Am 15. September 2019 berichtete das Schweizer Radio und Fernsehen vom Abschied eines Gletschers. Der Pizol Gletscher in den nordöstlichen Schweizer Alpen ist zu klein geworden für die alljährliche Vermessung. Ein kleines Medienecho begleitet seinen Abschied. Die Gletscher dieser Erde sind Zeitzeugen der letzten Kaltzeit. Wir sind Zeitzeugen des schnellsten Gletscherschwundes seit Jahrtausenden.

 

Das „ewige“ Eis schmilzt nicht nur in der Arktis, sondern auch in unseren Alpen. Sogenannte Glaziologen vermessen und beobachten die Eiszungen und verfolgen damit, wie stark die Klimaerwärmung den Gletschern zusetzt. In der Schweiz ist das zum Beispiel wichtig für die Versorgung der Wasserkraftwerke oder für die Landwirtschaft. Deshalb vermisst der Glaziologe Matthias Huss von der ETH Zürich jedes Jahr über 100 Gletscher. Der Pizolgletscher ist seit diesem Jahr kein Gletscher mehr. Es sind nur noch Eisreste übrig. Er ist der erste, der aus dem Schweizer Messnetz, Glamos, gestrichen wird. Seit 1850 sind jedoch in der Schweiz schon mehr als 500 Gletscher verschwunden. Langsam, aber unaufhaltsam.

Pizolgletscher 2006 © Matthias Huss, ETH Zürich
Eisreste des Pizolgletschers © Matthias Huss, ETH Zürich

Ein Brief an die Zukunft
Im August erklärte auch Island erstmals einen Gletscher für tot. Der Okjökull bedeckte noch vor 30 Jahren den gesamten Vulkan. Im Jahr 2014 verlor er seinen Status als Gletscher, weil die übriggebliebene Eismasse mit einer Eisdicke von 15 Metern zu leicht geworden war, um sich durch das eigene Gewicht zu bewegen, zu „fließen“. Seit dem 18. August 2019 steht am Fuße des Vulkans Ok eine Gedenktafel. Sie ist als Brief an die Zukunft gestaltet. Darauf steht „Dieses Denkmal dient dazu, anzuerkennen, dass wir wissen was passiert und was getan werden muss. Nur ihr [die zukünftige Generation, Anm. d. Redaktion] wisst, ob wir es getan haben.“ Am Ende steht die Zahl 415 ppm CO2, die aktuelle CO2 Konzentration in der Atmosphäre, ein Rekordwert.

Gedenktafel am ehemaligen Okjökull © Rice University, Wikimedia CC BY-SA 4.0


Gletscher in Deutschland

In Deutschland gibt es derzeit noch fünf Gletscher:

  • den Nördlichen Schneeferner (Zugspitze)
  • den Südlichen Schneeferner (Zugspitze)
  • den Höllentalferner (Zugspitze)
  • das Blaueis (Berchtesgadener Alpen)
  • den Watzmanngletscher (Berchtesgadener Alpen)

Das Bayerische Umweltministerium warnte vor einigen Jahren, dass in 20 bis 30 Jahren nur noch der Höllentalferner auf der Zugspitze übrig sein könnte. Im Vergleich zum globalen Mittel steige die Jahresdurchschnittstemperatur in den Alpen schneller an, in den letzten 150 Jahren schon um ca. 2°C. Von 1993 bis 2012 wurde ein Teil des Nördlichen Schneeferners an der Zugspitze in den Sommermonaten mit Plastikplanen abgedeckt. Das Eis des Zugspitz-Gletschers ist vor allem unter den Liftanlagen des Skigebietes kostbar. Dort, wo die Betreiberfirma hoffte, die Skisaison verlängern zu können. Aber die Fläche, die sich mit Planen abdecken ließ, wurde letztlich jedoch zu klein und zu steil.

Schneeferner an der Zugspitze © Pixabay

 

Zeitzeugen
"Die Gletscher unserer Erde sind Zeugen der letzten Eiszeit, oder genauer der letzten Kaltzeit, die vor etwa 11.700 Jahren endete. Mächtige Massen aus „ewigem“ Eis, sowohl auf der Nord-, als auch auf der Südhalbkugel, bedecken fast zehn Prozent aller Landflächen. Gletscher sind vor allem in Hochgebirgen zu finden, z. B. in den Alpen. In polaren Breiten, wo es generell kühler ist, findet man sie aber auch direkt an den Meeresküsten. Eines ist ihnen seit einigen Jahren gemeinsam: Sie werden fast alle kleiner.
 

Wie entstehen eigentlich Gletscher?
Der Schnee, der jedes Jahr in höheren Lagen, meist oberhalb der winterlichen Schneefallgrenze in großen Mengen fällt, verdichtet sich unter der großen Last immer neuer Schneefälle. Trotz vieler Lufteinschlüsse entsteht durch Schmelzen im Sommer, Gefrieren im Winter und großem Druck zuletzt blankes Gletschereis. Das folgt der Schwerkraft und dem natürlichen Gefälle und fließt extrem langsam, aber unbeirrbar, talabwärts. Im Mündungsgebiet des Gletschers schließlich, wo die Temperaturen meist deutlich höher liegen, wird der Gletscher durch Zerbrechen, Schmelzen und Verdunsten abgebaut. Wo sich Schmelzwasser sammeln kann, entsteht der typische Gletschersee – oder aber ein Fluss nimmt dort seinen Lauf, wie die Rhone, die dem Rhonegletscher der Schweizer Zentralalpen entspringt.


Gletscher sind träge.  Die Sonne ändert daran nichts, denn das Reflektionsvermögen von Schnee und Eis gegenüber der Sonnenstrahlung beträgt etwa 90 Prozent. Eis hat zudem eine große spezifische Wärmekapazität bei geringer Wärmeleitfähigkeit. In einer Warmzeit jedoch wird der Gletscher vorne schneller abgebaut, als im oberen Bereich Neuschnee hinzukommt. Die Bilanz wird negativ, der Gletscher verliert Masse. Der Klimawandel, d. h. die vom Menschen zusätzlich verursachte Erwärmung der Atmosphäre, hat die Gletscherschmelze nochmals beschleunigt.
 

Jeder Gletscher ist anders. Man unterscheidet „warme“ bzw. temperierte Gletscher, beispielsweise in den Alpen, von den „kalten“ und trockenen Gletschern, wie sie in der Antarktis anzutreffen sind. Manche Gletscher der Alpen sind extrem lang oder sehr tief. Viele sind kompakt und in den oberen Regionen kann man wunderbar Skilaufen. Andere sind zerrissen, zerfurcht, voller Spalten und Schmelzwasserabflüsse – eine Begehung ohne kundige Führung ist lebensgefährlich.
 

Sie alle verlieren weltweit Masse – mit Ausnahme des Franz-Josef-Gletschers und des Fox-Gletschers in Neuseeland. Gibt es dort etwa keinen Klimawandel? Es gibt ihn auch dort, allerdings hat der Wandel zu höheren Temperaturen eine Änderung der Großwetterlagen bewirkt, die nun mehr Feuchtigkeit vom Meer heranführen. Im Winter fällt im Bereich der Gletscher mehr Schnee als früher und das führte zuletzt sogar zu einer leichten Massezunahme.“


Gerhard Lux, Diplom-Meteorologe, erschienen im Wandermagazin 156 (2011)


Notruf
Der schneereiche Winter von 2018/2019 verschaffte den Gletschern in den Alpen zwar eine kurze Atempause, ändert jedoch nichts an ihrem unaufhaltsamen Verschwinden. Am. 25. Semptember 2019 rief nun auch Österreich den nationalen Klimanotstand aus, wie zuvor bereits viele andere Länder u.a. Australien, Kanada, Frankreich und Irland. Auch in Deutschland erklärten einige Kommunen und Verbände den Klimanotstand. Diese Handlung ist jedoch mehr symbolisch, als dass sie zu tatsächlichen Maßnahmen für den Klimaschutz verpflichtet.

 

 

 


Info:

www.glamos.ch
www.dwd.de