Anja Buntz ist Mentalcoach und schreibt in unserer Serie „Wandercoaching mit Anja“ über mentale Strategien für mehr Leichtigkeit – beim Wandern und darüberhinaus. Sie zeigt, wie wir für uns selbst Lösungsansätze in der Natur finden können. 

Start: Ein Rucksack voll Gedanken
Ziel: Mentalen Ballast loswerden

Die Situation 

Sie packen Ihren Rucksack sicher ganz bewusst, bevor Sie von zuhause aufbrechen. Sie denken gut darüber nach, welche Ausrüstung Sie auf Ihrer Wanderung brauchen, welche Verpflegung und welche Art von Kleidung. Und Sie machen sich sicher auch Gedanken darüber, wie schwer Ihr Rucksack maximal sein darf, damit Sie diesen die gesamte Strecke über ohne Probleme schultern können. Das Gewicht des Rucksacks ist ein wesentlicher Faktor beim Wandern.

Anja Buntz © Schokoladenseite by Anna Mardo

Deshalb differenzieren wir auch, was in den Rucksack darf, was wir wirklich brauchen, was absolute Priorität hat und was dann doch eher zuhause bleiben muss. Hier sind wir in vollem Bewusstsein, was uns guttut und was uns schadet.

Warum nur fällt es uns so schwer, dies mit unserem mentalen Rucksack zu tun? Weshalb sortieren wir hier nicht nach den Prinzipien der Notwendigkeit und der Priorität. Ohne es uns bewusst zu machen, packen wir Gedanke für Gedanke, Sorge für Sorge, Angst für Angst in den Rucksack und brechen irgendwann unter dieser Last beinahe zusammen.

Gerade an Wandertagen, wenn der Alltag einmal nicht alles überlagert, wenn die Freiheit da ist, in den Tag leben zu können, kommen diese Gedanken zum Vorschein. Aber genau an diesen Tagen möchte man doch unbeschwert und glücklich sein. Umso wichtiger ist es deshalb, sich seines mentalen Gepäcks bewusst zu werden und es zu reduzieren oder sogar ganz zuhause zu lassen.

Die Methode 

Der Einstieg in diese (neue) Leichtigkeit gelingt Ihnen, indem Sie sich Ihres mentalen Rucksacks bewusst werden. Im ersten Schritt geht das über den Ballast Ihres realen Wanderrucksacks. Wenn Sie also am Startpunkt Ihrer Wandertour angekommen sind und die Wanderstiefel geschnürt haben, dann

  1. Schultern Sie Ihren Rucksack inkl. des gesamten Equipments in absolutem Bewusstsein

    ♦ Schultern spüren: entspannt, angespannt?
    ♦ Hochheben und das Gewicht spüren: schwer, mittelschwer, leicht?
    ♦ Rucksack schultern
    ♦ Schultern spüren: Schwere, Schmerz, Verspannung?
    ♦ Stand feststellen: stabil, wackelig, zusammengesunken?

Haben Sie den Rucksack bewusst auf Ihre Schultern geladen, marschieren Sie los.

  1. Suchen Sie während des ersten Wegabschnitts (bis zur ersten Trinkpause) belastende Themen, die für Sie im Leben gerade präsent sind. Packen Sie für jedes Thema einen Stein in Ihren Rucksack.

  2. Spüren Sie während der ersten Trinkpause in Ihre Schultern, Ihren Nacken und Ihre Stabilität hinein. Wie ist es ohne Rucksack? Ohne die zusätzlichen Themen?

  3. Spüren Sie während des zweiten Wegabschnitts das volle Gewicht des Rucksacks, wieder in den Körperstellen, die besonders belastet werden.

  4. Spüren Sie im weiteren Verlauf Ihrer Wanderung die Belastung durch die Steine – Ihre Themen. Mit den Gedanken an die Steine, die Ihnen gerade die Tour erschweren, kommt vielleicht auch der Wunsch nach Veränderung:

    ♦ Welchen belastenden Stein wollen Sie jetzt loswerden?
     Was wird Ihnen jetzt zu viel?
     Was wollen Sie augenblicklich zurücklassen, auf keinen Fall weitertragen?
    ♦ Was wollen Sie noch vor Ende der Wanderung loswerden?

Wenn Sie feststellen, dass es noch ein Thema gibt, dass Sie bei dieser Wanderung (noch) nicht bearbeiten wollen, wenn Sie das Gefühl haben, diesen Stein wollen Sie mit nach Hause nehmen und erst in den kommenden Tagen bearbeiten, dann setzen Sie sich nicht unnötig unter Druck. Lassen Sie Ihren Stein während der Wanderung weiter in Ihrem Rucksack ruhen und genießen Sie die Wanderung! Kümmern Sie sich um dieses Thema, wenn Sie bereit dazu sind, das ist völlig in Ordnung. Wenn dann der Moment gekommen ist, dann lassen Sie diesen Ballast auf Ihre Weise los und an dem Ort, den Sie für geeignet halten.

So geht's – Meine Tipps zum Loslassen

  1. Lassen Sie sich während Ihrer Wanderung an einer Stelle nieder, von der Sie sich angezogen fühlen. Sie werden spüren, wann es soweit ist.

  2. Schließen Sie die Augen und kommen Sie in den Moment. Atmen Sie ein – die Bauchdecke wölbt sich nach außen – atmen Sie aus – die Bauchdecke senkt sich wieder.

  3. Stellen Sie sich folgende Fragen:

    ♦ Welches Thema will ich JETZT loswerden?
    ♦ Kann ich es jetzt loslassen? Wenn nicht, was fehlt noch?
    ♦ Wie will ich es loswerden?
    ♦ Will ich es weit wegwerfen, im Wasser versenken, einfach ablegen?
    ♦ Wenn ich das Gewicht nun loswerde, wie schließe ich Frieden damit?
  4. Haben Sie diese Fragen beantwortet, dann suchen Sie sich den Stein in Ihrem Rucksack, der Ihren Ballast symbolisiert.

  5. Werden Sie diesen Ballast in der Form los, wie Sie es sich beantwortet haben.

  6. Schließen Sie Frieden mit Ihrem Thema, z. B. durch den Satz „Es ist gut so, dass ich den Ballast nicht länger tragen muss“, mit einer Geste oder indem Sie jemandem davon erzählen, wie Sie mit dem Thema abgeschlossen haben.

Lassen Sie zurück, was nicht in Ihren Rucksack gehört. Befreien Sie sich von den belastenden Gedanken, die Sie davon abhalten, Ihre Wandertour zu genießen. Denn es gibt nichts Schöneres, als die atemberaubende Natur an einem herrlichen Sonnentag auf sich wirken zu lassen, ohne Zeitdruck und ohne die Pflichten des Alltags. Wäre es nicht schade, wenn Sie das alles wegen Ihres mentalen Ballastes verpassen?

Zurück im Alltag

Sie können jederzeit nach dieser Methode verfahren. Wenn Ihnen alles zu viel wird, dann stellen Sie sich diese Fragen erneut. Rufen Sie sich Ihren Wanderrucksack ins Bewusstsein: Hier entscheiden Sie mit voller Aufmerksamkeit und unter strenger Kontrolle, was Sie einpacken und mit sich herumtragen wollen.

Das sollten Sie auch mit Ihrem mentalen Rucksack tun. Machen Sie sich bewusst, welche (schweren) Gedanken und welchen mentalen Ballast Sie im Alltag tragen und ob das wirklich nötig ist. Sortieren Sie großzügig aus. Befreien Sie sich regelmäßig von all den übriggebliebenen Sachen in Ihrem Rucksack, die dort längst nicht mehr sein müssen. Schütteln Sie Ihren mentalen Rucksack ordentlich aus und tragen Sie des Öfteren einfach nur mal das leere Gepäck, nur um zu sehen, wie es sich anfühlt.

Ich wünsche Ihnen wundervolle Wanderungen, stets mit leichtem Gepäck!

 

Info: 
www.anjabuntz.de