Schöner Start in Schöneck 

Meine Reise auf den Kammweg Erzgebirge-Vogtland startet in Schöneck, der höchstgelegen Stadt des Vogtlands. Auf 780 m liegt der Erholungsort dicht an der tschechischen Grenze, eingerahmt von Natur. Neben zahlreichen Wanderwegen finden Besuchende hier auch einen Bikepark und im Winter ein großes Skigebiet. Vorbei an kleinen Geschäften, bunten Häusern und dem imposanten Rathaus im neubarocken Stil erkunde ich den Erholungsort und gelange zu dem Aussichtsfelsen „Alter Söll“. Beeindruckt blicke ich den massiven Felsen hoch, den ich nicht inmitten der Stadt erwartet hätte.

Weiter Blick vom "Alten Söll" über das Vogtland

Der Fels war ursprünglich Standort der Burg Schöneck, vermutlich erstmals errichtet um 1180. Von ihrer Geschichte zeugen noch freigelegte Teile eines Torbogens und zwei Bierkeller aus dem 14. Jahrhundert. Oben bietet sich mir ein weiter Ausblick über die Höhen des Vogtlandes. Noch weit am Horizont kann ich die hellgrünen Hügel, überzogen mit dunkelgrünen Bäumen erkennen. Ein Hingucker ist auch das historische Kirchengebäude der evangelischen Kirche St. Georg. Einen Moment genieße ich die wärmenden Sonnenstrahlen und freue mich darauf diese weite Landschaft am nächsten Tag wandernd zu erkunden.

Die nächsten Nächte verbringe ich im Hotel Tannenhaus. In dem gemütlichen Hotel, in dem die Einrichtung zum größten Teil aus Holz besteht, fühle ich mich direkt wohl und werde mit  kulinarischen Highlights verwöhnt. Mein Lieblingsnachtisch: Crème brûlée mit Nusseis und Erdbeeren, umhüllt in Schokolade. Das Tannenhaus liegt direkt am Waldrand, ein paar Schritte und ich stehe wieder in der Natur. Ein kleiner Abendspaziergang bringt mich zur „Muldenquelle“ am Meiler. Nachtmittags treffen sich hier Naturliebhaber:innen am kleinen Kiosk und genießen ein kaltes Getränk. Abends ist es hingegen ganz ruhig. Ich umrunde den See und schaue auf das glitzernde Wasser, in dem sich die Sonne spiegelt. Ein wunderschöner Ort, um zur Ruhe zu kommen. 
 

Der Meilerteich – ein Ort, um zur Ruhe zu kommen

Ruhige Natur

Blühende Wiesen im Kontrast zum dunkelblauen Himmel

Auf meinen Wandertagen bekomme ich einen Eindruck von der ruhigen Natur des Vogtlandes. Meistens bin ich allein auf den Wegen und genieße die Stille. Über schmale Pfade starte ich direkt in den Wald hinein. Der Regen tröpfelt leicht auf mich herab, zwischen den Bäumen sammelt sich noch etwas Nebel – eine mystische Stimmung. Die Waldwege wechseln sich mit weiten blühenden Wiesen und Ausblicken auf die hügelige Landschaft ab. Regentropfen haben sich an den bunten Blüten gesammelt. Gelb, dunkelrot, lila – ihre Farben strahlen im Vergleich zum dunkelblauen Himmel. Das weiß-blaue „Kamm“-Schild weist mir den Weg durch die Natur. An einer Stelle ist es sogar etwas kreativ dekoriert, was mich zum Schmunzeln bringt. Die Beschilderung ist so optimal, dass kein Handy zur Navigation notwendig ist. Ganz im Gegenteil: Der Handyempfang ist oft nicht vorhanden, so dass man gar nicht erst in Versuchung gerät doch noch einmal die E-Mails zu checken. Einfach vor sich hinwandern und abschalten gelingt hier ganz von alleine. 
 

Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf

Aber nicht nur die Natur macht den Kammweg Erzgebirge-Vogtland besonders, auch Orte traditionellen Handwerks und Bergbaugeschichte liegen am Wegesrand. Zwei dieser Orte lerne ich auf meinen Etappen kennen und tauche in die spannende Geschichte der Region ein. Auf Etappe 14 des Fernwanderwegs haben Wandernde die Wahl: Einen Abstecher in die Ortschaft Adorf oder lieber weiter durch die Natur. Ich empfehle den Abstecher. Denn neben einer Kaffeepause wartet hier auch das Perlmutter- und Heimatmuseum.

Ein Raum voller Handwerkskunst

Schon von außen wirkt das Museum besonders auf mich: In einer kleinen Seitenstraße versteckt es sich in einem historischen Fachwerkgebäude. Ich öffne eine kleine Holztür und steige die schmalen Treppen hinauf. Es sieht ein bisschen aus, als ob die Zeit hier stehen geblieben ist. Alle Ecken der kleinen Räume sind mit historischen Gegenständen dekoriert. Oben angekommen, begrüßt mich Museumsleiter Steffen Dietz freundlich. Er arbeitet seit über 40 Jahren in dem kleinen Museum und ich spüre seine Begeisterung sofort. Bei einem Gang durch das Museum kann er jedes der Ausstellungsstücke mit seinen Erzählungen zum Leben erwecken. 

Ein Teil des Museums erzählt die Heimatgeschichte von Adorf. Eröffnet im Jahr 1955 lag der Fokus zunächst auf dieser Ausstellung und thematisiert Teppichhandel, wirtschaftliche Blütezeiten oder Kriege. Im zweiten Teil des Museums geht es um Perlmutter. Ein bisschen irritiert bin ich schon, so hätte ich Perlmutter nicht hier im Vogtland verortet, fernab vom Meer. Da bin ich nicht die einzige, erklärt Steffen Dietz. In der Weißen Elster gab es damals ein großes Vorkommen an Flussperlmuscheln. Ab dem 16. Jahrhundert fischten die Perlenfischer nach den kostbaren Perlen. Das Handwerk wurde von Generation zu Generation weitergegeben und erforderte so einige Tricks, die Besucher:innen in der Ausstellung erfahren. Einige Perlen gingen sogar an das Königshaus weiter. Erst ab 1850 interessierten sich die Adorfer auch für die Schalen der abgestorbenen Muscheln und begannen diese kunstvoll zu verarbeiten. Die Perlmutterwaren wurden weltweit bekannt. Natürlich gibt es auch einige dieser Kunstwerke im Museum zu bewundern. 

Steffen Dietz führt mich hinter einen blauen Vorhang, der die Ausstellung vom Rest des Museums abschirmt. Auf einmal stehe ich zwischen unzähligen liebevoll ausgearbeiteten Gegenständen, die in ihren Vitrinen glänzen. Vom Schachbrett, Bildern, Modelschiffen bis zu Schmuck und Ferngläsern – überall ist in kunstvoller Handarbeit Perlmutter verarbeitet. Großes Highlight der Ausstellung ist eine mit winzigen Perlmuttersteinen verzierte Wanduhr. Ich bin unglaublich beeindruckt von dieser Handwerkskunst. 

Und das Museum hat große Zukunftspläne: Schon lange passen nicht mehr alle Gegenstände in die kleinen Museumsräume. Um die Einzigartigkeit der Stadt Adorf besser präsentieren zu können, entsteht das ErlebnisZentrumPerlmutter, ein durch einen Architektenwettbewerb ausgewählter, geförderter Anbau. Für Steffen Dietz wird ein Traum war: in der interaktiven Ausstellung ist es möglich ganz andere museumspädagogische Maßnahmen umzusetzen. Seine Begeisterung für die Heimatgeschichte und Museumsarbeit ist zu mir übergeschwappt, ich könnte ihm noch stundenlang zuhören. Wir sind uns einig, wenn der Neubau fertig ist, muss ich zurückkommen.

In Adorf ist nicht nur das Perlmuttermuseum eine Attraktion, auch ein botanischer Garten mit tausenden alpinen Pflanzen und die Miniaturschauanlage "Klein Vogtland" inspirieren Menschen dazu andere Ecken im Vogtland zu erkunden. 

Mein Weg führt mich wieder zurück in die Natur und zwar zu einem besonders schönen Abschnitt des Kammwegs. Zunächst durch den Wald laufend, gelange ich zu einer Wiese, auf der zwischen Bäumen eine Bank zum Verweilen einlädt. Überall um mich herum blüht es, die Sonne kommt zwischen und Wolken hervor und ich bin der einzige Mensch weit und breit in dieser wunderschönen Landschaft. Das ist bei Weitem nicht der einzige idyllische Pausenplatz entlang des Weges. Immer wieder entdecke ich kleine gemütliche Bänke, die zum Pausieren und eine Weile einfach nur in die Natur starren einladen. 

Ein einladender Pausenplatz inmitten einer blühenden Wiese

Grube Tannenberg 

Auch auf der 13. Etappe liegt ein beeindruckender Wanderzwischenstopp auf dem Weg. Die Grube Tannenberg bietet einen Einblick in die Arbeit eines Erzbergwerkes des 20. Jahrhunderts. Vier Mal täglich finden Führungen in die Welt Untertage statt. Wandernde sollten sich also am besten vorher auf der Webseite informieren und den Besuch entsprechend zeitlich planen. Treffpunkt ist im anliegenden Gebäude, in dem Mineralien aller Art bewundert werden können. Während ich fasziniert die unterschiedlichen Farben und Formen der Steine betrachte, fällt mir auf, dass es in dem Raum ungewöhnlich warm ist, was mich später noch freuen wird.

Im Stollen der Grube Tannenberg

Unser Guide war selbst Bergmann und kann uns allerlei Infos über die harte Arbeit Untertage mitgeben. Bevor wir in die Kälte des dunklen 600 m langen Tannenbergstollen abtauchen, gibt es für jeden zur Sicherheit einen Helm. Der Stollen wird überall mit kleinen Lichtquellen ausgeleuchtet, doch ein bisschen mulmig wird mir schon zumute, als wir durch den Tunnel laufen. Unser Guide beruhigt mich aber gleich, indem er erklärt, dass auf beiden Seiten des Tunnels ein Loch ist, um die Belüftung zu gewährleisten. Nach ein paar Schritten zweigt links ein mittelalterlicher Stollen ab, eine echte Besonderheit, da er nur mit Schlägel- und Eisenarbeit hergestellt wurde. Kaum vorstellbar, dass dieses Werk aus reiner Menschenkraft entstanden ist. Bereits um das 15. Jahrhundert wurde hier Erz abgebaut.

Staunend drängen wir uns durch den engen Tunnel, gelangen zum Haupteingang zurück und weiter geht es in die Dunkelheit. In den kleinen Hohlräumen finden sich Maschinen der Bergbauarbeit, u. a. eine Bohrmaschine, die damals von zwei Personen bedient wurde, da sie für einen Mann alleine zu schwer war. Einer legte sie sich auf die Schulter und ein anderer hielt sie von hinten fest. Dieses Bespiel lässt mich noch einmal die Dimensionen der harten körperlichen Arbeit begreifen. Ebenfalls liegt auf unserem Weg eine gelbe Grubenlok, der Zug, der damals die Bergmänner in den Tunnel gebracht hat. Sie wirkt fast schon winzig für ausgewachsene Männer. 

Zum Ende unserer Tour gelangen wir noch zu einem absoluten Highlight: Ein gewaltiger Hohlraum erstreckt sich vor uns, damals entstanden durch den Abbau von Gestein. Ca. 50 Meter hoch und 50 Meter tief, erstreckt sich hier ein See. Beeindruckt schaue ich eine Weile in den riesigen Krater, einer der größten bergmännisch geschaffenen Abbauholräume in Sachsen. Nach einer Stunde ist unser kleiner Ausflug Untertage vorbei und unser Bergführer bringt uns zurück ans Tageslicht. Irritiert blinzle ich in die Sonne und freue mich nun über den wärmenden Raum. Ein aufregender Ausflug in die Bergbauvergangenheit des Vogtlandes! 

Wanderweg in der Abendsonne

Mehr davon bitte!

An meinem letzten Abend im Vogtland spaziere ich noch einmal zum Meilerteich und genieße die Stille rund um den kleinen See. Er ist zu einem Lieblingsplatz für mich geworden. Zum ersten Mal in der Landschaft des Vogtlandes unterwegs, hat sie mich sehr begeistert. Auf dem Kammweg bin ich zur Ruhe gekommen, habe viele einsame und stille Plätze gefunden, an denen ich ganz alleine mit der Natur war. Die abwechselnden Landschaftsformen zwischen Wald, blühenden Wiesen und Seen machen den Wanderweg nie langweilig, entschleunigen dafür aber umso mehr. Neben der ruhigen Natur warten noch einige kulturelle Highlights, durch die ich die Geschichte der Region näher kennengelernt habe. Eine schöne Abwechslung, die Lust auf mehr macht, schließlich gibt es ja auch noch 15 weitere Etappen zu erkunden! 

Info: www.vogtland-tourismus.de

Marieke Wist