Der Wispertaunussteig ist der Frischling unter den deutschen Premiumwanderwegen. So frisch, dass der Beton für die Wegpfeiler noch nicht vollkommen ausgehärtet ist, erklärt Robert Carrera, Projektleiter des Wanderwegs, und warnt davor, sich an den Pfosten abzustützen. Bänke zum Ausruhen wurden erst am Tag zuvor aufgestellt - gerade rechtzeitig also zum Richtfest des zukünftigen Premiumwanderweges am 5. Mai 2018. Das Wandermagazin begleitet Robert Carrera an diesem Tag.

Der Wispertaunussteig führt auf 44 km von der Wisperquelle bei Kemel bis zur Mündung bei Lorch am Rhein. Es ist eine dünn besiedelte, dafür aber umso waldreichere Landschaft - Natur pur auf Schritt und Tritt. Eine Teilstrecke des Steigs wurde am 5. Mai 2018 eröffnet. Der Weg verbindet nicht nur zwei UNESCO Welterbestätten miteinander, den Limes und das Obere Mittelrheintal, sondern auch die beiden Regionen Rheingau und Taunus. Symbolisch wandern heute deshalb zwei Gruppen aufeinander zu und treffen sich auf dem Dorfplatz in Heidenrod-Dickschied.

Heinz Backeshoff und Robert Carrera
© Thomas Matusek

Dem Projektleiter ist die Vorfreude und gleichzeitige Erleichterung an diesem Tag anzumerken. Vier Jahre intensive Vorbereitung liegen hinter ihm und seinen Mitstreitern. Robert Carrera, der beruflich Individualreisen nach Latein-Amerika organsiert, erkannte das Potenzial seiner eigenen Heimat, des Wispertaunus, schon vor langer Zeit. Bereits vor zehn Jahren fachsimpelte er mit einem langjährigen Freund, Heinz Backeshoff, in der Dorfschänke über das Reisen und Wandern in der Region, die touristisch noch wenig erschlossen ist. „Aus diesen Gesprächen ist schon die Idee geboren, aber es war eine wahrlich lange Geburt“, erzählt Carrera in einer kleinen Ansprache. Für die Begrüßung hat er sich einen großen Zettel geschrieben: „Ich sprudele so vor Dingen, die ich euch mit auf den Weg geben möchte, aber wir wollen ja auch wandern und der Weg wird für sich selbst sprechen.“ Er soll Recht behalten.

Beide Gruppen werden von prominenten Wanderern begleitet. Wandermagazin Autor Manuel Andrack trifft früh morgens am Wispersee ein und bietet seinen ca. 70 Mitwanderern gleich das „Wander-Du“ an. Zusammen mit Heidenrods Bürgermeister Volker Diefenbach führt er die Gruppe „Taunus“ an. Nachdem Robert Carrera die Taunuswanderer buchstäblich auf den Weg gebracht hat, geht es im Eiltempo zum Startpunkt der Gruppe „Rheingau“ in Lorch-Espenschied. „Hier wird vermutlich noch mehr los sein“, kündigt Robert Carrera an, denn hier begleitet sein guter Freund Wolfgang Blum, „der Wander-Rattenfänger vom Rheingau“ die Wanderer. An diesem Tag will Wolfgang Blum jedoch nicht vorweg gehen, sondern die Funktion des „Besenwagens“ übernehmen, schließlich gibt es einige steile Passagen zu bewältigen. Weitblicke in das herrlich grüne Wispertal belohnen die Wanderer immer wieder. Außerdem sorgen Anekdoten von Carrera an ausgewählten Wegpunkten für Unterhaltung.

Espenschieder Gipfelblick © Svenja Walter

Der neue Premiumweg wartet mit einigen Sehenswürdigkeiten auf, die bis vor kurzem noch keine Namen hatten, erklärt Robert Carrera der Gruppe während eines kurzen Stopps auf dem Weg. Dies sind zum Beispiel besondere Aussichtspunkte und Felskanzeln, die sogenannten „Leys“, die aus dem Wald herausragen. Der höchste Punkt des Streckenweges, kurz nach dem Verlassen des Ortes Espenschied, heißt nun „Espenschieder Gipfelblick“ und eröffnet einen Blick über den gesamten Wispertaunus und seine hügeligen Löwenzahnwiesen. Die „neuen“ Sehenswürdigkeiten sind eigentlich schon lange da und warten nur darauf entdeckt zu werden.

Wenn Sie als Wanderer hingegen einen Mann im Tarnanzug entdecken, der mit einer Kamera im Gebüsch liegt, dann handelt es sich vermutlich um Uwe Müller vom NABU. Er hat das Projekt aus der Perspektive des Naturschutzes mit Habichtsaugen beobachtet und begleitet. Der passionierte Naturschützer bestätigt: Der Weg macht den Lebensraum einiger besonderer Tierarten im Wispertaunus für Menschen erlebbar, ohne dabei große Fußabdrücke in der Natur zu hinterlassen. In den Wäldern sind scheue Wildkatzen und Eisvögel beheimatet und in den zahlreichen geschützten Schieferstollen finden einige seltene Fledermausarten einen Rückzugsort.

Durststrecken, „etwas langweiligere Abschnitte“ werden vom Reglement des Deutschen Wanderinstitutes für Premiumwege durchaus erlaubt, gibt es auf dem Wispertaunussteig jedoch nicht, verspricht Robert Carrera. Davon können sich die Wanderer auf der eröffneten Teilstrecke überzeugen. Am Ziel angekommen gibt Manuel Andrack sein Urteil ab: „Der Weg ist spitzenklasse! Ich muss sagen, ich bin innerhalb von zehn Kilometern noch nie so abwechslungsreich gegangen. Und das ist jetzt keine Schleimerei.“ Trotz leichter Ermüdungserscheinungen – es ist schließlich der WispertaunusSTEIG – signalisieren die ersten Wanderer des Premiumweges ein einstimmiges „Daumen hoch“.

Manuel Andrack und Robert Carrera in Dickschied © Wolfgang Blum

Ein entscheidender Geburtshelfer für das große Projekt im Wispertaunus war vor einigen Jahren der Wispertalsteig, ein Rundwanderweg bei Espenschied. Bruno Karlsson, der ehemalige Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins Espenschied, hat dafür bereits vor einigen Jahren viel politische Überzeugungsarbeit geleistet. Manchmal braucht es eben diese Pioniere, die mit viel Herzblut und Zielstrebigkeit das Heft in die Hand nehmen, so wie auch Robert Carrera. Mit dem von der EU geförderten LEADER Projekt kann nun endlich ein Premiumwegenetz von insgesamt 208 km realisiert werden. Entlang des Wispertaunussteigs werden in Zukunft weitere 14 Rundwanderwege zwischen fünf und 18 Kilometern Länge entstehen: Wandern als Zugpferd des Tourismus in der Region. Dieses Premiumwegenetz braucht übrigens noch einen Namen. Dafür sammelt Robert Carrera während des Richtfestes fleißig Vorschläge von den Wanderern ein. Die finale Namensgebung steht noch aus.

Am 23. Juni findet bereits ein Wandermarathon (42,195+x km) mit Wolfgang Blum auf der Gesamtstrecke des Wispertaunussteiges statt. Robert Carrera sagt lachend: „Hoffentlich sind wir bis dahin mit der kompletten Beschilderung fertig! Eigentlich wollte ich mir ja keine Deadline mehr setzen.“ Mit dem Richtfest des Premiumweges ist das erste Ziel erreicht. Ab jetzt werden wir sicherlich noch viel von den Premiumwegen im Wispertaunus hören.



Video Thomas Matusek