwölf- oder Dreizehnjährige für das Draußensein zu begeistern.

Gummistiefel? Von wegen! © Uwe Schuldt

Wandermagazin: Ist denn Wandern bei Jugendlichen out?

Torsten Flader: Mmh, Wandern ist bei vielen Jugendlichen zwar beliebt und wird auch ganz gern gemacht. In den üblichen Wandervereinen liegt der Altersdurchschnitt allerdings geschätzt bei ca. 70 Jahren. Naja, das ist schwierig und wenig attraktiv für Jugendliche. Die Wandervereine haben oft Nachwuchsprobleme, deshalb versuchen wir, Jugendliche mit gezielten Aktivitäten zu halten. Sie haben bei uns auch die Möglichkeit, später an Fortbildungen teilzunehmen und eine Ausbildung zur Jugendleitung zu machen oder weitere Positionen zu übernehmen. Die Angebote der Deutschen Wanderjugend hängen immer von der personellen Struktur ab.

"Sowohl Kinder als auch Jugendliche haben so ein bisschen das `Sonntagstrauma´."

Wandermagazin: Welchen Zugang haben Jugendliche zur Natur und wie sieht eine Wanderung aus, die für sie interessant ist?

Torsten Flader: Also ich glaube sowohl Kinder als auch Jugendliche haben so ein bisschen das „Sonntagstrauma“, so nenne ich es. Da wird man auf eine glatte Forststraße geschickt, darf dann vier, fünf Kilometer geradeaus laufen und wird hinterher mit einem Eis oder einer Portion Pommes belohnt – oder gar im Vorfeld geködert, damit man überhaupt Lust bekommt. Diese Spaziergänge sind gerade für Jugendliche nicht sehr reizvoll. Einerseits kann man sagen, je mehr Pfadanteile die Strecke hat - auf denen es auch mal durchs Dickicht geht - desto spannender ist es. Andererseits stehen viele Jugendliche auf Herausforderungen, haben also einen sportlichen Zugang zur Natur, wenn man so will. Man kann zum Beispiel sagen, wir gehen hier auf den höchsten Berg oder überqueren einmal den Kamm. Wir haben aber auch viele inklusive Gruppen, in denen deutlich wird, dass beim Wandern, besonders bei mehrtägigen Touren, jeder seine Stärken entwickeln und ausspielen kann, der eine beim Tragen der Ausrüstung, der andere bei der Orientierung, wieder ein anderer beim Lagerfeuer. Insofern ist das anders als im Fußball, wo ich außen vor bin, wenn ich kein Fußball spielen kann oder mag.

Wandermagazin: Eine der ersten Überlegungen für Eltern, wenn es darum geht, welcher Weg infrage kommt, ist die Länge der Tour. Woran kann ich mich da orientieren?

Torsten Flader: Ich weiß, man hätte immer gerne eine Formel. Na gut: Einem Kind, das schonmal draußen unterwegs war, kann man das anderthalbfache des Lebensalters an Kilometern zumuten. Bei einem sechsjährigen Kind sind das dann neun Kilometer. Das ist dann aber schon eine ordentliche Tour, vor allem wenn es hoch und runter geht.

"Da muss geguckt werden, wo denn eigentlich die Ameise hinläuft."

Wandermagazin: Was sollte man als Erwachsener vermeiden, wenn man mit Kindern wandert?

Torsten Flader: Eltern sind es gewohnt, eine Strecke von A nach B zu laufen. Mein wichtigster Tipp an Eltern ist aber: Das lassen wir besser gleich. Statt den üblichen vier Kilometern in einer Stunde, schafft man es vielleicht manchmal nur 500 Meter weit, je nachdem wie spannend der Wegabschnitt ist. Kinder entdecken einfach so viele Dinge, die Erwachsene leider nicht mehr sehen. Da muss geguckt werden, wo denn eigentlich die Ameise hinläuft oder es werden auch mal eine halbe Stunde lang bunte Steine gesammelt, weil die einfach gerade schön sind. Diesen Raum sollte man Kindern unbedingt geben, auch mal ins Gebüsch neben dem Weg zu gehen. Geht es lediglich darum, eine bestimmte Distanz zurückzulegen, verdirbt man Kindern den Spaß ganz schnell. Ich würde mit einem Sechsjährigen zum Start nicht gleich eine neun Kilometer lange Tour machen, sondern mich herantasten. Dann ist auch nicht das Eis am Ende die Belohnung, sondern viel spannender sind die Sachen unterwegs, die Ameise, die bunten Steine. So entsteht ein viel besserer Bezug zur Natur.

 Genau hinguckt - der Entdeckergeist ist geweckt © Tobias Guckuck

Wandermagazin: Was war dein schönstes Wandererlebnis mit Kindern?

Torsten Flader: Ein sehr schönes Erlebnis war tatsächlich eine Nachtwanderung. Die Kinder waren so sechs und sieben Jahre alt. Wir haben längere Zeit einfach im Wald gesessen und auf die Geräusche um uns herum geachtet und das fanden die so toll und aufregend, dass am nächsten Morgen um zehn Uhr ein Junge auf der Stelle eine Nachtwanderung gefordert hat. Wir haben ihm versucht zu erklären, dass das aus gewissen Gründen jetzt schwierig ist, es gab einige Tränen. Er hatte so viel Spaß und das zeigt, wie toll man auch Nachtwanderungen gestalten kann, ohne dass Kindern dabei das Fürchten gelehrt wird.

Wandermagazin: Zuletzt, welche Wege kannst Du persönlich empfehlen?

Torsten Flader: Für Kinder: Alle Wege, auf denen man am Wasser vorbeikommt. Und für Jugendliche kann ich unsere Jugendwanderwege empfehlen, da sind inzwischen schon über 70 Wanderwege deutschlandweit auf unserer Internetseite zusammengekommen.

Wandermagazin: Vielen Dank für das Gespräch und die Tipps!

Torsten Flader: Hat mich gefreut.

© Deutsche Wanderjugend

„Outdoor-Kids“: Eine tolle Idee, Kinder zum Wandern zu motivieren, ist das „Outdoor-Kid“-Abzeichen der Deutschen Wanderjugend. Dafür müssen in der Natur verschiedenste Aufgaben gemeistert werden, wie das Erlaufen bestimmter Wegstrecken, Bäume erkennen, Bastelaufgaben und vieles mehr. Die Anleitungen befinden sich im dazugehörigen Praxishandbuch mit über 208 farbig illustrierten Seiten und mehr als 60 neuen und bewährten Wanderideen, Spielen und Aktivitäten zum Naturentdecken. Je nach Alter werden die Aufgaben kniffliger. Kinder ab dem neunten Lebensjahr müssen beispielsweise eine zwei Kilometer lange Wegstrecke mittels Karte und Wegmarkierung selbst finden. Inzwischen gibt es auch das Abzeichen „Outdoor-Kid 2.0“ und das „Outdoor-Kid des Monats“ für alle, die von den Outdoor-Aufgaben nicht genug bekommen können. Weitere Infos zum Abzeichen sowie zum Praxishandbuch findet Ihr hier.

Infos: www.wanderjugend.de